Bêrîtan Dersim ist Mitglied im Militärrat der Frauenguerilla YJA Star. Im Interview mit dem kurdischen Fernsehsender Stêrk TV äußerte sie sich zu dem seit Monaten in Südkurdistan andauernden Guerillawiderstand, Diskussionen in der türkischen Opposition um einen Ansprechpartner zur Lösung der kurdischen Frage und aktuellen Entwicklungen in Kurdistan, der Türkei und dem Nahen und Mittleren Osten. Sie fordert dringend dazu auf, angesichts dieser Entwicklungen aktiv zu werden.
Im Nahen und Mittleren Osten kommt es zu wichtigen Entwicklungen. Die internationalen Mächte sind hochgradig engagiert. Wie bewerten Sie die aktuelle Dynamik?
Im Mittleren Osten und anderen Orten entsteht eine Gemengelage an dynamischen Entwicklungen. Wie sie sich auf unsere Bewegung auswirken, wird an den Erklärungen der Freiheitsbewegung deutlich. Wir stehen im Zentrum dieser Entwicklungen. Die internationalen Mächte sind in der letzten Zeit äußerst aktiv. Vor und nach dem NATO-Gipfel lag der Fokus auf neuen Allianzen und großen Plänen. Nach den jüngsten Entwicklungen sind sich die alten Bündnispartner in einigen Fragen uneinig, aber sie teilen die Ziele. Es geht um die Neugestaltung des Nahen und Mittleren Ostens. Im Moment befinden sich diese Vorhaben in der Stagnation, um diese zu überwinden werden neue Pläne geschmiedet. Andererseits soll auch die Weltpolitik neugestaltet werden. Die Kräfte der kapitalistischen Moderne wollen die Menschen, die Religionen und deren Überzeugungen im Sinne ihrer Interessen formen. Wie wir aus den Medien erfahren haben, werden neue Deals gemacht. Ein Punkt bei diesen Deals sind wir. Es werden Pläne im Eigeninteresse auf Kosten des kurdischen Volkes gemacht.
„Überall wo die USA einmarschiert sind, gab es noch mehr Blutvergießen“
Die kapitalistische Moderne befindet sich in jedem Bereich in der Krise. Um diese Krise zu überwinden, sollen ein paar Änderungen vorgenommen werden. Aber dabei geht es nicht um Grundsätzliches. Es geht darum, die Menschen zu täuschen. Die Hegemonialstaaten wollen dadurch an Akzeptanz gewinnen und den Eindruck erwecken, als würden sie eine Lösung herbeiführen wollen. Dabei sind die Kräfte der kapitalistischen Moderne die eigentlichen Verantwortlichen für den aktuellen Krieg. Der Krieg im Mittleren Osten wird von den USA, Großbritannien und Frankreich angeführt. Sie gehen arbeitsteilig vor und wollen auch Russland auf ihre Seite ziehen. Sie haben sich in vielen Punkten geeinigt, führen aber regionale Verteilungskämpfe. Deshalb werden diese Kriege eigentlich geführt. Im Moment sind die Türkei, die USA, der Irak, der Iran, Deutschland und alle anderen internationalen Mächte diplomatisch äußerst aktiv, um ihre Interessen und Profite aus dem stattfindenden Krieg zu sichern.
Der Mittlere Osten ist das Zentrum des Krieges. Die Hegemonialmächte haben den Krieg auf die gesamte Region ausgeweitet. Sie werden zunächst die Nationalstaaten im Sinne ihrer Interessen schwächen und sie dann an sich binden. Denken Sie an Afghanistan, den Irak, und Syrien; wo haben denn diese hegemonialen Kräfte auch nur ein Problem gelöst? Es gibt kein solches Beispiel. Sie sind 2003 in den Irak einmarschiert, welches Problem haben sie gelöst? Im Gegenteil, es wurde noch mehr Blut vergossen und die Probleme wurden vertieft. Sie waren 20 Jahre in Afghanistan, welches Problem haben sie gelöst? Die Probleme wurden noch dramatischer. Die Situation in Afghanistan zeigt dies glasklar. Die USA haben bis heute nichts für die Menschen getan. Derzeit befindet sich das Zentrum des Krieges im Nahen und Mittleren Osten in Rojava und Syrien. Die Vereinigten Staaten betreiben dort eine Politik auf der Grundlage ihrer eigenen Interessen. Niemand sollte sich selbst vormachen, dass die USA Demokratie und Freiheit dorthin bringen werden. Sie sind nur aus Eigeninteresse da. Niemand sollte sich auf diese Kräfte stützen.
