Siyabend Dalaho ist einer der Kommandanten der „Revolutionären Offensive Bazên Zagrosê“ (Zagros-Falken). Mit dieser Offensive geht die Guerilla im Zagros-Gebirge aktiv gegen die türkische Invasion vor und lässt sich nicht in die Defensive drängen. Dalaho bewertete am elften Tag der Operation in Südkurdistan die aktuelle Lage und erklärte, die Guerilla sei aus der ersten Etappe erfolgreich hervorgegangen. Der HPG-Kommandant ging dabei auch auf die Rolle der mit den Angreifern kollaborierenden PDK ein. Die Guerilla sei in Bezug auf die PDK „mit ihrer Geduld am Ende“, sagte Dalaho und rief Kurd:innen weltweit zu Aktionen auf. An die kurdische Jugend appellierte der Kommandant, „die Waffe in die Hand zu nehmen“ und sich der Guerilla anzuschließen.
„Wir werden Tag und Nacht aus der Luft angegriffen“
Zur aktuellen Lage sagte Dahalo: „Wie bekannt ist, findet seit dem 17. April ein Angriffskrieg der Türkei statt. Die ideologischen und politischen Aspekte dieser Operation wurden von der Parteiführung bewertet und in verschiedenen Formen veröffentlicht. Für uns ist es angemessener, hier die militärische Dimension zu bewerten. Derzeit gibt es zwei Linien des Kampfes. Die Erste ist die Linie eines staatlichen Heeres, das auf modernster NATO-Technologie beruht. Die Zweite ist die Linie der Volksverteidigungskräfte, die sich auf die Kraft von Menschen, die sich mit aktuellen Techniken selbst ausgebildet haben, stützen. Tatsächlich führen diese beiden Stränge seit 40 Jahren einen erbitterten Kampf, der vielleicht auch bezüglich der kriegerischen Dimension der Menschheitsgeschichte wichtige Aspekte hervorgebracht hat. Seit 2015 intensivierte sich dieser Krieg jedoch und breitete sich auf ein größeres Gebiet aus. Was unser Gebiet und die Zap-Region betrifft, befindet sich dieser multidimensionale Krieg praktisch permanent auf der Tagesordnung.“
Dalaho kam auch auf den Großangriff der türkischen Armee im Jahr 2021 zu sprechen: „Die Operation, welche der Feind 2021 umzusetzen versuchte, betraf ebenfalls zumindest teilweise unser Gebiet. Als Bewegung und als Gebietseinheit konnten wir vorhersehen, dass das Jahr 2022 nochmals ganz anders werden und der Feind unsere Region noch viel stärker angreifen würde. Diesbezüglich hab es verschiedene Bewertungen, Versammlungen und Vorbereitungen. Wir haben das, was gerade passiert, so in etwa kommen sehen.
Wir konnten den aktuellen operativen Rahmen mehr oder weniger antizipieren, unterstützt durch eine Vielzahl an Daten, welche in diese Richtung wiesen. Der Öffentlichkeit ist bekannt, dass der Angriff am 17. April begann, aber eigentlich startete er bereits am 14. April. Über 50 Kampfjets bombardierten drei Tage lang ununterbrochen die Regionen Avaşîn und Zap. Gleichzeitig fanden Drohnenangriffe statt und unsere Gebiete wurden mit Haubitzen beschossen. Deshalb wäre es richtiger, dieses Datum als Beginn des Angriffs zu nehmen. Der Feind versuchte anfangs, die Operation geheim zu halten, indem er sich nicht dazu erklärte.
