Internationalistische Konferenz in Katalonien

In Barcelona hat die „Erste internationalistische Konferenz Kataloniens“ stattgefunden. Die dreitägige Veranstaltung trug den Titel „Die Revolution in Kurdistan Verteidigen – Demokratischer Konföderalismus“.

In Barcelona hat die „Erste internationalistische Konferenz Kataloniens“ stattgefunden. Die dreitägige Veranstaltung trug den Titel „Die Revolution in Kurdistan Verteidigen – Demokratischer Konföderalismus“, passend zum Jahrestag der spanischen Revolution von 1936 und der Rojava-Revolution 2012 – beide Aufbrüche starteten an einem 19. Juli – wurde die Konferenz auf das vergangene Wochenende gelegt. Internationalistische Strukturen von mehr als einem Dutzend politischer Parteien, Gewerkschaften, Initiativen und NGOs kamen zusammen, um über Geschichte und Perspektiven des Internationalismus zu diskutieren und ihre Kämpfe gegen die bestehenden ökonomischen und sozialen Herrschaftsverhältnisse zu verbinden.

Den Auftakt der Konferenz machte am Freitagabend ein von Vertreterinnen der katalanischen Frauenbewegung auf die Beine gestelltes Mini-Symposium. Eine Referentin der „Akademie der Demokratischen Moderne“ durchleuchtete zunächst die aktuelle politische Lage in Kurdistan und gab einen Einblick in die Perspektiven und Arbeiten der kurdischen Frauenbewegung, um einen Austausch über eigene und gemeinsame Projekte zu öffnen. Als Ergebnis dieser Diskussion wurde die Bedeutung von Organisierung hervorgehoben, die als eine zentrale Notwendigkeit revolutionärer Politik angesehen wurde, die sich sowohl aus der Analyse der Auswirkungen der kapitalistischen Verhältnisse als auch aus der Analyse historischer und gegenwärtiger revolutionärer Ansätze, ihren Entstehungsbedingungen sowie den Gründen für ihr Scheitern ergebe.


Demokratische Kräfte Kataloniens wollen kurdische Revolution verteidigen

Der Samstag stand unter dem Motto „Die Revolution in Kurdistan verteidigen“. Der Tag begann mit einer Videobotschaft der internationalistischen Strukturen aus Rojava, die über eine große Leinwand abgespielt wurde. Es wurde festgehalten, dass die Intensität der Krise der kapitalistischen Moderne weltweit spürbar zunimmt und die Ablehnung dagegen anwächst, auch in Katalonien. Als Weg zu einer neue Gesellschaftsformation wurden die revolutionären Prozesse in Kurdistan benannt. Im Hinblick auf die Drohungen der Türkei, einen weiteren Angriffskrieg gegen Rojava vom Zaun zu brechen, hieß es mit Verweis auf Zugeständnisse für Ankara beim Nato-Gipfel vor drei Wochen in Madrid: „Während sich die Gesellschaften in Rojava mit der Perspektive der revolutionären Volksverteidigung organisieren und sich auf einen möglichen Angriff vorbereiten, sollten die sozialen Bewegungen in der Welt sowohl diesem Kampf als auch dem Widerstand der kurdischen Freiheitsbewegung in den Medya-Verteidigungsgebieten ihre Stimme verleihen.“

Kampagne „Justice for Kurds“ auch in Katalonien

Die Session am Samstag widmete sich dann den aktuellen politischen Verhältnissen in Kurdistan und Mittelost. Ein Redner der „Akademie der Demokratischen Moderne“ analysierte die Strategien der Akteure des „Dritten Weltkrieges“, schilderte die historischen und geopolitischen Hintergründe der türkischen Staatspolitik sowie die ganzheitliche „Kurdistanstrategie”. Diese Strategie basiert im Kern darauf, die Mittel der „soft power” aufzugeben, die vergeblich eingesetzt wurden, um die kurdische Bevölkerung als eigenständiges politisches Subjekt zu einem Objekt der eigenen neoosmanischen Politik zu machen und stattdessen mit dem „Çökertme Planı“ (zu Deutsch etwa „In die Knie zwingen-Plan”) den Widerstand der kurdischen Bevölkerung militärisch zu brechen. Darüber hinaus wurden Ideen zur Agenda der kurdischen Bewegung, ihrem Aufbau und ihrem Widerstand ausgetauscht. Bezüglich der internationalen Kampagne für die Streichung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) von den Listen terroristischer Organisationen der EU und der USA wurde der Konsens erzielt, dass sich katalanische Gruppen in diese Initiative einbringen. „Denn dieses Verbot hat zu Kriminalisierung und Diskriminierung von Tausenden von Kurdinnen und Kurden geführt, die pauschal zu Gewalttätern und Terroristen gestempelt, als Sicherheitsrisiken stigmatisiert und damit letztlich zu politischen Feinden erklärt wurden“, hieß es. Darüber hinaus wurde vereinbart, weitere gemeinsame Projekte zu erarbeiten und umzusetzen.

