Kalkan: Die Hauptsache ist der ideologische und politische Kampf

Die Türkei setzt die Angriffe auf Kurdistan trotz der Einstellung militanter Aktionen durch die kurdische Freiheitsbewegung fort. Die Guerilla führt den Freiheitskampf der Völker und der Unterdrückten unter allen Bedingungen weiter, sagt Duran Kalkan.

Duran Kalkan hat sich als Mitglied des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) bei Medya Haber TV zu aktuellen Themen geäußert. Wir veröffentlichen Auszüge aus dem Interview über die jüngsten Entwicklungen in Kurdistan, im Nahen Osten und in der Welt, darunter der Kampf für die Freiheit Abdullah Öcalans und die kompromisslose Haltung der Türkei in Bezug auf die Einstellung aller Guerillaaktionen seit der Erdbebenkatastrophe mit Epizentrum in Kurdistan.

Isolation von Öcalan: „Das CPT ist ein Gremium, das Folter legitimiert"

Zur Isolation von Abdullah Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali erklärte Kalkan: „Es ist keine gewöhnliche Situation dort. Es handelt sich um eine sehr wichtige Situation, die nicht nur die Kurdinnen und Kurden betrifft, sondern alle unterdrückten Völker, insbesondere Frauen und die arbeitende Bevölkerung. Es findet dort ein historischer Kampf statt. Die Isolierung [von Abdullah Öcalan] wird auf dieser Grundlage durchgeführt. Es gibt keine neuen Entwicklungen in Bezug auf die Isolation. Es hat sich absolut nichts geändert. Die politische Agenda in der Türkei ändert sich, es gibt die bevorstehenden Wahlen und den laufenden Krieg. Es ist fraglich, ob diese Dinge wirklich etwas ändern. Diese Dinge passieren, aber gibt es wirklich einen Wandel in der politischen Agenda? Wir sind der Meinung, dass dies diskutiert werden muss. Die reale Politik ändert sich nicht. An Imrali und dem System von Folter, Isolation und Völkermord ändert sich nichts. Aber das sind die realen Faktoren, die die Politik in der Türkei bestimmen.

Jetzt wird viel über die bevorstehenden Wahlen gesprochen. Doch es gibt keine Veränderungen. Es ging um die Frage, ob das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) nach Imrali gehen sollte, was seit September letzten Jahres diskutiert wurde. Schließlich gab das CPT bekannt, dass es seinen Bericht fertiggestellt und ihn im März [2023] an die türkische Regierung geschickt habe. Dies ist die letzte Stellungnahme zu der Isolation, dem Folter- und Völkermordsystem Imrali. Aber es gibt keine Informationen über den Inhalt dieses Berichts. Es gibt keine Informationen darüber, was in ihm enthalten ist und was nicht. Das CPT sagt einfach: Wir haben ihn ihnen geschickt, der Rest ist Sache des türkischen Staates. Das heißt, an die faschistische AKP/MHP-Regierung, also an diejendigen, die diese Isolation, das System der Unterdrückung und des Völkermords auf Imrali umsetzen. Der Rest, sagen sie, ist ihre Sache: Ob sie es veröffentlichen oder nicht, ob sie genaue Informationen über den Inhalt liefern oder nicht. Das ist eine bemerkenswerte Situation. Sie [die AKP/MHP-Regierung] sind diejenigen, die die Isolation auferlegen und dieses System betreiben. Wenn das CPT während seines Besuchs in der Türkei Entscheidungen über die Foltersituation auf Imrali getroffen hat, hat es keinen Sinn, die faschistische AKP/MHP-Diktatur oder den türkischen Staat darüber zu informieren. Denn sie sind diejenigen, die das alles tun. Diejenigen, die es tun, wissen natürlich, was passiert. Welchen Sinn hat es, ihnen zu sagen, was sie tun? Sie machen das alles mit Absicht. Sie [CPT] sagen, dass dies ihre Regeln sind, aber wir können diese Regeln wirklich nicht verstehen. Das hat nichts mit Freiheit und Demokratie zu tun und kann nicht als Regeln betrachtet werden. Wenn es eine Entscheidung über die Praktiken des türkischen Staates und der AKP/MHP-Regierung auf Imrali geben wird, sollte dies zumindest vom CPT angekündigt werden. Das CPT muss Druck ausüben, und sein Bericht sollte an mehr Institutionen geschickt werden. Es schickt ihn an die Täter, als wüssten sie nichts davon, und sagt, dass sie damit machen können, was sie wollen. Sie sind diejenigen, die die Folterungen durchführen und die Isolation umsetzen. Deshalb werden sie nichts tun. Sie werden den Bericht einfach in die Schublade legen. Das CPT hat diese Erklärung abgegeben, um den Druck abzubauen, der durch die Proteste des kurdischen Volkes und seiner internationalen Freundinnen und Freunde entstanden ist. Aber das hat nicht funktioniert. Es sieht so aus, als ob sie etwas tun würden, aber in Wirklichkeit tun sie es nicht. Es handelt sich um Täuschung und Trickserei. Das CPT hat sich mehr und mehr verraten. Es sollte nicht so sein, aber so sieht die derzeitige Situation aus: Das Imrali-System wird in Zusammenarbeit [des türkischen Staates und internationaler Mächte und Institutionen] durchgeführt. Seit 25 Jahren werden die Isolation und die Folterung der Kurden und das Imrali-System in Zusammenarbeit durchgeführt. Seit mehr als zwei Jahren wird auch die vollständige Isolation in Zusammenarbeit durchgeführt.