„Der türkische Staat will das System der demokratischen Moderne vernichten“
Die internationalen Mächte haben ihre Pläne über die im Nahen und Mittleren Osten lebenden Völker, insbesondere über die Kurd:innen, gemacht. Deswegen gab es das internationale Komplott gegen die kurdische Befreiungsbewegung. Dieser Coup sollte dafür sorgen, dass die Pläne des Westens in der Region leichter umgesetzt werden können. Rêber Apo [Abdullah Öcalan] hat bereits 1999 gesagt, dass der Dritte Weltkrieg angefangen hat. Die internationalen Mächte betrachten uns als Hindernis. Sie sehen die Philosophie und Ideologie von Rêber Apo als Gefahr für ihre eigenen Systeme. Deshalb wollen sie unsere Bewegung liquidieren. Die jüngsten Treffen auf Staatsebene zeigen, dass das internationale Komplott weitergeht. Sie benutzen auch Erdoğan und die MHP zu diesem Zweck.
Auf der einen Seite steht die Linie der demokratischen Nation, in der alle Völker vertreten sind, und auf der anderen Seite die Linie der kapitalistischen Moderne, die von hegemonialen Kräften getragen wird. Der türkische Staat hat die Aufgabe erhalten, das System der demokratischen Moderne zu zerstören. Die Hegemonialmächte sagen Erdoğan, sie würden ihn an der Macht halten, wenn er tut, was ihm aufgetragen wird. Weigert er sich, wird er liquidiert. Erdoğan tut bereits alles, um an der Macht zu bleiben. Im Moment gibt es keinen türkischen Staat. Eine mafiöse, kriminelle Regierung beherrscht die Türkei. Es gibt kein Gesetz, kein Recht und keine Justiz.
Im Nahen und Mittleren Osten wird derzeit ein Kampf um die Hegemonie ausgefochten. Dieser Kampf wird nicht durch direkte Kämpfe mit eigenen Kräften ausgetragen, sondern mit paramilitärischen Strukturen. Diese Mächte bringen Söldnergruppierungen zusammen und binden sie an sich, dann benutzen sie diese im Sinne ihrer Interessen.
Die USA behaupten, sie würden die Kurd:innen in Rojava seit Jahren unterstützen. Das kann man durchaus in Frage stellen. Was haben sie denn den Kurd:innen gegeben? Als die USA dort waren, wurden Serêkaniyê und Girê Spî besetzt, als Russland dort war, wurde Efrîn besetzt. Die USA haben der Besatzung zugestimmt. Haben sie jemals den Status der Kurd:innen anerkannt? Warum stellt die Bevölkerung von Rojava dies nicht in Frage? Warum wird der Status von Rojava nicht anerkannt? Sie erkennen Rojava bewusst nicht an, weil dort das System der demokratischen Moderne aufgebaut wurde. Auch die USA, Großbritannien und Frankreich wollen unsere Bewegung aufhalten. Sie versuchen zu verhindern, dass Rojava einen Status erhält. Ihr Ziel ist es, dort einen Krieg zu beginnen. Deshalb müssen wir uns fragen, warum man sich auf diese Kräfte stützt. Man muss aus der Geschichte lernen. Wir müssen aus dem Irak und aus Afghanistan lernen. In diesem Sinne hat sich einmal mehr gezeigt, wie Recht Rêber Apo hat. Wenn man sich organisiert und auf der Grundlage der eigenen Kraft kämpft, kann einen auch die ganze Welt nicht schlagen. Aber wenn man das nicht tut, macht man sich nur etwas vor, egal wie stark man sein mag.
Seit mehr als fünf Monaten leistet die Guerilla [in Südkurdistan] ununterbrochen Widerstand. Sie kämpft gegen NATO-Technik und Chemiewaffen. Wie sieht die aktuelle Situation des Guerillawiderstands aus?
