Internationale Initiative: PKK von der EU-Terrorliste streichen

„Im Interesse des Friedens, der Demokratie und der Menschenrechte” fordern 28 Erstunterzeichnende einer internationalen Initiative, darunter Elfriede Jelinek, Slavoj Zizek und Norman Paech, die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste.

Die Initiative „Justice for Kurds” fordert den Rat der Europäischen Union „im Interesse des Friedens, der Demokratie und der Menschenrechte” auf, die kurdische Arbeiterpartei PKK von der EU-Terrorliste zu streichen. In einer Kampagne hebt die Initiative hervor, dass die Einstufung der PKK als terroristische Organisation als Rechtfertigung für Angriffe auf Kurdinnen und Kurden und als Kriegsgrund dient und dazu führt, dass „endemische Ungleichheiten übersehen und soziale Probleme nicht angegangen” werden. Unterstützung erfährt die Friedensinitiative von international bekannten Persönlichkeiten aus Politik, Zivilrecht, Kunst und Kultur, darunter die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek, die afghanische Frauenrechtsaktivistin Selay Ghaffar, der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech und der slowenische Philosoph Slavoj Zizek:

Listung der PKK Hindernis zu Frieden

Eine friedliche Lösung der kurdischen Frage ist eine Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie und für Stabilität in der Türkei und im gesamten Nahen Osten. Die Türkei und ihre große kurdische Bevölkerung werden diese friedliche Lösung nur durch Verhandlungen erreichen können. An solchen Verhandlungen müssen alle Parteien beteiligt sein, auch die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Einstufung der PKK als terroristische Organisation ist jedoch ein Hindernis auf dem Weg zum Frieden.

EU-Gerichtshof: PKK zu Unrecht auf Terrorliste

Für die Streichung der PKK von der Liste gibt es nicht nur überwältigende praktische, sondern auch rechtliche Gründe. Die PKK wurde 2002 auf Antrag des NATO-Mitglieds Türkei auf die Terrorliste gesetzt. Das höchste Gericht der EU, der Gerichtshof in Luxemburg, entschied 2018, dass die PKK zwischen 2014 und 2017 zu Unrecht auf die EU-Terrorliste gesetzt wurde. Neben Verfahrensfehlern bezieht sich das Urteil auch auf den Friedensaufruf von Abdullah Öcalan im Jahr 2013. Als die Gültigkeit der Terrorismuseinstufung vor den belgischen Gerichten geprüft wurde, wurde im Jahr 2020 festgestellt, dass die PKK rechtlich nicht als terroristische Organisation angesehen werden sollte, da sie eine Partei in einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt ist, wodurch sie dem Kriegsrecht und nicht dem Strafrecht unterliegt.

Neue Rolle der Kurdinnen und Kurden im Nahen Osten

Außerdem wurde die neue Situation der PKK im Nahen Osten bei der Auflistung nicht berücksichtigt: Weder der vorübergehende Friedens- und Verhandlungsprozess zwischen der PKK/kurdischen Seite und der türkischen Regierung in den Jahren 2013-2015, noch die neue Rolle der Kurdinnen und Kurden im Nahen Osten - zum Beispiel im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) - wurden in Rechnung gezogen. Nachdem der IS im Sommer 2014 sein „Kalifat“ ausgerufen und damit begonnen hatte, weite Teile des irakischen und syrischen Territoriums zu erobern, wurde er vom türkischen Staat vor allem bei Angriffen auf kurdische Gebiete unterstützt, während die PKK eine entscheidende Rolle bei der Niederschlagung des IS und anderer Söldner gespielt hat. Der Aufstieg des Islamischen Staates und anderer Söldner hat die Prioritäten im Nahen Osten verändert. Der Kampf der PKK gegen den IS hat den Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung im Irak und in Syrien genutzt. Die PKK hat zur Verteidigung und Befreiung von Gebieten wie Mexmûr, der Sinjar-Region (Şengal) und Kerkûk im Irak sowie von Kobanê und anderen Gebieten in Nordsyrien beigetragen. Im August 2014 war die PKK maßgeblich an der Einrichtung eines humanitären Korridors zur Rettung Zehntausender Jesidinnen und Jesiden beteiligt, die vom IS auf dem Berg Sinjar eingeschlossen waren.

In der Geschichte der kurdischen Gesellschaft hat es keine Bewegung geschafft, Millionen von Kurdinnen und Kurden für ihr Recht auf Selbstbestimmung zu mobilisieren, wie es die PKK getan hat. Man kann mit Gewissheit sagen, dass die PKK die stärkste Massenbewegung unter den Kurdinnen und Kurden im Nahen Osten und in der Diaspora ist. Es ist auch die PKK, die die Freiheit der Frauen als strategische Dynamik der gesellschaftlichen Demokratie im Nahen Osten fördert und unterstützt.

