Die Volksverteidigungskräfte (Hêzên Parastina Gel, HPG) haben den „Sicherheitswachen“ im Großraum der nordkurdischen Provinz Şirnex (tr. Şırnak) Vergeltung angedroht. Grund ist die Gefangennahme eines unbewaffneten Guerillakämpfers durch die sogenannten Dorfschützer und seine Übergabe an die türkische Armee. „Es handelt sich um Niederträchtige, die zur Rechenschaft gezogen werden. Sie sollten wissen, dass der Verrat, einen Kämpfer der Freiheitsguerilla an den türkischen Staat auszuliefern, auf das Schärfste geahndet wird“, heißt es in einer am Donnerstag in Behdînan veröffentlichten Stellungnahme.
Wegen Notsituation im Tal unterwegs
Bei dem gefangengenommenen Kämpfer handelt es sich um Selim Adıyaman (Codename Harun Elbak), dessen Name auf der „grauen Liste“ des türkischen Innenministeriums der meistgesuchten „Terroristen“ steht. Auf Adıyaman stand ein Kopfgeld in Höhe von 500.000 Lira, umgerechnet etwa 24.000 Euro. Laut Behördenangaben wurde er vergangenen Montag in einem ländlichen Gebiet nahe der Kreisstadt Hezex (Idil) festgesetzt. „Bedingt durch eine Notsituation hatte sich unser Freund Harun von den Bergen ins Tal begeben. Er war unbewaffnet. Die Verräter haben ihn erst schwer beleidigt, bevor sie ihn auslieferten. Unser patriotisches Volk muss sich gegen sie zur Wehr setzen und sie verurteilen“, so die HPG.
Was sind Dorfschützer?
Dorfschützer sind paramilitärische Einheiten, die in Kurdistan gegen die Guerilla und unliebsame Oppositionelle eingesetzt werden. Sie bestehen zu einem beträchtlichen Teil aus Stammesführern, Großgrundbesitzern, Familien und Einzelpersonen, die oft seit Jahrzehnten mit dem Staat zusammenarbeiten und versuchen, in Kurdistan für die Interessen des Staates einzutreten. Ein Teil tritt diesem System freiwillig bei, andere werden mit Mord, Verhaftung und Vertreibung bedroht und müssen unter Druck Dorfschützer werden. Als historisches Vorbild gelten die Hamidiye-Regimenter: eine zur „Aufstandsbekämpfung in Ostanatolien“ Ende des 19. Jahrhunderts durch einen osmanischen Sultan gegründete Kavallerietruppe mit teils kurdischen Mitgliedern, die sich am Genozid an der armenischen Nation beteiligte.
Angriffe auf Südkurdistan eskalieren
Die HPG weisen darüber hinaus darauf hin, dass die Angriffe der türkischen Armee gegen Guerillastrukturen in Südkurdistan eine neue Stufe der Eskalation erreicht haben. Trotz oder gerade wegen der von kurdischer Seite ausgerufenen Waffenruhe und dem Verzicht auf Offensivangriffe gegen Militärangehörige steigere die Türkei mit jedem Tag ihre Angriffe auf die Medya-Verteidigungsgebiete. „Diese Bombardierungen finden vom Boden und aus der Luft statt und dauern faktisch ununterbrochen an“, betonen die HPG. Zum Einsatz kommen den Angaben zufolge neben Panzern und Haubitzen auch Kampfflugzeuge.
Wie den Daten aus einer Übersicht der letzten Tage zu entnehmen ist, wurden die Widerstandsgebiete in Metîna am 27. März mit schweren Waffen von Besatzungstruppen bombardiert. Die Guerilla hat diese Angriffe auf Grundlage der legitimen Selbstverteidigung mit einem Defensivschlag beantwortet. Der Ort Golka wurde am selben Tag zweimal von der türkischen Luftwaffe ins Visier genommen.
Im Zap befinden sich nach wie vor die Gebiete Çemço und Sîda im Fokus des Krieges gegen die Guerilla. Die HPG verzeichneten bei den dortigen Guerillastellungen am gestrigen Mittwoch nicht nur 19 Einschläge von Panzer- und Artilleriegranaten, sondern auch zwei Angriffe gegen eine Tunnelanlage in einem Gebirgsmassiv. Verübt wurden diese Attacken demnach mit unkonventionellen Sprengvorrichtungen.