Türkische Invasion im Nordirak
Mustafa Karasu, Mitglied des Exekutivrats der KCK, hat sich in einer Sondersendung bei Medya Haber TV zu aktuellen Themen der kurdischen Freiheitsbewegung geäußert. In dem Interview sprach Karasu unter anderem über das Ausmaß des Krieges in Südkurdistan und den Widerstand der Guerilla gegen die türkische Invasion in den Medya-Verteidigungsgebieten. Es folgt ein kurzer Ausschnitt in deutscher Übersetzung:
Widerstand unter schwierigsten Bedingungen
Zuallererst grüße ich alle Kommandant:innen und Kämpfer:innen der Guerilla, die diesen großen Kampf führen. Ich gedenke auch all der Gefallenen mit großem Respekt und Dankbarkeit. Unsere jungen Genoss:innen führen einen wirklich historischen Kampf. Es ist nicht nur der Widerstand einer Handvoll Menschen - von zehn oder fünfzig Menschen. Es ist der Widerstand und der Wert eines ganzen Volkes. Und sie leisten Widerstand unter den schwierigsten Bedingungen. Der Kampf, der derzeit in den Medya-Verteidigungsgebieten mit der Taktik des Tunnelkriegs und mobilen Teams geführt wird, ist vorbildlich. Das ganze kurdische Volk sollte sie sehen. Diese jungen Kämpfer:innen verdienen jede Art von Respekt.
Guerilla in Nordkurdistan
Bevor ich weiter über die Medya-Verteidigungsgebiete spreche, möchte ich darauf hinweisen, dass es in der letzten Zeit auch einen sehr wichtigen Widerstand in Nordkurdistan gegeben hat. Es gab wichtige Kämpfe, bei denen einige sehr wertvolle Freund:innen ihr Leben ließen. In diesem Zusammenhang gedenke ich mit Respekt und Dankbarkeit derer, die kürzlich in Nordkurdistan gefallen sind. Ihr entschlossener Kampf wird auch der Gesellschaft ermöglichen, ihren Kampf mit Entschlossenheit fortzusetzen.
Der Feind hat seine Strategie geändert
Der Widerstand in den Medya-Verteidigungsgebieten hat an Umfang gewonnen. In letzter Zeit hat die Luftverteidigungseinheit Dogan Zinar wichtige Aktionen durchgeführt. Sie haben dem Feind wichtige Schläge versetzt. Der Feind hat seine Strategie geändert. Bisher sind sie von Norden her über Land gekommen und haben versucht, Schritt für Schritt durch Kämpfe vorzudringen. Das hat sich nun durch die Zusammenarbeit mit der PDK geändert. Jetzt dringen sie über Habur in die PDK-Gebiete ein, benutzen die befestigten Straßen der PDK und versuchen, ihre Kräfte im Süden zu sammeln, um die Guerilla einzukesseln und anzugreifen. Im Moment greifen sie nicht nur Zap, Metîna und Avaşîn an, sondern auch Gare über Dereluk, da sie auf den Straßen aus dem Süden kommen. Sie greifen derzeit in ganz Bergarê an, führen Luftangriffe durch und verbrennen und zerstören Dörfer.
Guerillagebiete werden von Süden her eingekesselt
In dieser Hinsicht hat der Krieg nach dem 3. Juli durch die Kollaboration der PDK eine neue Dimension erreicht. Jetzt benutzt die Türkei Südkurdistan in gewisser Weise wie eine eigene Region. Früher griff sie von Norden her an, von der Grenze aus, und nutzte dabei ihre eigenen Straßen und ihr eigenes Terrain. Sie kam Welle für Welle und schickte zuerst Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen. Heute ist das nicht mehr so. Ihre Strategie hat sich zu einem Angriff gewandelt, der die Guerillagebiete Metîna, Zap und Avaşîn von Süden her vollständig einkesselt. Und wie ich bereits sagte, wird auch Gare ins Visier genommen. Die Dörfer in Bergarê werden derzeit niedergebrannt.
