Klage gegen Bundespolizei in Hamburg vorgestellt

Zwei Hamburgerinnen haben vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die Bundespolizei eingereicht. Diese hatte ihnen und 15 weiteren Personen die Teilnahme an einer Friedensdelegation im Juni 2021 untersagt.

Am 1. Juni 2022 haben zwei Hamburgerinnen vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die Bundespolizei eingereicht. Diese hatte ihnen und 15 weiteren Personen im Juni 2021 die Ausreise in die Autonome Region Kurdistan in Nordirak untersagt. Damit habe die Polizei die Teilnahme an einer Friedensdelegation anlässlich des bis heute anhaltenden Angriffskrieges des türkischen Militärs auf kurdischem Gebiet verhindert, heißt es in der Pressemitteilung. Mit der Ausreiseuntersagung werde das Engagement für Frieden und Transparenz in der Region kriminalisiert und werfe zugleich Fragen über die Verwicklungen des deutschen Staates in die kriegerischen Aktivitäten der Türkei auf.

Rechtswidrige Ausreiseverfügung

Die Klage wurde heute auf einer Pressekonferenz der Initiative „Defend Kurdistan“ im Curio Haus in Hamburg vorgestellt. Rechtsanwältin Cornelia Ganten-Lange, welche die Klägerinnen vertritt, berichtete über die juristischen Aspekte. Die Ausreiseverfügung ging inhaltsgleich an alle Personen, nicht individualisiert, begründet nach dem Passgesetz. Demnach sei es grundsätzlich möglich, dass die Ausreise verwehrt werde, beispielsweise dann, wenn die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet sei. Dies wurde jedoch in der Begründung nicht angeführt, sondern der Grund, dass „sonstige erhebliche Belange“ der BRD betroffen seien. Damit sei hauptsächlich mit Behauptungen und Spekulationen gearbeitet worden, etwa über eine vermeintliche „Schutzschildaktion“, die dann diese erheblichen Belange zur Beziehung zur Türkei betreffen würden, so die Rechtsanwältin. Die Anwält:innen und Klägerinnen sähen diese Verfügung als rechtswidrig an, denn der Verfügung sei nichts zu entnehmen, was die Untersagung rechtfertige.

Pressekonferenz im Curio Haus in Hamburg

Wir wurden wie Kriminelle behandelt“

Ronja H., eine der zwei Klägerinnen, sagte zunächst, dass sie sich trotz der Schwierigkeiten, Kriege miteinander zu vergleichen, ohnmächtig fühle hinsichtlich der unterschiedlichen Aufmerksamkeit, die die Kriege in der Ukraine und in Kurdistan erhielten. Schon 2021 wurde wenig über den Krieg der Türkei in Kurdistan berichtet. Sie habe sich spontan entschlossen, an der Delegation teilzunehmen, um Friedensbemühungen vor Ort zu unterstützen. Seit langem schon sei sie inspiriert von den Demokratisierungsbewegungen, die sich sowohl islamistischem Terror als auch autokratischen Regimen entgegen stellt.

Sie berichtete über den Ablauf in Düsseldorf: Nach der Passkontrolle sei sie, wie etwa 20 andere Menschen, angehalten worden. Mit den Befragungen starteten die Beamten erst, nachdem der Flug bereits verpasst war. „Wir wurden über mehrere Stunden festgehalten, der Flur war nicht belüftet und sehr heiß. Erst nach anderthalb Stunden bekamen wir Wasser, darum hatten wir bis dahin mehrfach bitten müssen. Wir wurden wie Kriminelle behandelt. Auf die Toilette durften wir nur mit polizeilicher Begleitung.“ Gegen Mittag sei sie freigekommen, mit einer Ausreiseuntersagung von einem Monat. Die Akteneinsicht, die anschließend beantragt wurde, sei wenig aussagekräftig gewesen. Die genommene Reisefreiheit auf Basis einer nicht haltbaren Unterstellung sei ein Grundrechtseingriff. Sie klage nun, um herausfinden, warum das Engagement für Frieden untersagt wurde.

Mir wurde ein Stück meines Mitspracherechts genommen“

„Wieso soll eine Friedensdelegation, die sich gegen völkerrechtswidrige Angriffe positioniert, ein Schaden für die diplomatischen Beziehungen sein – und was sagt das über diese Beziehungen aus?Was die Beziehungen zur Türkei belasten sollte, ist dass das türkische Militär Menschenrechte verletzt, nicht selten mit dem Kampfgerät deutscher Rüstungskonzerne. Mit dem Ausreiseverbot hat die Bundespolizei mich davon abgehalten, mich für Frieden einzusetzen. Damit hat sie mir auch ein Stück meines Mitspracherechts über die Zukunft und Gegenwart unserer globalen Gesellschaft genommen. Das kann, will und werde ich nicht akzeptieren“, so Ronja H.

