Die Initiative „PKK-Verbot Aufheben!“ kritisiert im Vorfeld der bundesweiten Aktionswoche und Großdemonstration für die Entkriminalisierung der Arbeiterpartei Kurdistans massive Einschränkungen der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit durch die deutschen Sicherheitsbehörden. Unter anderem geht es um Blockaden von Webseiten und Konten in digitalen Netzwerken, Zensur und unverhältnismäßige Kontrollen beim Plakatieren, die von der Initiative beanstandet werden. Einschüchtern lassen wolle sich die Aktionsgruppe aber nicht, wie sie in einer Stellungnahme unterstreicht:
„Die kurdische Gesellschaft ist weltweit die größte Ethnie, der das Recht auf politische Selbstbestimmung verwehrt wird. Historisch gesehen stellte dies das größte Problem für sie dar. Die Jahrhunderte waren geprägt von Unterdrückung und der Leugnung der kurdischen Existenz. Die Sprache, Kultur und traditionellen Feste waren jahrzehntelang verboten und das Wort „Kurde“ wurde zu einer gängigen Beleidigung im Sinne von „Zurückgeblieben“ stigmatisiert. Über die Jahrhunderte gab es unzählige Serhildan (Volksaufstände), aber fast genauso viele Massaker haben stattgefunden.
Auch wenn wir die heutige Realität in Kurdistan genauer unter die Lupe nehmen, dann sehen wir zwischen 60.000 und 80.000 politische Gefangene allein in der Türkei. Wir sehen Folter, Vertreibung und extralegale Hinrichtungen. Gezielt werden Vorreiter:innen der Gesellschaft ausgelöscht, sei es durch Drohnenschläge auf die Städte Rojavas (Westkurdistan/Nordsyrien), durch Mörserangriffe auf die Dörfer Rojhilats (Ostkurdistan/Westiran) oder durch Luftschläge in Başûr (Südkurdistan/Nordirak). Es wird unmöglich gemacht, auf legaler Ebene für einen gesellschaftlichen Wandel zu sorgen, wofür das aktuelle Verbotsverfahren gegen die HDP (Demokratische Partei der Völker) ein gutes Beispiel ist.
Gute Kurden, schlechte Kurden
Doch wollen wir heute nicht über die Situation in Kurdistan selbst, sondern insbesondere über die Repression und Kriminalisierung hier in Deutschland reden. Der deutsche Staat, welcher sich seit jeher an die Seite des NATO-Partners Türkei stellt, fährt seit Jahrzehnten eine Politik des ‚guten und des bösen Kurden‘. Die Kurd:innen, die nach Deutschland kommen, sich von ihrer kurdischen Identität lösen und der Politik entsagen, werden immens gefördert und bevorteilt. Die Kurd:innen jedoch, die auf ihrer Identität beharren und sich weiterhin politisch engagieren, erhalten keinen Aufenthaltsstatus, werden kriminalisiert und abgeschoben.
Insbesondere das Jahr 1993 stellte diesbezüglich einen herben Schlag dar. Die kurdische Freiheitsbewegung (PKK) wurde in Deutschland als terroristische Vereinigung eingestuft. Die knapp eine Million Kurdinnen und Kurden, die in Deutschland lebten und bis heute leben, waren zur Bedrohung für den deutschen Staat geworden. Denn auf einmal waren die Konflikte des Nahen Ostens, die auch maßgeblich durch den deutschen Staat selbst befeuert werden, vor der eigenen Haustür angekommen und wollten nicht mehr schweigen. Hunderttausende Menschen gingen auf die Straße und stellten die Beziehungen des deutschen Staates mit dem türkischen Staat und die Unterstützung dessen in Frage. Die Antwort des deutschen Staates gegen die Proteste war die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung. Für Kurd:innen wurde in den folgenden Jahren in den Medien immer automatisch von ‚den Terroristen‘ gesprochen.
