Wandbild im Gedenken an Kevin Jochim

Die Antifaschistische Linke International (A.L.I.) hat im Gedenken an Kevin Jochim (Dilsoz Bahar) ein Wandbild im Juzi in Göttingen gemalt.

Die Antifaschistische Linke International (A.L.I) hat in Göttingen mit einem Wandbild an den 2015 in Rojava gefallenen YPG-Kämpfer Kevin Jochim (Dilsoz Bahar) erinnert.

In einer Erklärung zum Jahrestag des Todes von Kevin Jochim schreibt die A.L.I.:

„Kevin Jochim schloss sich 2012 der Guerilla der PKK, nahm den Namen Dilsoz Bahar an und setzte sein Leben ein für die Revolution in Nordsyrien. In den Einheiten der Volksverteidigungskräfte der YPG kämpfte er gegen die Banden des sogenannten IS, angetrieben von seinem ‚Wunsch nach Freiheit‘. Am 6. Juni 2015 ließ er in der Nähe von Silûk in Rojava/Nordsyrien in diesem Kampf sein Leben in der Nähe von Silûk.

Seinen Weg und seine Entscheidung beschrieb er mit den Worten: „Vom Erzieher-Azubi zum Guerillakämpfer auf den Bergen und YPG-Mitglied in Nordsyrien. Das ist mein Lebenslauf. Sicher, kein normaler Lebenslauf für einen 18-jährigen Deutscher aus einer süddeutschen Stadt, der im Vergleich zu vielen Menschen aus der dritten Welt die Chance hatte, ein normales, einfaches und ruhiges Leben zu führen, wie das ja so viele Deutsche anstreben. Doch ich habe mich für diesen Weg entschlossen. [...] Drei Jahre lang habe ich mit den Kurden an derselben Front gekämpft. Nicht nur mit Kurden. Ich kämpfte mit Arabern, Türken, Persern, Türkmenen, Deutschen, Franzosen, Spaniern, Portugiesen, Holländern, Engländern, Rumänen, Esten, Australiern, Italienern, Kanadiern und Amerikanern. Und neben mir sind viele wertvolle und wunderbare Menschen gefallen. Auch ich bin dieses Risiko mit vollem Bewusstsein eingegangen."

Diesen Weg und seine Entscheidung sehen wir als Vorbild, den Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung für eine gerechte Gesellschaft und ein Leben in Freiheit mit aller Entschlossenheit zu führen. Der Kampf in Nordsyrien ist nicht nur ein Kampf der Kurd*innen, er ist gleichsam ein Kampf der Ezid*innen, Araber*innen, Alevit*innen, Muslime, Christen, aller Völker in Nordsyrien und letztendlich ein Kampf für die gesamte Menschheit. Als Internationalist*innen sehen wir uns als Teil dieses Kampfes für die Freiheit. Dilsoz hat sich entschlossen, für diesen Kampf das Wertvollste einzusetzen.

Dilsoz hat eine kurze Zeit in Göttingen gelebt, bevor er nach Kurdistan gegangen ist, um sich der kurdischen Freiheitsbewegung anzuschließen. Wie die Genossinnen Andrea Wolf und Uta Schneiderbanger hat er durch seine Organisierung in zwei Bewegungen eine Brücke der Verbundenheit zwischen den Revolutionär*innen Deutschlands und Kurdistans geschlagen. Gerade in der aktuellen Situation, in der nicht nur die Repression und die Angriffe des türkischen Kolonialismus, sondern auch die des imperialistischen deutschen Staates gegen alle linken Kräfte zunehmen, ist es wichtig, sich auf diese Verbundenheit zu besinnen.

Anders als es bei Rosa Luxemburg, Gustav Kuhn oder Gudrun Ensslin der Fall ist, haben einige von uns Kevin gekannt. Freund*innen von ihm sind auch unsere Freund*innen.

Für Genoss*innen aus vielen anderen Bewegungen rund um den Globus mag das seltsam wirken. In Kurdistan, der Türkei, Lateinamerika oder den Philippinen macht diese Unterscheidung, diese Vorsicht wenig Sinn. Für Bewegungen, in denen der Tod von Genoss*innen zur alltäglichen Politik gehört, liegt der Zusammenhang zwischen Rosa Luxemburg und Arin Mirkan, zwischen Mazlum Dogan und Kevin Jochim auf der Hand.

Für einige von uns ist es eine neue Erfahrung, dass Genoss*innen im Kampf um Befreiung ihr Leben lassen. Die Morde an Conny Wessmann 1989 und Wolfgang Grams 1993 durch die Polizei kennen einige nur aus Erzählungen, für andere waren sie wesentliche Momente in ihrer Politisierung.

Die letzten Jahrzehnte waren für die Linke in Deutschland ein Sonderfall. Wenn wir die Geschichte der deutschen Linken insgesamt betrachten, erscheinen uns Genossinnen und Genossen, die für die Befreiung, für unsere Befreiung, ihr Leben gaben, nicht als Ausnahme. Die internationalistischen Kämpfer*innen von heute stehen in dieser Tradition. Sie halten den Geist des Internationalismus, der sich so eindrucksvoll im Kampf gegen den Faschismus in Spanien zeigte, am Leben.

Für uns stellen sich daher praktische Fragen: Wie gestalten und organisieren wir das Gedenken? Dabei können uns die kurdische Freiheitsbewegung und viele andere Bewegungen inspirieren. Sie können vor allem auch der Ausgangspunkt sein, über den wir zurück zu unserer eigenen, teilweise verschütteten Gedenktradition finden. Und immer gilt natürlich zu prüfen: –Entspricht die Art und Weise unseres Gedenkens den politischen und gesellschaftlichen Ansprüchen an eine Linke hier und heute? Können wir damit in die Gesellschaft wirken? Finden sich die in der deutschen Gesellschaft sozialisierten Menschen in ihr wieder? Was ist ein linker, fortschrittlicher und freiheitlicher Umgang mit dem Tod? Welche Alternative zur Verdrängungshaltung des bürgerlichen Individualismus können wir anbieten? Welche Begriffe nutzen wir um die Bedeutung zu erfassen, die das kurdische Şehîd trägt?

Für uns steht fest, dass an den Genossen Kevin Jochim - Dilsoz Bahar erinnert werden muss. Deshalb haben wir ihm am 6. Juni 2018 gedacht und ein Wandbild am Juzi gemalt, das an ihn, seine Entschlossenheit und seinen Mut erinnert.“