Dennoch müssen wir sie entlarven. Es handelt sich um ein sogenanntes Rechtssystem und eine demokratische Rechtsstaatlichkeit. Aber all das hat nichts mit Demokratie zu tun. Es kann nicht sein, dass ein solches Gesetz dem Folterer tatsächlich alle möglichen Befugnisse einräumt. Die Verfolgten und Unterdrückten haben keine Rechte. Es sieht aus, als gäbe es Rechte, aber in Wirklichkeit ist das CPT ein Komitee, das Folter legitimiert und den Folterern nichts sagen kann. Wie soll dieses Komitee also Folter verhindern, wenn es den Folterern nichts sagt? Die Situation auf Imrali ist nicht nur das Werk des türkischen Staates. Sie offenbart auch den heutigen Zustand der europäischen Demokratie und des Rechts. Es gibt eine Einheit [zwischen diesen Kräften], und das müssen wir betonen.

Die Hauptsache ist der ideologische und politische Kampf

Wir dürfen den juristischen Kampf nicht aufgeben, aber die Hauptsache ist natürlich der ideologische und politische Kampf. Die Proteste und Aktivitäten gehen weiter. In letzter Zeit hat es wichtige Initiativen gegeben. Überall auf der Welt stehen das kurdische Volk, seine internationalen Freundinnen und Freunde, revolutionäre demokratische Kräfte und Intellektuelle auf und treten für die Freiheit von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] ein. Von Amara [Geburtsort von Abdullah Öcalan] aus breitet sich eine Haltung der Unterstützung und des einheitlichen Handelns für Rêber Apo in die ganze Welt aus. Die Feierlichkeiten zum 4. April [Geburtstag von Abdullah Öcalan] waren wirklich zahlreich und stark. Sie zeigen, wie sehr die Gesellschaft, das kurdische Volk und die demokratischen Kreise mit Rêber Apo vereint sind. Kurz darauf fand in Hamburg eine wichtige Konferenz statt, auf der die Ideen von Rêber Apo unter dem Titel ,Die kapitalistische Moderne herausfordern' diskutiert wurden. Die Idee, die die kapitalistische Moderne herausfordert, ist zweifelsohne die Theorie der demokratischen Moderne. Rêber Apo hat diese Theorie entwickelt, die auf dieser Konferenz diskutiert wurde. Dort fanden sehr wichtige und ernsthafte Diskussionen zwischen den Intellektuellen der Welt, demokratisch-revolutionären Kräften und liberal-demokratischen Kreisen statt. Das bedeutet, dass obwohl der AKP/MHP-Faschismus mit Unterstützung der PDK, Europas und der NATO versucht hat, eine noch nie dagewesene Isolation durchzusetzen, hat Rêber Apo diese Isolation durchbrochen. Er hat die Mauern von Imrali durchbrochen. So hat er seine Gedanken mit den Frauen, der Jugend, den Arbeitenden, den Werktätigen und allen Unterdrückten in der ganzen Welt geteilt. Die Unterstützung für Rêber Apo wächst und breitet sich heute wie eine Lawine in der ganzen Welt aus. Die Bemühungen, die Gedanken und Thesen von Rêber Apo zu verstehen, zu übernehmen, zu integrieren und in die Praxis umzusetzen, wachsen wie eine Lawine und breiten sich in der ganzen Welt aus. Das schließt alle Unterdrückten ein, insbesondere die Frauen. Das ist es, was wichtig ist, was wesentlich ist. Das ist es, was das Folter- und Isolationssystem auf Imrali zerstören wird. Und das wird auch in Zukunft so sein. Denn genau dieser Kampf ist es, der die Politik bestimmt und zu dauerhaften Ergebnissen führen wird. Dieser Kampf wird das Folter- und Isolationssystem zerstören, die Mauern von Imrali niederreißen, den Faschismus vernichten, die Türkei demokratisch und Kurdistan frei machen. So wird er den wichtigsten Beitrag der Geschichte zum Marsch der Menschheit in die Freiheit leisten.“