Der Angriff auf unsere Bewegung begann mit einem Angriff auf Rêber Apo. Mit anderen Worten, die Angriffe, die in Imrali begannen, wurden auf alle Gebiete, in denen Kurd:innen leben, ausgedehnt. Es herrscht in jedem Teil Kurdistans Krieg. Es geht dabei darum, die PKK zu schwächen und sie zur Aufgabe zu zwingen. Aber die Angreifer wissen selbst genau, dass sie die Guerilla nicht vernichten können. Rêber Apo leistet in diesem Moment Widerstand auf höchstem Niveau. Auch die Guerilla kämpft auf dieser Widerstandslinie. Wir kämpfen nicht nur gegen den türkischen Staat, wir kämpfen auch gegen die NATO. Die von der Türkei verwendeten Waffen stammen von den NATO-Mächten.
Seit 2015 tobt dieser Krieg ununterbrochen. Aber mit Gare hat er eine neue Dimension erreicht. Das Ziel war es, das Zentrum der Guerilla einzunehmen. Aber dieser Plan ist in Gare gescheitet. Das war nicht nur eine Niederlage für den türkischen Staat, sondern auch für die NATO. Natürlich diskutierten sie die Folgen dieser Niederlage. Die Türkei startete dann einen Angriff auf die Medya-Verteidigungsgebiete. Seit dem 23. April werden die Angriffe auf Metîna, Zagros, Avaşîn und die Bakur-Linie pausenlos fortgesetzt. Der türkische Staat hat seine von ihm ausgebildeten Söldner hierhergebracht und lässt sie für Geld kämpfen. Die türkische Regierung dachte, sie würde innerhalb einer Woche oder zehn Tagen Ergebnisse erzielen. Sie musste aber feststellen, dass dies nicht der Realität entsprach. Ja, vielleicht hat die türkische Armee ein paar Hügel eingenommen, aber sie kann sie nicht halten. Die Besatzer mussten sich von einigen Orten sogar zurückziehen.
„Wenn es um Kurden geht, billigen die internationalen Mächte Chemiewaffenangriffe“
Sind die internationalen Mächte 2003 nicht wegen des Einsatzes chemischer Waffen in den Irak einmarschiert? Haben sie nicht Sanktionen gegen Syrien verhängt, mit dem Argument, Bashar al-Assad habe chemische Waffen eingesetzt? Haben sie den Iran nicht mit der Begründung unter eine Blockade gestellt, weil er Atomwaffen baue? Warum geben sie dann keinen Ton von sich, wenn chemische Waffen gegen Kurd:innen eingesetzt werden? Wenn es um Kurd:innen geht, billigen sie diese Angriffe, sie statten die Türkei mit Waffen aus. Sie sind Partner des türkischen Staates. Warum schweigen internationale Organisationen? Auch sie müssen protestieren. Der Einsatz chemischer Waffen stellt ein großes Verbrechen dar. Ist es legitim, dass Kurd:innen, Guerillakämpfer:innen, durch chemische Waffen getötet werden? In den Bergen Kurdistans werden seit fünf Monaten chemische Waffen eingesetzt. Dennoch erzielen die Angreifer noch immer keine Ergebnisse im Kampf gegen die Guerilla.
„Ergebt euch der Guerilla“
Der Feind verbreitet jeden Tag Lügen, er habe so und so viele Guerillakämpfer:innen getötet. Warum berichtet er nicht von den Soldaten, die getötet wurden? Wie können die Menschen ihm glauben? Durch diese Propaganda wird ein Spezialkrieg geführt.
Kürzlich wollte sich ein Soldat ergeben, sie schossen ihm in den Rücken. Noch einmal rufen wir die Soldaten auf; kommt und ergebt euch der Guerilla. Diese Gipfel werden euer Ende sein. Alle versuchen zu fliehen. Ich sage es vor allem den Kurden: wer als Berufssoldat für den türkischen Staat arbeitet, ist ein Verräter, er besitzt keine Würde. Wer kann sich im Zagros gegen die Guerilla stellen? Kommt und ergebt euch. Wir haben uns jahrelang um gefangene Soldaten gekümmert, aber der türkische Staat kam und tötete sie. Die Öffentlichkeit hat gesehen, wie diese Gefangenen getötet wurden.
„Kurdische Jugend soll keinen Kriegsdienst für die Türkei leisten“
Die kurdische Jugend darf keinen Militärdienst für den türkischen Staat leisten. Wie können sie akzeptieren, Kurdenmörder zu sein? So etwas gibt es sonst nirgends. