Mehr als 70 Frauen aus Kurdistan und Europa haben die Initiative „Frauen verteidigen Kurdistan gegen die Besatzung“ gegründet. Die Gründung der Initiative ist Mitte Mai auf einer Versammlung des Frauendachverbands Kongra Star in Qamişlo angeregt worden. Die aus Vertreterinnen verschiedener Organisationen bestehende Initiative will die Position von Frauen stärken und gemeinsame Aktionen organisieren mit dem Ziel, die türkische Besatzung zu beenden und weitere Angriffe auf Kurdistan zu verhindern.
Der vollständige Aufruf lautet wie folgt:
An die Frauen und die Öffentlichkeit: Zunächst einmal: Chaos und Krise haben sich seit Beginn dieses Jahrhunderts verschärft. Dieser Zustand des Chaos wirkt sich auf alle Lebensbereiche und alle Regionen der Welt aus. Kriege, Kämpfe, Massaker und Vertreibungen, Hunger und ökologische Probleme, antidemokratische Haltungen und Gewalt, Ausbeutung und Besatzung zeigen uns, dass sich das weltweite System in einem verzweifelten Zustand befindet. Die Auswirkungen sind zwar überall zu spüren, aber nirgendwo so stark wie im Nahen Osten. Die Krankheit des Krieges in der sich entwickelnden Welt nimmt ihre deutlichste Form im Nahen Osten an. Die Wiege der Zivilisation ist heute Schauplatz von Machtkämpfen zwischen lokalen und globalen Kräften.
Kurdistan als zentraler Ort des Krieges
Auch Kurdistan ist zu einem zentralen Ort dieses Krieges geworden. Als Ergebnis dieses Krieges wird sich eine neue Weltordnung herausbilden. Sowohl die Kräfte des staatlichen Systems als auch die demokratischen Kräfte der Bevölkerung werden darum kämpfen, den Charakter dieses neuen Systems zu bestimmen. Auf der Seite der demokratischen Kräfte der Welt und der Region kommt dem kurdischen Volk und insbesondere den kurdischen Frauen eine entscheidende Rolle zu. Zum einen finden heute die Revolution in Rojava und der Kampf des kurdischen Volkes für ein alternatives System in der ganzen Welt Beachtung. Aber gleichzeitig verschärfen sich die Kämpfe der globalen und regionalen Kräfte in Kurdistan. Der türkische Staat will den Misak-i Milli-Vertrag 100 Jahre nach seiner Entstehung durch Besatzung und Massaker in Kraft setzen und das kurdische Volk vollständig auslöschen. Sein Ziel ist es, dass das kurdische Volk in der neuen globalen Weltordnung keinen rechtlichen oder demokratischen Status bekommt. Auf diese Weise führt er nicht nur innerhalb seiner eigenen Grenzen, sondern auch in Rojava und Südkurdistan einen Vernichtungskrieg. Er versucht, alle Errungenschaften des kurdischen Volkes zu vernichten.
Frauen im Visier des Vernichtungskrieges
Dieser Vernichtungskrieg richtet sich insbesondere gegen Frauen. Denn Frauen spielen eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Faschismus und Unterdrückung, um ein Leben in Freiheit und Respekt zu schaffen. Mit dem Ziel, diese Pionierrolle zu zerstören, wird ein spezieller Krieg gegen Frauen geführt. Infolgedessen sind Hunderte von Politikerinnen, Frauen, die ihre Heimat verteidigen, oder Frauen, die Widerstand leisten, heute in den türkischen Gefängnissen Folter und Isolation ausgesetzt. Eine große Zahl ezidischer Frauen wird immer noch als Geiseln gehalten. Gleichzeitig werden in den besetzten Gebieten von Rojava kurdische Frauen vom türkischen Staat und seinen Söldnertruppen verschleppt. Vom Massaker in Paris bis hin zu Kobanê werden Frauen, die eine Vorreiterrolle spielen, ins Visier genommen und getötet.
Frauen als Vorreiterinnen im Widerstand
Dadurch bekommen die kurdischen Frauen die Auswirkungen der Besatzung und der völkermörderischen Politik noch stärker zu spüren, und trotzdem geben sie ihre Rolle als Vorreiterinnen im Widerstand ihres Volkes nicht auf. Insbesondere verteidigen sie ihre Rolle als Pionierinnen, um eine gemeinsame Nation zu werden, ihrem Volk die Freiheit zu ermöglichen und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und zu entscheiden. Als Frauen wissen wir, dass wir mehr als je zuvor Einheit brauchen und dass die Einheit der Frauen eine strategische Rolle bei der Verteidigung Kurdistans gegen die Besatzung spielt. Frauen können, wenn sie ihre Kräfte vereinen, in jeder Hinsicht erfolgreich sein.
Zusammenschluss von Frauen dringlicher denn je
Um die Besatzung durch den türkischen Staat zu beenden und neue Angriffe zu verhindern, ist es dringend notwendig, dass sich Frauen aus allen Teilen Kurdistans und außerhalb des Heimatlandes zusammenschließen. Vor diesem Hintergrund und auf der Grundlage der Beschlüsse der Dringlichkeitssitzung der kurdischen Frauen in Rojava am 15. Mai in Qamişlo haben wir, die Unterzeichnenden, eine Fraueninitiative für die Verteidigung Kurdistans gegen die Besatzung gegründet und teilen diese der Öffentlichkeit mit. Wir werden von nun an zusammenarbeiten und gemeinsame Aktionen organisieren mit dem Ziel, die Position der Frauen zu stärken und die Besatzung durch den türkischen Staat zu beenden und weitere Angriffe zu verhindern. Wir werden den Slogan „Frauen verteidigen Kurdistan gegen die Besatzung" verwenden. Mit diesem Ziel verkünden wir die Initiative in der Öffentlichkeit und rufen Frauen auf, sich anzuschließen, um eine einflussreiche Position gegen alle Besatzungsangriffe einzunehmen und Kurdistan zu verteidigen.
Unterzeichnerinnen:
1. Asya Abdullah, Mitglied der Koordination des Frauenrates von Nord- und Ostsyrien
2. Awat Husam El Dîn, Leiterin der Vereinigung der Zoroaster in Kurdistan (Südkurdistan)
3. Arya Mele Ehmed, Ko-Vorsitzende des Ausschusses für die Schaffung von Gesetzen in der Region Cizîrê
4. Arzû Temo, Frauenorganisation SARA
5. Aynur Paşa, Rechtsanwältin
6. Beser Şahîn, Künstlerin (Europa)
7. Beşîra İsmayîl, Rechtsanwältin
8. Canda Muhemed, Mitglied des Exekutivorgans des Demokratischen Syrienrates (MSD)
9. Delal Elhaşimî, Vorsitzende der Demokratischen Grünen Partei
10. Delal Fehîm Xelîl, Ko-Vorsitzende des Demokratischen Islamkongresses
11. Derya Remezan, Ko-Vorsitzende des Büros für Beziehungen des MSD
12. Dilsoz Zengene, Mitglied der Initiative für Solidarität mit Rojava (Südkurdistan)
13. Dilşa Osman, Sprecherin von Kongra Star (Europa)
14. Ebîr Hesaf, Akademikerin an der Universität Rojava
15. Erîfa Bekir, Komitee für die Beziehungen zu Frauen in der PYD
16. Emîna Omer, Ko-Vorsitzende des MSD
17. Emîna Şêx Muhemed, Frauenorganisation der Syrischen Kurdischen Partei
18. Enehîta Sîno, Schriftstellerin