Einseitige Einstellung von Aktionen: „Offenbarung wahrer Absichten“

Zur Einstellung aller militanten Aktionen durch die kurdische Bewegung sagte Duran Kalkan: „Nach dem schweren Erdbeben am 6. Februar hat die Führung unserer Bewegung einen Stopp aller militärischen Angriffe der Guerillakräfte erklärt. Damit wollte sie die Möglichkeit verbessern, die Wunden der Menschen zu heilen, die durch das Erdbeben schwer gelitten hatten. Später, trotz aller Aggressionen des AKP/MHP-Faschismus, hat unsere Führung die Entscheidung getroffen, diesen Angriffsstopp bis zu den Wahlen aufrechtzuerhalten, um sich nicht an Provokationen in diesem Prozess zu beteiligen. Diese Entscheidung wurde öffentlich bekannt gegeben und gilt weiterhin. Wir handeln im Einklang mit unseren Beschlüssen und Erklärungen, die wir abgegeben haben. Solange die Guerilla nicht angegriffen wird, führt sie keine Angriffe durch. Wenn es einen Angriff gibt, verteidigt sich die Guerilla. Das gilt für alle Freiheitskräfte. Vor allem in Bezug auf die Städte [in der Türkei] hat unsere Leitung einen konkreten Aufruf gemacht. Aber dieser Krieg kann nicht mit einer einseitigen Entscheidung, alle Angriffe zu stoppen, beendet werden. Die Einstellung der Angriffe muss bilateral erfolgen. In der Vergangenheit hat Rêber Apo unzählige einseitige Waffenstillstände erklärt. Aber warum hat er keine Antwort erhalten? Das wird jetzt viel klarer. Die faschistische AKP/MHP-Diktatur setzt ihre Angriffe in den Medya-Verteidigungsgebieten [Gebiete in Südkurdistan/Nordirak] auf noch höherem Niveau fort. Sie setzt ihre Angriffe gegen die Tunnel und Stützpunkte der Guerilla fort. Und diese Angriffe sind nicht nur auf diese Gebiete beschränkt. Die AKP/MHP greift überall an. In letzter Zeit hat sie Angriffe in Çelê, Mêrdîn und Gever [Gebiete in Nordkurdistan] verübt. Davor gab es Angriffe in Amed und Dersim. Sie griffen Silêmanî und Şengal an. Und sie greifen jeden Tag Rojava an. Sie schießen dort praktisch jede Nacht auf Zivilpersonen, nicht nur auf bewaffnete Kräfte. Sie haben alle Kurdinnen und Kurden und alle, die sich mit ihnen verbinden und mit ihnen auf der Grundlage der Freiheit zusammenarbeiten, zu Feinden erklärt und greifen sie an. Das Pressezentrum der HPG [Volksverteidigungskräfte] veröffentlicht täglich die Ergebnisse dieser Angriffe. Der AKP/MHP-Faschismus hat seine Angriffe nicht eingestellt. Sie betrachten diese Entscheidung [Einstellung militanter Aktionen] sogar als Schwäche und wollen sie ausnutzen. Sie erfinden Ausreden, um zu versuchen, die Guerilla noch mehr zu schwächen.