Im Rahmen des weltweiten Krieges gegen den Terrorismus haben Staaten die Bezeichnung „terroristisch“ als politische Waffe eingesetzt, um die Opposition zu delegitimieren und die Bemühungen um Menschenrechte und Freiheit zu unterdrücken, wie es der türkische Staat im Fall der kurdischen Gesellschaft getan hat. Die Einstufung der PKK als „terroristisch“ diente als Rechtfertigung für Angriffe auf Kurdinnen und Kurden überall – von diskriminierenden Praktiken bis hin zu militärischen Konfrontationen. Sie hat es ermöglicht, die Meinungsfreiheit einzuschränken und die bürgerlichen Freiheiten zu beseitigen. Sie hat zur Unterdrückung oppositioneller politischer Parteien, Zeitungen, Fernsehsender usw. geführt. Politische Führungspersönlichkeiten, Parlamentsabgeordnete, gewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, kritische Journalistinnen und Journalisten wurden unter dem Vorwand der Verbindung mit dem Terrorismus inhaftiert. Die Einstufung hat dazu geführt, dass endemische Ungleichheiten übersehen und soziale Probleme nicht angegangen wurden und sie wurde als Kriegsgrund benutzt. Die Europäische Union wird also dazu benutzt, die Angriffe autoritärer Regime zu beschönigen.

Im Interesse von Frieden, Freiheit, Demokratie, Stabilität und Menschenrechten fordern wir die sofortige Streichung der PKK von der Liste.

Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner:

▪ Elfriede Jelinek – Schriftstellerin, Literaturnobelpreis, Österreich

▪ Slavoj Žižek – Philosoph, Slovenien

▪ Janet Biehl – Autorin, Redakteurin und Grafikerin, USA

▪ Selay Ghaffar - Frauenrechtsaktivistin und Sprecherin der Solidaritätspartei Afghanistans

▪ Miguel Urbán Crespo – Mitglied des Europäischen Parlaments, Spanien

▪ Srećko Horvat – Philosoph, Kroatien

▪ David R. K. Adler - Generalkoordinator von Progressive International

▪ Roberto Rampi - Mitglied des Senats von Italien, Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

▪ Paolo Ferrero - Ehemaliger Minister, Vizepräsident der Europäischen Linkspartei, Italien

▪ Gorka Elejabarrieta Díaz - Senator von Spanien und Direktor für internationale Beziehungen und Politik bei EH Bildu

▪ Prof. Norman Paech - Experte für internationales Recht

▪ Prof. Kariane Westrheim - Vorsitzende der EU Turkey Civic Commission (EUTCC)

▪ Nils Andersson - Schriftsteller und Verleger, Frankreich

▪ Joel Dutto - Mitglied der Kurdistan-Solidaritätskoordination, Frankreich

▪ Nora Cortinas - Mitbegründerin der Mütter der Plaza de Mayo, Argentinien

▪ Prof. Achin Vanaik - Professor im Ruhestand für „Internationale Beziehungen und globale Politik“, Universität von Delhi, Indien

▪ Prof. Michael M. Gunter - Generalsekretär der EU Turkey Civic Commission (EUTCC), USA

▪ Berthold Fresenius - Jurist, Deutschland

▪ Prof. Raúl Prada Alcoreza - Universität San Andres, Bolivien

▪ Roland Denis - ehemaliger Minister für Planung, Venezuela

▪ Villo Sigurdsson - Ehemaliger Bürgermeister von Kopenhagen für die Sozialistische Volkspartei, Dänemark

▪ Pernille Frahm - Ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments für die Sozialistische Volkspartei, Dänemark

▪ Benny Gustavsson - Vorsitzender des Unterstützungskomitees für Kurdistan, Schweden

▪ Erling Folkvord - Ehemaliges Mitglied des Parlaments, Schriftsteller, Norwegen

▪ Håkan Svenneling – Abgeordneter, Schweden

▪ Dr. Jonas Staal -  Künstler und Propagandaforscher, New World Summit, Niederlande

▪ Dr. Rolf Gössner – Publizist und Rechtsanwalt, Deutschland

▪ Ludo de Brabander – Sprecher für die belgische Friedensorganisation Vrede

Hinweis: In einer früheren Version war als Initiatorin der Kampagne fälschlicherweise die Internationale Initiative »Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan« angegeben worden. Diese Angabe war falsch, wir möchten uns für den Fehler entschuldigen.