Wir befanden uns bereits in den Kampfstellungen, denn die Bewegungen des Feindes hatten uns gezeigt, dass sofort nach den Luftangriffen mithilfe von Luftlandeoperationen Bodentruppen eingesetzt werden sollten. Es gibt eine Bilanz, die zu diesen drei Tagen veröffentlicht wurde. Wir können aber sagen, dass die Zahlen weit höher sind als angeben. Insbesondere die Anzahl an Kampfflugzeugen war weitaus höher. All unsere Gebiete wurden bombardiert. Wir hatten aber dennoch in dieser Zeit keinen einzigen Verlust.“
„Sie wurden jedes Mal zurückgeschlagen“
Am Abend des 17. April landeten in allen Gebieten feindliche Truppen, begleitet von Kampfflugzeugen und Kampfhubschraubern, und die Invasion wurde gestartet. Wie gesagt, unsere Kräfte befanden sich aber bereits in Stellung. Aufgrund unserer Vorbereitung und den vergangenen Erfahrungen war es nicht schwer, den Angriff gleich zu Beginn der Invasion zu erwidern. Vom ersten Moment an begannen Gefechte auf allen Gipfeln und in allen Gebieten, die wir hielten. Nicht ein Sikorsky-Transporthubschrauber konnte im Gelände oder auf einem Gipfel Truppen absetzen. Unter Feuerschutz der Kobra-Kampfhubschrauber wurde Dutzende Male versucht, Truppen landen zu lassen, aber jedes Mal wurden sie von unseren Freund:innen zurückgeschlagen.
Sie ließen Kampfflugzeuge aufsteigen, um die Freund:innen daran zu hindern, ihre modernen Taktiken umzusetzen. Auf diese Weise sollten sie eingeschüchtert werden. Aber das funktionierte nicht. In den ersten Tagen war keine einzige Landeoperation erfolgreich. So wie ich das sehe, hat der Feind daher sein Vorgehen angepasst. Die Truppen rückten jetzt über Şîladizê und vom Kuro Jahro aus gegen unser Gebiet vor. Türkische Soldaten drangen zu Fuß aus dem Gebiet, das derzeit von der PDK kontrolliert wird, in das Gebiet des Berges Kuro Jahro vor. Auch hier empfingen unsere mobilen Einheiten die Truppen und trafen sie bereits effektiv in der ersten Etappe. Sie konnten zurückgeschlagen werden. Aktuell befindet sich der Feind immer noch dort, wo er vor elf Tagen war. Dort versucht er nun, Stellungen zu bauen und sich unseren Kriegstunneln zu nähern. Zudem versucht er, in die Bereiche, aus denen er zurückgeschlagen wurde, erneut vorzudringen. Dazu setzt er massiv auf seine Technologie. So versucht er, sich Bewegungsfreiheit zu schaffen, indem er die Stellungen der Freund:innen bombardiert. Obwohl ihm das stellenweise gelungen ist, stößt der Feind in all unseren Gebieten auf Widerstand und wird von den Angriffen unserer Freund:innen getroffen. Wir haben gehört, dass der Feind über die Medien verbreitet, man habe die erste Phase erfolgreich abgeschlossen. Das Gegenteil davon ist der Fall.
„Kein einziger unserer Tunnel konnte erobert werden“
Es ist offensichtlich, dass der erste Teil des feindlichen Plans gescheitert ist. Unser Plan A für unsere Region hat funktioniert. Die Operation des Feindes wurde genauso empfangen, wie wir es wollten, die Positionen wurden gehalten und es ist garantiert, dass der Kampf hier weitergeht. In diesem Sinne müssen die Erklärungen des Feinds genau ins Gegenteil verkehrt gelesen werden. Im Moment finden fast permanent Kämpfe am Kuro Jahro und an der Ertuş-Front statt. Die meisten der Gefechte gehen auf die Initiative unserer Freund:innen zurück. Manche Gipfeln und Stellungen hat sich der Feind genähert, aber er hat keinen einzigen unserer Tunnel eingenommen. Im Gegenteil, er versucht die Leichen seiner Soldaten aus den Gebieten in der Nähe unserer Tunnel zu holen. In diesem Sinne wurde erneut die Richtigkeit der doppelten Taktik unserer Partei und des Volksverteidigungszentrums bewiesen. Bei dieser Taktik geht es um die Kombination aus Tunnel- und Gelände-Krieg. Die aktuelle Praxis ist erfolgreich und eine fortgesetzte Errungenschaft aus den Erfahrungen des vergangenen Jahres.