So offenbaren sie ihre wahren Absichten. Wie aggressiv sie sind, wie sie zu allen möglichen Provokationen und Verschwörungen greifen, das ist deutlich zu sehen. Das muss man verstehen. Die Angriffe in Zap, Avaşîn, Metîna, Xakurkê und Heftanîn [Gebiete in Südkurdistan/Nordirak] gehen weiter. Kampfflugzeuge führen Bombardierungen durch, Drohnen greifen diese Gebiete an, ebenso wie Hubschrauber, Artillerie und Panzer. Wenn die Guerilla sich verteidigen muss, führt sie natürlich auch defensive Aktionen durch. Sie verteidigt sich, wo sie es für notwendig hält. Aber der türkische Staat bleibt nicht stehen. Das müssen alle wissen.

Die Angriffe des AKP/MHP-Faschismus trotz des nach dem Erdbeben vom 6. Februar verkündeten Stopps aller Guerillaaktionen müssen erkannt und verstanden werden. Alle müssen Verantwortung übernehmen. Es gab Erklärungen aus einigen Kreisen, aber sie sind schwach. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine stärkere Haltung erforderlich ist, sowohl von internen als auch von externen Kreisen. Niemand darf die Guerilla missverstehen und sich auf dieser Grundlage verrechnen. Die Entscheidung, alle Angriffe einzustellen, die unsere Leitung aufgrund eines großen moralischen und gewissenhaften Ansatzes und unter Berücksichtigung der aktuellen politischen Situation getroffen hat, sollte nicht missverstanden werden. Diese Entscheidung bürdet allen Verantwortung auf. Die Verantwortung liegt bei allen politischen und gesellschaftlichen Kreisen und staatlichen Kräften. Deshalb sagen wir, dass alle ihrer Verantwortung gerecht werden müssen.

Obwohl sie seit einem Jahr mit chemischen Waffen, taktischen Nuklearwaffen, Phosphorbomben, verschiedenen Arten von verbotenen Bomben und allen möglichen technischen Hilfsmitteln angreifen und dabei von der NATO bis Russland unterstützt werden, ist es ihnen nicht gelungen, diese Gebiete zu besetzen. Sie haben ihr Ziel, die Guerilla zu zerschlagen, nicht erreicht. Die Guerilla hat dort einen der bedeutendsten Widerstände der Geschichte geleistet. Sie hat die Angriffe der Invasoren zurückgeschlagen und so den Erfolg des Feindes verhindert. Die AKP/MHP träumte davon, in kurzer Zeit in Zap und dann in Rojava einzumarschieren - und damit die PKK zu zerschlagen und den Völkermord an den Kurden zu vollenden - und dann die Wahlen, die einen Monat später abgehalten werden sollten, mit einem großen Sieg durchzuführen. Nun sind alle ihre Träume zerplatzt. Das hat der große Guerillawiderstand bewirkt. Wir haben während dieses einjährigen Widerstands gesehen, dass das wirklich Entscheidende im Krieg das Engagement für die Sache ist, die Aufopferung, der Mut und das Bewusstsein der Kämpferinnen und Kämpfer. Kreativität, Professionalität und Heldentum. In Zap, Avaşîn und Metîna hat der apoistische Geist des Widerstands und des Sieges opferbereit gekämpft und Widerstand geleistet. In einem solchen Umfeld der Ungleichheit hat die Guerilla diese aggressive Kraft, die über alle möglichen Ressourcen verfügt, nicht durchgelassen. Das ist sehr, sehr wichtig, sehr bedeutsam. Es zeigt, dass die Guerilla den Freiheitskampf der Völker und der Unterdrückten unter allen Bedingungen führen kann. Daraus können alle eine Lehre ziehen."