Im Rahmen der Konferenz entstand auch ein Video, in dem sich Teilnehmende solidarisch mit dem Widerstand der Guerilla gegen die türkische Invasion in Südkurdistan zeigten und zur Teilnahme an einer Demonstration am 19. Juli in Barcelona anlässlich des Jubiläums der Rojava-Revolution aufriefen. Die Demo startet um 19 Uhr vor dem Campus der Agora Barcelona und mündet in eine Feier auf dem Hochschulgelände.


Altbekanntes Narrativ des vermeintlichen Kampfes gegen den „Terrorismus“

Im weiteren Verlauf kam der Referent auf das altbekannte Narrativ des vermeintlichen Kampfes gegen den „Terrorismus“ zu sprechen, auf das der türkische Staat und dessen Präsident Tayyip Erdogan immer wieder zurückgreifen, um Verstöße gegen das Gewaltverbot gegenüber dem kurdischen Volk in Syrien und im Irak zu legitimieren. In Ankara gehöre es mittlerweile zur Tradition, eine angebliche Selbstverteidigungslage für die Türkei zu fabrizieren, um Invasionen und Angriffskriege gegen die kurdische Gesellschaft zu rechtfertigen. „Vom politischen Vernichtungsfeldzug in Nordkurdistan über die Zerschlagungsversuche der Autonomieprojekte in Rojava und dem ezidischen Şengal bis hin zu den Besatzungsversuchen in Zap, Metîna und Avaşîn wird jeder Angriff auf das kurdische Volk mit eben jenem Terroretikett legitimiert. Die Kurdinnen und Kurden sind einem Terrornarrativ ausgesetzt, das nicht nur als politisches Instrument eingesetzt wird, sondern längst ideologische Dimensionen angenommen hat. Diese Politik der Kriminalisierung stellt gleichermaßen einen Angriff auf das Paradigma der demokratischen Moderne und den Aufbau des demokratischen Konföderalismus dar. In diesem Sinne ist es auch eine internationalistische Aufgabe, die Kampagnen für die Freiheit des Ideengebers Abdullah Öcalan aktiv zu unterstützen.“

Wie den Demokratischen Konföderalismus in Katalonien aufbauen und umsetzen?

Nachdem der Abend mit einem kulturellen Programm samt Theaterdarbietung, Tänzen und Musik beendet wurde, befasste sich die Konferenz am Sonntag mit der Frage „Wie den Demokratischen Konföderalismus in Katalonien aufbauen und umsetzen?“ Ein erster Vortrag widmete sich der Theorie der demokratischen Moderne und dem System des Demokratischen Konföderalismus. Betont wurde die Bedeutung vom „Aufbau von unten“ sowie die Erforschung und Kenntnise der Geschichte der demokratischen Zivilisation. Der Stellenwert der demokratischen Autonomie wurde anhand der Perspektiven Abdullah Öcalans erläutert, der sagte: „Wenn Nation der Geist ist, ist die demokratische Autonomie der Körper“. Die Prinzipien der radikalen Demokratie, der Freiheit der Frau und der Ökologie, auf denen das Paradigma basiert, wurden als mögliche Basis der sozialen Kämpfe Kataloniens benannt.

Konzept der Demokratischen Nation in Katalonien möglich?

Die zweite Session wurde in Workshops unterteilt, bei denen die verschiedenen Dimensionen des demokratischen Konföderalismus im Kontext der Realität Kataloniens diskutiert wurden. Vor allem das Konzept einer „Demokratischen Nation“, die auf Pluralismus, der Freiheit und der Gleichberechtigung gesellschaftlicher Gruppen basiert, die ein Leben in gegenseitiger Solidarität führen – die Idee stellt zugleich die ideologische Perspektive der kurdischen Freiheitsbewegung dar – wurde als Leuchtturm für die Neudefinition der Gesellschaft in Katalonien gewürdigt.

Die Konferenz endete mit einer Beschlussfassung, die in naher Zukunft veröffentlicht werden soll.