Dieser Krieg ist kein einfacher Krieg. Auch das müssen unser Volk und unsere Freund:innen wissen. Es handelt sich um einen erbitterten Kampf. Der Feind hält an seiner Invasion fest und es ist offensichtlich, dass es schwer sein wird. Es ist deutlich, dass er seine ganze Kraft mobilisiert hat. Demgegenüber steht der Ansatz, im freiheitlichen Geist des Apoismus zu kämpfen. Es findet ein großer Krieg statt. Das ist die Situation im Feld.
Wenn wir diesen Krieg anhand der vergangenen elf Tage beschreiben, dann handelt es sich um einen Krieg höchster Intensität. Das wird auch durch die hohe Opferbereitschaft der Guerilla, ihre militärischen Leistungen und ihre Freiheitsliebe definiert. In diesem Sinne kämpften unsere Genoss:innen in manchen Gebieten aufs heftigste gegen die Technik des Feindes, um zu verhindern, dass auch nur ein paar Soldaten abgesetzt werden. Manchmal kämpften Freund:innen bis zum Letzten und konnten so ihre Tunnel halten. Zum Beispiel haben die Freund:innen im Gebiet Çiyayê Reş eine feindliche Stellung überrannt und sieben Soldaten getötet. Die Genossinnen am Kuro Jahro haben den Feind, der ins Gebiet vordringen wollte, angegriffen und Dutzende Male zurückgeschlagen. Natürlich bringt so ein schwerer Krieg Opfer mit sich. Es sind Freund:innen gefallen, aber am Ende werden wir siegreich sein. Die Richtigkeit unserer aktuellen Strategie und auch unserer Taktiken hat sich bewiesen und deutet auf einen Erfolg in der Zukunft hin.
„Unsere Geduld mit der PDK ist am Ende“
Auf der anderen Seite ist auch die PDK Teil dieses Krieges. Als konkreten Ausdruck dessen sahen wir von unseren Gipfeln aus, dass türkische Soldaten zu Fuß oder mit Fahrzeugen in unser Gelände vorrückten. Dabei waren sie zwischen den Häusern der Bevölkerung unterwegs. Das zeigt, wie sich die PDK an diesem Krieg beteiligt. Unsere Position in dieser Angelegenheit ist klar. Als Kämpfer der Partei sind wir an unsere Bewegung und ihre Politik gebunden. Unsere Partei bemüht sich um nationale Einheit. Die Tagespolitik findet auf dieser Grundlage statt. Als Kader bringen wir alle Arten von Opfern, aber es sollte klar sein, dass unsere Geduld als kurdische Guerilla am Ende ist. Deswegen ist es meine Empfehlung, dass die PDK sich nicht noch mehr gegen uns stellen sollte. Sie hat jetzt live gesehen, wie wir am Kuro Jahro Krieg führen. Es ist allen bekannt, welche Erfolge und Errungenschaften wir geschaffen haben. Wenn sie Haltung hat, dann soll sie sich nicht hinter dem türkischen Staat und seinen faschistischen Elementen verstecken, sondern selbst an die Front kommen. Wenn es nicht so ist, dann soll sie das bekannt geben. Wir werden unsere Haltung dementsprechend festlegen.
Appell an Volk und Jugend
Wir bekommen unsere größte Kraft im aktuellen Krieg von unserem Volk. Wir beobachten das genau. Unser Volk bringt immer neue Opfer für die Freiheit. Dieses Volk ist es wert, alles für es einzusetzen. Wir erwarten von unserem Volk, dass es sich stärker in diesen Kampf einbringt und deutlich macht, dass es an der Seite seiner Söhne und Töchter in den Bergen steht.
Die kurdische Jugend sollte die Waffen ergreifen und ihren Platz in den Reihen der Guerilla einnehmen. Es ist die moralische Pflicht eines jeden kurdischen Jugendlichen, an diesem Freiheitskrieg teilzunehmen. Es ist ohnehin die kurdische Jugend, die diesen Krieg führt. Ich verneige mich vor all den Gefallenen unserer Revolution. Wir werden unser Versprechen an sie bis zum Ende halten."