Kurdische Identität wird zwangsassimiliert“

Theda Ohling, die zweite Klägerin, erklärte ihre Motivation, an der Friedensdelegation teilzunehmen. In ihrer Zeit als Lehrerin habe sie seit vielen Jahren Kontakt mit kurdischen Schüler:innen und Einblick in die Problematik der kulturellen und politischen Situation der hier ankommenden Familien und ihrer Fluchtursachen gehabt. „Die Schüler:innen hatten Angst, ihre Identität als zugehörig zum kurdischen Volk preiszugeben, und es dauerte einige Zeit, bis ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden konnte.Die Versuche des türkischen Staates, die kurdische Sprache sowie die gesamte kurdische Identität mit Zwang zu assimilieren, ist Teil der Politik, gegen die sich das kurdische Volk auflehnt.“

Selbstverwaltete Strukturen als Ziel türkischer Angriffe

In Südkurdistan gebe es selbstverwaltete Strukturen, die Kurdisch als Muttersprache fördern würden, führte Theda Ohling weiter aus: „Diese Strukturen sind zugleich immer wieder Ziel türkischer Angriffe. So wurde das Flüchtlingslager Mexmûr während der militärischen Offensive 2021 durch Drohnen angegriffen. Das Anliegen der Friedensdelegation, sowie um mir einen Eindruck über die humanitäre Situation aufgrund des türkischen Angriffskrieges auf die Zivilgesellschaft zu verschaffen und deren Belange für einen stabilen Frieden in der Region zu unterstützen, waren ein Grund, an der Reise teilzunehmen.“

Werde mich weiter für demokratische Belange einsetzen“

Persönlich habe sie die Festsetzung in Düsseldorf als Einschüchterung und Freiheitsberaubung empfunden. Dennoch werde sie sich „weiterhin für demokratische Belange, ob hier oder in Kurdistan, einsetzen. Bis jetzt ist nicht klar, wer die Anordnung für diese rechtswidrige Maßnahme gegeben hat, und um das zu erfahren, habe ich mich entschlossen, als Klägerin aufzutreten.“

Der Versuch, durch Gespräche und Diplomatie Frieden zu stiften und den Expansionismus des türkischen Staates zu verhindern, sei torpediert worden, „nicht zuletzt von der deutschen Bundesregierung, die Erdogan mit Waffen beliefert und gut daran verdient. Es ist zu vermuten, dass die Regierung der kurdischen Autonomiebehörde im Nordirak in enger Zusammenarbeit mit den türkischen und bundesdeutschen Abteilungen für unliebsame politische Aktivitäten gehandelt hat, damit die Hamburger Friedensdelegation nicht einreisen konnte.“

Frauen haben herausragende Bedeutung bei Friedensprozessen“

Zuletzt berichtete Dr. Mechthild Exo vom Aufenthalt der Delegation in Südkurdistan. Die Zahl der Teilnehmer:innen aus zwölf Ländern sei aufgrund der behördlichen Behinderungen von 150 auf etwa die Hälfte gesunken. Die Delegation habe sich mit Mitgliedern der wichtigsten politischen Parteien und zahlreichen gesellschaftlichen Organisationen getroffen, mit Angehörigen der Opfer des Krieges sowie Vertreter:innen der Ökologie- und der Frauenbewegung. „Besonders beeindruckend war für mich die Begegnung mit den Friedensmüttern, die ihre Kinder im Krieg verloren haben und sich für Frieden einsetzen. Diese Frauen haben eine klare Analyse zum Krieg und der türkischen Vernichtungspolitik. Aus feministischen Konfliktanalysen ist die herausragende Bedeutung der Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen bekannt. Frieden braucht eine demokratische Beteiligung zu allen Zeiten des Prozesses.“

KDP an der Seite des völkerrechtswidrigen Besatzungskrieges

Die PDK habe versucht, neben den Einreiseuntersagungen auch die Aktivitäten der Friedensdelegation vor Ort zu verhindern. So wurden die Teilnehmer:innen im Hotel festgehalten und daran gehindert, eine Pressekonferenz vor dem UN-Gebäude in Hewlêr (Erbil) durchzuführen.

Weiter führte Mechthild Exo aus: „Die von der Barzanî-Familie beherrschte PDK verhält sich schon lange als Feind der eigenen Bevölkerung wie auch als Feind aller Menschen, die nach Freiheit und Selbstbestimmung streben. Für ihre eigene Bereicherung und ihren Machterhalt liefert sie die Menschen dem Imperialismus und dem Hass der türkischen Regierung aus. Sie plündert die Ressourcen des Landes aus, verkauft das Öl zum eigenen Vorteil an die Türkei und stellt nun auch die eigenen Sicherheitskräfte an die Seite des türkischen Militärs in einem völkerrechtswidrigen Besatzungskrieg.“

Auf Beendigung der guten Beziehungen mit der Türkei drängen“

Schon vor einem Jahr sei die Delegation ein Hindernis für die weitere Eskalation des Krieges gewesen. Auch heute sei eine solche Friedensdelegation nötig angesichts der kontinuierlichen Angriffe der Türkei, so Mechthild Exo: „Aktuell findet erneut ein dramatischer Einsatz von Chemiewaffen, Bombardierungen, Naturzerstörungen und Drohnenmorden statt. Der türkische Staat droht mit einer weiteren Invasion und Besatzung von Gebieten im Norden Syriens. Im Schatten des Krieges in der Ukraine lassen die NATO-Staaten, einschließlich Deutschland als der wichtigste Partner der Türkei, diese Verbrechen gegen internationales Recht und Menschenrechte ohne Widerspruch zu. Wir dürfen nicht zulassen, dass auf die türkischen Forderungen nach mehr Repression gegen kurdische politische und gesellschaftliche Strukturen, u.a. in Finnland und in Schweden, aber auch in Deutschland, eingegangen wird. Stattdessen müssen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln darauf drängen, dass die Verbrechen des türkischen Staates angeklagt werden.Wenn Menschen, die sich für Frieden engagieren, u.a. deutsche Abgeordnete, auf illegale Weise die Ausreise untersagt wird mit der Begründung, dass die deutschen diplomatischen Beziehungen mit der Türkei sonst Schaden nehmen könnten, dann kann die Konsequenz nur sein, massiv auf die Beendigung dieser guten Beziehungen mit der derzeitigen türkischen Regierung zu drängen.“