19. Enehîta Şêxê, Intellektuelle
20. Etiya Yûsif, Rechtsanwältin
21. Evîn Cuma, Menschenrechtsorganisation Cizîrê
22. Evîn Qafûr, Demokratische Friedenspartei Kurdistans
23. Evîn Yûsif, Aktivistin
24. Eyşê Efendî, Vorsitzende des Rates der Gefallenenfamilien in der Euphrat-Region
25. Eyşê Hiso, Ko-Vorsitzende der PYD
26. Fewziye Spiz, Lehrerin (Südkurdistan)
27. Feyrûz Xelîl, Mitglied des Frauenrats von Nord- und Ostsyrien
28. Foza Ebdê, Ko-Vorsitzende des Komitees für die Schaffung von Gesetzen in der Euphrat-Region
29. Foza Yûsif, Vorstandsmitglied der PYD
30. Hanan Osman, Diplomatisches Komitee Kongra Star (Libanon)
31. Hediya Şemo, Koordinatorin der Ezidischen Union in der Region Cizîrê
32. Helîma Ebû Bekir, Leitung der Inneren Sicherheitskräfte
33. Heyfa Mehmud, El Hedas und Demokratische Partei in Syrien
34. Hêja Ibrahîm, Kongra Star (Europa)
35. Ilham Ehmed, Vorsitzende des MSD-Exekutivrats
36. Jiyan Husên, Mitglied der Koordination des Frauenrates von Nord- und Ostsyrien
37. Leyla İbrahîm, Ko-Vorsitzende der Mala Êzîdî in der Region Cizîrê
38. Leyla Musa, MSD-Vertreterin in Ägypten
39. Medya Ebdê, Sprecherin des Forschungszentrums für die Verteidigung der Rechte der Frau (Europa)
40. Meryem Fettahi, Vorstandsmitglied von KJAR (Europa)
41. Mizgîn Hesen, Leiterin des Forschungszentrums für die Verteidigung der Frauenrechte in Syrien
42. Mizgîn Zêdan, Ko-Vorsitzende der Partei El Texyîe
43. Narîn Metînî, Leiterin des Demokratischen Frauenforums
44. Necah Gilo, Rat der Gefallenenfamilien
45. Necla Temo, Şawoşka-Vereinigung
46. Nezahet Nebo, Kongra Star (Europa)
47. Pencewîn Elî, Rechtsaktivistin
48. Perwîn Yûsif, Vorsitzende des Kantons Qamişlo
49. Remziye Muhemed, Sprecherin von Kongra Star
50. Riwyda Şêxê, Komitee der Frauen in der Organisation El Tecdid El Kurdistan
51. Rîham Hico, Mitglied der Koordination von TAJÊ (Şengal)
52. Ronak Mecid, Freiheitsorganisation Kurdistan (Südkurdistan)
53. Roşna Cemîl Cafer, Aktivistin (Südkurdistan)
54. Ruken Ehmed, Ko-Vorsitzende von TEV-DEM (Bewegung für eine demokratische Gesellschaft)
55. Saza Abdullah, Goran-Partei (Südkurdistan)
56. Sema Begdaş, PYD-Sprecherin
57. Sinem Mihemed, MSD-Vertreterin
58. Sîham Emoka, Rechtsaktivistin
59. Sîham Daud, Generalsekretärin der Syrischen Zukunftspartei
60. Stêr Qasim, Aktivistin
61. Suad Hiso, Frauenbüro von TEV-DEM in Şehba
62. Sultanê Xişo, Stiftung für freie Frauen in Syrien
63. Surûşt Helepçe, Rechtsexpertin (Südkurdistan)
64. Şehle Muhemed, Mitglied der RJAK-Koordination (Südkurdistan)
65. Şeyda Maruf, Partei der Laobrer (Südkurdistan)
66. Şoxan Salih Mîrza, Zivilaktivistin (Südkurdistan)
67. Xedîce İbrahîm, Rechtsanwältin
68. Xurbet İşlek, Mitglied der Koordination des Iştar-Rats (Mexmûr)
69. Zeyneb Muradî, Ko-Vorsitzende des KNK (Europa)
70. Zeyneb Qenber, Frauenbüro des MSD in Şehba
71. Natalia Szarek, Women Defend Rojava (England)
72. Dr. Mechthild Exo, Defend Kurdistan (Deutschland)