Hawar Suruç hat sich als Kommandant der Volksverteidigungskräfte (HPG) im Qendîl-Gebirge gegenüber ANF zu den Zielen der Guerilla für das laufende Jahr geäußert. Zu Beginn des Gesprächs erinnerte Suruç an die Gefallenen, die sich im Zuge des internationalen Komplotts vom 15. Februar 1999 wegen der Verschleppung von Abdullah Öcalan in die Türkei selbst verbrannt haben. „Eigentlich müssen wir für jedes der 23 Jahre, die Rêber Apo [Abdullah Öcalan] in Gefangenschaft ist, eine Selbstkritik ablegen. Als Guerilla und PKK-Militante sind wir dafür verantwortlich, seine physische Freiheit durchzusetzen. Das ist es, was von uns gefordert wird. Daher reicht es nicht aus, die am Komplott beteiligten Mächte zu kritisieren. Gegen diese Kräfte muss Widerstand geleistet werden“, so der HPG-Kommandant.
Komplott gegen das kurdische Volk
Aus der Geschichte Kurdistans seien zahlreiche Komplotte gegen Führungspersönlichkeiten bekannt, fährt Hawar Suruç fort: „Auch das Komplott gegen Rêber Apo richtete sich gegen das kurdische Volk. Es war nicht das erste und wird nicht das letzte sein. Dieses Komplott übertrifft jedoch alles aus der Geschichte. Bei früheren Ereignissen ging es vor allem um die Niederschlagung von Aufständen, bei denen äußere Kräfte ihre Versprechen nicht einhielten. Das Komplott gegen Rêber Apo greift tiefer und ist viel umfangreicher. Bereits zuvor hatte der türkische Staat mehrfach mit Intrigen und Anschlägen versucht, Rêber Apo zu eliminieren. Durch Rêber Apos Voraussicht sind diese Versuche gescheitert.“
Suruç weist darauf hin, dass die Hauptakteure bei dem Komplott von 1999 die USA, Israel, Russland und Griechenland gewesen sind: „Man darf jedoch nicht vergessen, dass im Hintergrund auch reaktionäre kurdische Kräfte Unterstützung geleistet haben. Außerdem haben Überläufer wie beispielsweise Şemdin Sakık Rêber Apo als Angriffsziel ausgewiesen, indem sie dem türkischen Staat suggeriert haben, dass unsere Bewegung nur durch seine Liquidierung zerschlagen werden kann.“
Die Türkei war nicht auf Öcalan vorbereitet
Der HPG-Kommandant der Qendîl-Region sagt, dass Abdullah Öcalan zwar in Gefangenschaft ist, das eigentliche Ziel des internationalen Komplotts jedoch nicht erreicht wurde: „Eigentlich war die Türkei gar nicht auf die Ankunft von Rêber Apo vorbereitet, das hat sogar der damalige Ministerpräsident Ecevit zugegeben. Insofern hat sich das Komplott auch gegen die Völker der Türkei gerichtet. Die imperialistischen Mächte haben gewusst, dass Rêber Apo eine rote Linie für das kurdische Volk darstellt. Sie wollten das türkische und das kurdische Volk gegeneinander aufhetzen. Auch diesen Aspekt des Komplotts hat Rêber Apo scheitern lassen. Er hat gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Völkern verhindert.“
Öcalan habe den Weg zu demokratischer Politik freigemacht und Waffenstillstände ausgerufen, so Hawar Suruç: „Damals war die gesamte Guerilla zu Fedai-Aktionen bereit, alle schlugen sich selbst dafür vor. Auf Rêber Apos Forderung sind derartige Aktionen in dieser Zeit gestoppt worden. Wie für das kurdische Volk stellt Rêber Apo auch für die Guerilla eine rote Linie dar. Nur er konnte Aktionen mit noch größerer Wirkung verhindern.“
Eine Frage zwischen Unterdrückern und Unterdrückten
Öcalans Gefangenschaft seit 23 Jahren sei mit keinem Rechtssystem zu vereinbaren, fährt der Guerillakommandant fort: „Wenn es jedoch eine Frage zwischen Unterdrückern und Unterdrückten ist, bleibt kein Raum für Rechte. Daher haben alle ihre Augen verschlossen vor dem, was dem kurdischen Volk in der Person von Rêber Apo angetan wurde. Als ob sie beschlossen hätten, mit seiner Person das kurdische Volk zu zerschlagen. Und das Komplott dauert in dieser Form bis in die heutige Zeit an.“
In diesem Zusammenhang spricht Suruç den Widerstand der Guerilla im vergangenen Jahr an und sagt: „Dieser Widerstand in allen Stellungen der Guerilla und insbesondere in Werxelê, Metîna, Zendûra, Girê Sor und Girê Şehîd Serdar hat im Grunde genommen stattgefunden, um das Komplott ins Leere laufen zu lassen. Wir dürfen nicht vergessen, dass das die Grundlage für die Gefallenen von 2021 war. Wer sich der Geschichte und der Realität des Volkes nicht bewusst ist und keine Verbundenheit mit Rêber Apo verspürt, kann keinen Widerstand leisten. Rêber Apo hat innerhalb der Guerilla einen Geist hervorgerufen, der bis heute ungebrochen ist. Es ist davon ausgegangen worden, dass seine Isolation von der Guerilla und der Bevölkerung den Widerstand brechen würde, aber das war ein Irrtum. Er kann hinter zehn Mauern festgehalten werden und bleibt trotzdem in unserem Kopf und Geist präsent. Das sollten der türkische Staat und die Öffentlichkeit endlich begreifen.“
„Was wir für einen Sieg brauchen“
Zu den zu erwartenden Angriffen des türkischen Staates in diesem Jahr erklärt Hawar Suruç, dass die Guerilla auf alles vorbereitet ist: „Auch wenn sie mit allen Panzern, Raketen. Flugzeugen und sogar Chemiewaffen ankommen, können sie uns nicht von unseren Überzeugungen und Zielen abbringen. Sie können unsere Verbundenheit mit Rêber Apo nicht schwächen. Wenn du geistig, psychisch, militärisch und ideologisch vorbereitet bist, kann keine Macht dich schlagen.“
Der HPG-Kommandant erinnert daran, dass es sich bei den Mächten, die den türkischen Staat mit Rüstungsgütern einschließlich chemischer Kampfstoffe unterstützen, um dieselben Kräfte handelt, die auch an dem internationalen Komplott gegen Öcalan und die kurdische Befreiungsbewegung beteiligt waren: „Daher richtig sich unser Kampf gegen den türkischen Staat auch gegen diese Kräfte und ihr kolonialistisches Machtdenken. Aus diesem Grund haben sich die unterdrückten Völker um Rêber Apo zusammengeschlossen. Auch international bekannte Persönlichkeiten aus der Wissenschaft setzen sich für ihn ein. Das zeigt, wie weit es der Widerstand der Guerilla gebracht hat.“
Abschließend betont der Guerillakommandant Hawar Suruç, dass es in der Realität des 21. Jahrhunderts kein Mitspracherecht für nicht kämpfende Kräfte gibt: „Bei diesem Thema hat die PKK sich bewährt. Als Guerilla werden wir jede Form der Opferbereitschaft zeigen und Widerstand leisten, damit dieses Jahr nicht zum 24. Jahr der Gefangenschaft von Rêber Apo wird. Militärisch und ideologisch sind wir dazu bereit, auch unser Volk ist bereit. Wir sehen diese Hoffnung auch bei den unterdrückten Völker. Wir haben alles, was wir an Ideen und ideologisch für einen Sieg brauchen.“