In Erinnerung an den Internationalisten Kevin Jochim
Vor fünf Jahren ist der Internationalist Kevin Jochim in Nordsyrien im Kampf gegen den IS ums Leben gekommen. Die Internationalistische Kommune Rojava erinnert an ihn.
Vor fünf Jahren ist der Internationalist Kevin Jochim in Nordsyrien im Kampf gegen den IS ums Leben gekommen. Die Internationalistische Kommune Rojava erinnert an ihn.
„Alle können Teil der Revolution in Rojava werden. Natürlich wenn du ein Mensch bist, der sich für Demokratie, Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit einsetzt. Diese Werte sind die Grundlage der Revolution in Rojava, Werte der Menschlichkeit, die in 5000 Jahren Geschichte verloren gegangen sind. Denn wenn wir uns das System der kapitalistischen Moderne ansehen, dann ist das Wesentliche des Menschseins verloren gegangen. Die Revolution in Rojava ist eine Renaissance der menschlichen Werte. Es geht um eine Renaissance der Werte Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit. Wir schaffen diese Werte neu und geben sie der Menschheit zurück. Das ist vorbildlich für die ganze Welt.“ Diese Worte stammen aus einem Interview mit Kevin Jochim (Dilsoz Bahar), das im Frühling 2015 in Rojava geführt wurde. Der aus Süddeutschland stammende Internationalist ist am 6. Juli 2015 im Kampf gegen den IS in Nordsyrien ums Leben gekommen. Ronahî von der Internationalistischen Kommune Rojava erinnert an ihn:
Fünf Jahre sind vergangen, seit wir den deutschen Revolutionär Kevin Jochim, der in Kurdistan den Namen Dilsoz Bahar angenommen hatte, verloren haben. Fünf Jahre, in denen die Revolution weitergetragen, vertieft und verbreitet wurde. Fünf Jahre, in denen große Schlachten gefochten wurden und Tausende wertvolle Menschen sich für die Verteidigung der Menschheit in Kurdistan geopfert haben. Ich stelle mir vor, wie diese Entwicklungen unseren Freund Dilsoz Bahar mit Aufregung erfüllt hätten. Wie begeistert er mir von den Entwicklungen der Revolution erzählt hätte. Dilsoz Bahar ist mit jedem Schritt, den die Revolution ging, selbst gewachsen. Er hat sich so sehr mit der Revolution in Kurdistan vereinigt, wie man Teil einer großen Pflanze oder eines Baumes wird. Und mit einer solchen natürlichen Hingabe, Mühe und Sorgfalt beobachtete er die Entwicklungen in ganz Kurdistan, berichtete von ihnen und widmete sich auch seinen eigenen Aufgaben in dieser Revolution.
Dilsoz Bahar hatte in diesem Sinne ein weitreichendes und komplexes Verständnis von den revolutionären Prozessen im Mittleren Osten und er hatte eine Persönlichkeit entwickelt, die ihn zu einem stolzen und ernsthaften Akteur darin werden ließ. Eine Persönlichkeit, die aus Erkenntnissen tatsächliche Handlungsweisen entwickelte. Wenn jemand aus Europa ihn gefragt hätte, warum er sich einer kämpfenden Freiheitsbewegung im Mittleren Osten angeschlossen hätte, so hätte er seine eigenen Entscheidungen vor dem Hintergrund des andauernden „Dritten Weltkrieges“ erklärt: In Europa weitgehend ausgeblendet und verdrängt, befinden wir uns momentan in einem Dritten Weltkrieg, der sich vom Ausmaß her nicht von den vorherigen Weltkriegen unterscheidet. Das Zentrum des Dritten Weltkrieges befindet sich im Mittleren Osten und fokussiert sich weitestgehend auf Kurdistan. Die in diesem globalen Verteilungskrieg beteiligten Akteure versuchen gemäß ihrer jeweiligen Ideologien und Weltanschauungen große Gebiete in der Region unter Kontrolle zu bringen. Er erklärte: „Ich bin ein politischer Jugendlicher und ich verschließe meine Augen nicht vor den Entwicklungen auf der Welt. Sobald ich mir der Bedeutung und Rolle der kurdischen Freiheitsbewegung bewusst geworden bin, habe ich mich entschlossen, ein Teil von diesem Kampf zu werden.“
Und in diesem Bewusstsein hat Dilsoz Bahar gelebt und gekämpft. Jede Sekunde seines Lebens bemühte er sich, ein Teil der Bewegung für die menschlichen Werte, für „Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Gleichheit“ zu werden. Wenn du nur wenige Minuten mit ihm verbrachtest, so erfüllte dich seine Energie und sein Tatendrang. Wenn du ein kurzes Gespräch mit ihm teiltest, so machte er dich zu einem Teil seiner Hoffnung und faszinierte dich mit seiner überzeugten Haltung. Indem andere von ihm berichteten, steigerte sich bei dir die Vorstellungskraft von dem, was ein Mensch schaffen und erreichen kann: Er hat jede Aufgabe, die ihm gegeben wurde, mit einer großen Klarheit umgesetzt; er überwand Hindernisse sehr schnell und war sehr dynamisch. Seine Bemühungen wurden auch in der Verantwortung deutlich, die ihm in seinem jungen Alter gegeben wurden. Nachdem er bereits in den freien Bergen die Verantwortung für eine Einheit bekommen hatte, leitete er die Funkstruktur eines ganzen Guerilla-Gebietes. In Rojava nahm er an vielen Kämpfen gegen den Islamischen Staat teil, und ihm wurde die Verantwortung für eine ganze Einheit internationaler Freiwilliger übergeben.
In mir selbst hat der Freund Dilsoz Bahar den Glauben an die kollektive Kraft der Bewegung gestärkt. Wenn ein Mensch sich in kürzester Zeit so sehr entwickeln kann und seine Kraft und sein Potential entfaltet, so bedeutet das Freiheit. Es ist die Freiheit, die so wertvoll ist und mit so großen Opfern geschaffen wurde, ein Wert, der größer ist als jedes Wort. Es ist ein Gefühl, von dem du erfüllt bist und das so zart und so stark ist, wie eine große Pflanze oder ein Baum, von dem du ein Teil bist und den du mit der Art, wie du jeden Atemzug deines Lebens lebst, stärkst und wachsen lässt. Der Wert, den du geschaffen hast, lebt über deinen Tod hinaus.
Wir gedenken unseres wertvollen Freundes Dilsoz Bahar und haben größten Respekt vor der Mühe, die er in dieser Revolution erbracht hat. Seine Art, das Leben zu beschreiten und zu erfüllen, ist für uns alle ein Vorbild und begleitet uns auf unserem Weg, ein Teil dieser Revolution zu werden – und uns dabei ständig neu zu überwinden und neu zu erschaffen, damit wir die Werte, die wir der Finsternis und Leere unserer Zeit entgegenstellen wollen, in uns selbst lebendig machen.