Im Moment brennt es überall
Im Moment brennt es überall in den Medya-Verteidigungsgebieten. Die Öffentlichkeit sollte sich darüber im Klaren sein, dass die Region jeden Tag Dutzende Male von Flugzeugen angegriffen wird. Jeder Luftangriff bedeutet Feuer. Deshalb brennt es in den Medya- Verteidigungsgebieten ständig. Kurdistan steht in Flammen, und die PDK schaut zu. So groß ist ihr Patriotismus, so groß ist ihre Liebe zu ihrem Heimatland.
Besonders nach dem Frühling, sechs Monate lang bis zum Winter, bedeutet jeder Flugzeugangriff Feuer. Denken Sie an die Brände in der Türkei in diesem Moment. Die kleinste Sache löst Feuer aus. Auch in Griechenland gibt es Brände. Was passiert, wenn ein Ort täglich dutzende Male aus der Luft bombardiert wird? Er verbrennt, und das ist der Fall in den Medya-Verteidigungsgebieten. Dort herrscht ein intensiver Krieg, nicht zu vergessen auch in Xakurke. Es herrscht überall Krieg.
Wie türkisches Herrschaftsgebiet
Der türkische Staat sagt, dass er überall die Macht übernehmen wird. Genau daran arbeiten sie mit Unterstützung der PDK. Der Grund, warum sie in letzter Zeit so oft gesagt haben, dass sie das tun werden, ist, dass sie Südkurdistan jetzt als ein Gebiet betrachten, das nicht nur von der PDK und der irakischen Regierung, sondern auch von ihnen selbst regiert wird. Sie sehen es als ihr eigenes Herrschaftsgebiet an, wie Mêrdîn oder Sêrt [tr. Mardin oder Siirt]. Deshalb reden sie auch so.
Der Widerstand geht weiter
Aber natürlich geht der Widerstand dagegen weiter und wird weitergehen. Die Guerilla antwortet auf die Angriffe des türkischen Staates mit entsprechenden Taktiken, Tunneln und mobilen Teams. Jeder Tunnel ist wie eine Burg, und von dort aus werden ständig mobile Teams eingesetzt, die den Feind angreifen. Ein weiteres Merkmal der Tunnel ist, dass sie das Gebiet beherrschen. Die türkischen Besatzungssoldaten können sich den Tunneln nicht nähern, aber die mobilen Teams können von dort aus agieren und dem Feind einen Schlag versetzen.
Kampf um Existenz oder Auslöschung
Während die Guerilla früher nur bei Regenwetter aktiv werden konnte, hat sie jetzt gelernt, zu jeder Jahreszeit anzugreifen, ob bei Regen oder unter klarem Himmel. Dieser Krieg wird weitergehen. Denn dieser Widerstand ist der Kampf des kurdischen Volkes für Freiheit. Es ist ein Kampf um Existenz oder Auslöschung. Der türkische Staat und seine Partner führen einen Krieg zur Vernichtung des kurdischen Volkes. Sie erkennen weder die Existenz der Kurden noch die der PDK an. Sie kollaborieren derzeit mit der PDK aus dem einzigen Grund, sie gegen die PKK einzusetzen. In einem Umfeld, in dem die PKK nicht mehr existiert, ist die PDK erledigt.
Feindschaft ohne politische Farbe
Sie wollen das kurdische Volk mit ihrem nationalstaatlichen Verständnis vernichten. Sie wollen ganz Kurdistan zu einem Expansionsgebiet für den türkischen Staat machen. Das ist es, was der türkische Staat anstrebt. Dessen müssen sich alle Kurdinnen und Kurden bewusst sein. Die Feindschaft des türkischen Staates richtet sich nicht nur gegen die kurdischen Linken und Sozialisten. Für den türkischen Staat spielt es keine Rolle, welche politische Gesinnung die Kurden haben. Er ist ihnen in jeder Hinsicht feindlich gesinnt. Die Feindschaft des türkischen Staates gegenüber den Kurden hat keine politische Farbe. Er ist allen Kurdinnen und Kurden gegenüber feindlich eingestellt, einfach weil sie Kurden sind, weil sie eine kurdische Identität haben und weil sie ihre eigene Identität und Kultur leben wollen. Machen Sie sich keine Illusionen. Es geht hier nicht um einen Konflikt der Guerilla, sondern um das Überleben eines Volkes, und das geht alle an. Deshalb ist eine konkretere Unterstützung des Kampfes notwendig.