Die Folgen dieses Verbots sind bis heute deutlich spürbar. Die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung und die Aufrechterhaltung des PKK-Verbotes haben bisher achtzehn Menschen das Leben gekostet, unter ihnen auch Halim Dener, der 1994 in Hannover beim nächtlichen Plakatieren von einem deutschen Polizisten erschossen wurde. Dutzende 129-a/b-Verfahren wurden in den letzten Jahren eingeleitet. Aktuell befinden sich zwölf kurdische Politiker und Aktivisten aufgrund dessen in deutschen Gefängnissen. Auch Vereinsdurchsuchungen, das Verbot von Buchverlagen und Ein- und Ausreisesperren für Aktivist:innen der kurdischen Bewegung sind zum Alltag Vieler in Deutschland geworden.
Verwehrung des öffentlichen Raums
Aufgrund der dargestellten Realität haben wir uns als ‚Initiative PKK-Verbot aufheben!‘ dazu entschieden, am 27. November, nach nunmehr 28 Jahren des PKK-Verbots, in Berlin eine bundesweite Demonstration zu organisieren. Während die Vorbereitungen nun auf Hochtouren laufen, hat sich erneut der deutsche Staat eingeschaltet. Mit fadenscheinigen Begründungen wurden unsere Internetseite (verbot-aufheben.com) blockiert und Teile unserer Social-Media-Accounts gesperrt. Tweets und Beiträge von weiteren solidarischen Gruppen bezüglich der Demonstration wurden zensiert. Auch beim Plakatieren für die Demonstration kommt es zu unverhältnismäßigen Kontrollen der deutschen Behörden. Diese Maßnahmen stellen aus der rechtlichen Perspektive betrachtet, mehr als nur unverhältnismäßige Eingriffe in unsere Grundrechte der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit dar. Für die Ausübung dieser Grundrechte ist es notwendig, im öffentlichen Raum die Forderung der Aufhebung des Verbots lautstark aussprechen zu können. Und auch die Mobilisierungstätigkeit im Vorfeld der Demonstration ist grundrechtlich geschützt. Zum öffentlichen Raum gehört ebenso die Nutzung des Internets, zu der jede Bürgerin und jeder Bürger gleichermaßen Zugang erhalten sollte und dieser Zugang sogar staatlich gewährleistet werden sollte, damit Privatunternehmen eben nicht ihr Monopol ausnutzen und willkürlich handeln. Doch wie sollen wir von unseren Grundrechten Gebrauch machen, wenn uns der öffentliche Raum verwehrt wird? Wieder einmal zeigen die deutschen Behörden, dass eben nicht alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Sobald man unangenehme Themenbereiche anspricht, die unter anderem auch die Mitschuld der deutschen Bundesregierung in diesem Konflikt aufdecken, wird dafür Sorge getragen, dass eben jene Menschen ihre Grundrechte nicht ausüben können. Der deutsche Staat verdeutlicht mit dieser Aktion einmal mehr, dass er alles dafür tun würde, Öffentlichkeit für dieses Thema zu verhindern.
„Wir lassen uns nicht verbieten“
Im Gegensatz zum Internetdienstanbieter ‚Strato‘ lassen wir uns jedoch nicht einschüchtern. Weder die Massaker der letzten Jahrhunderte noch die Kriminalisierung, insbesondere der letzten 40 Jahre, konnten uns schwächen! Sie haben dazu beigetragen unsere Entschlossenheit zu stärken und haben uns zu einer intensiveren Suche nach Freiheit gebracht. Nach dem Leitspruch ‚Sie können alle Blumen abschneiden, aber den Frühling werden sie nicht aufhalten können!‘, werden wir uns noch stärker organisieren und für diese Demonstration mobilisieren.
Wir lassen uns nicht verbieten und werden am 27. November gemeinsam gegen das PKK-Verbot in Berlin auf die Straßen gehen. Wir rufen erneut alle demokratisch denkenden und nach Frieden strebenden Menschen dazu auf, sich uns anzuschließen. Hoch die internationale Solidarität! Berxwedan jiyan e! PKK-Verbot aufheben!“
Foto: Josef A. Preiselbauer