Die Konflikt- und Friedensforscherin und antimilitaristische Aktivistin Dr. Mechthild Exo ist eine Wissenschaftlerin, die sich auf dekolonisierende Forschungsmethoden und Darstellungsweisen konzentriert. Dr. Exo setzt sich mit der feministisch-kolonialen Kritik an den wichtigsten Theorien und Konzepten der Weltpolitik auseinander und führt wissenschaftliche Studien zu „demokratischer Selbstorganisation von unten“ und „neuen Modellen für Friedensordnungen“ durch.
Mechthild Exo ist Dozentin an der Fachhochschule Emden/Leer und Mitglied der Initiative Defend Kurdistan. Sie gehörte zu der Friedensdelegation, die im vergangenen Jahr im Auftrag der Initiative nach Hewlêr (Erbil) in Südkurdistan (Nordirak) reiste. Gegenüber ANF hat sich Dr. Exo zu den türkischen Invasionsangriffen, der Position der PDK, den Aktivitäten der Friedensinitiative Defend Kurdistan und der Behinderung friedlicher Aktivitäten durch den deutschen Staat geäußert.
Türkei setzt illegale Waffen ein
Zum Hintergrund der Reise der Friedensdelegation nach Hewler im Juni 2021 erklärte Dr. Exo: „Im April letzten Jahres begann ein militärischer Angriff der türkischen Armee. Zivile Siedlungen wurden bombardiert, die Menschen wurden gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen. Ein schwerer Krieg brach aus, und es wurden verbotene chemische Waffen eingesetzt. Da sich jedoch niemand mit dem Konflikt befasste, mussten wir dorthin fahren und das Thema in der Öffentlichkeit zur Sprache bringen. Wir wollten auch wissen, was die Zivilgesellschaft und die politischen Parteien in Südkurdistan über das Thema denken“.
Mechthild Exo wies darauf hin, dass die Mitglieder der Friedensdelegation die engen Beziehungen der Familie Barzanî zur Türkei und die Bereicherung der Familie und ihrer Anhänger beobachtet haben. „Diese Familie will stärker werden und die Partei führen und pflegt eine Partnerschaft mit der türkischen Regierung. Die Familie Barzani will alle unterirdischen Ressourcen, einschließlich Öl, an die Türkei verkaufen“, sagte sie. Dr. Exo fügte hinzu, dass alle Organisationen und politischen Parteien, die sie in Hewlêr getroffen haben, gegen die türkischen Angriffe sind.
„Wir haben uns mit Kriegsopfern, politischen Parteien, Nichtregierungsorganisationen, Akademiker:innen, Künstler:innen, Schriftsteller:innen, Friedensorganisationen, Vertreter:innen der Frauen- und Ökologiebewegung getroffen. Kurzum, wir kamen mit vielen Teilen der Gesellschaft aus unterschiedlichen Kreisen zusammen. Diese schätzten die Aktivitäten von Internationalisten aus 14 Ländern und die Tatsache, dass wir für den Frieden und nicht für den Krieg da waren. Die PDK vertrat jedoch eine andere Haltung. Sie kontrollierte die Sicherheitskräfte und blockierte die Hälfte derjenigen, die sich unserer Delegation anschließen wollten.“
Deutschland will nicht, dass das Thema politisch diskutiert wird
Dr. Exo erinnerte daran, dass die deutsche Polizei die Aktivist:innen daran hinderten, nach Hewlêr zu reisen, mit der Begründung, dass „die türkisch-deutschen Beziehungen Schaden nehmen würden“. Sie wies darauf hin, dass das Recht der Menschen zu reisen offen verletzt wurde. Deutschland unterstütze die illegale Politik des türkischen Staates, erklärte Exo und kritisierte die Politik der deutschen Bundesregierung: „Kurdische Institutionen in Deutschland werden unterdrückt, und die kurdische Gemeinschaft im Exil darf sich nicht frei organisieren. Der deutsche Staat will nicht, dass das Thema politisch diskutiert wird, und wird Teil des Krieges der türkischen Regierung gegen die Kurdinnen und Kurden.“
Das Modell, das wir brauchen, wurde in Rojava entwickelt
Dr. Exo bemerkte, dass jetzt wieder viele Menschen aktiv werden gegen die neuen Invasionspläne und Drohungen des türkischen Präsidenten Erdogan gegen Nord- und Ostsyrien. Sie äußerte sich besorgt über die Angriffe des türkischen Staates in Südkurdistan und Rojava: „Es werden wieder chemische Waffen eingesetzt, und Menschen werden durch Drohnen getötet. Der türkische Staat will nun mit imperialen Methoden in die Region eindringen und sie annektieren, und dem müssen wir ein Ende setzen.“
Die Türkei solle sich aus den von ihr besetzten Regionen im Nordosten Syriens, darunter Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî, zurückziehen, und die europäischen Länder und internationalen Mächte hätten wichtige Aufgaben, um das in Rojava etablierte Modell zu schützen, so Dr. Exo. Sie rief die Regierungen, insbesondere die europäischen, dazu auf, den demokratischen Kampf auf der Grundlage der Freiheit der Frauen und der ökologischen Grundlagen in Nord- und Ostsyrien zu unterstützen.
„Dieser illegale Angriff des türkischen Staates richtet sich gegen die Menschenrechte und die Selbstbestimmung. Wir sollten mit allen möglichen Mitteln dieses Thema ansprechen, auf die Straße gehen, mit Politikern sprechen und mit allen kommunizieren. Wir sollten Demonstrationen organisieren, die Medien in unseren Ländern informieren und die Menschen ermutigen, sich Friedensdelegationen anzuschließen und nach Başûr (Südkurdistan) und Rojava zu reisen. Wir müssen Erdogan stoppen. Die Besetzung dieser Region betrifft nicht nur die dort lebenden Menschen; diese Region ist auch für uns alle wichtig, die wir uns für mehr Demokratie, das Recht auf Leben, Freiheit, Frauenrechte und Geschlechterfreiheit sowie ein antipatriarchales Leben in der Gesellschaft einsetzen. Ich glaube, dass das, was das kurdische Volk in Rojava bereits aufgebaut hat, ein Beispiel für ein alternatives Leben ist, das wir brauchen, und das sich auf alle Länder ausweiten sollte.“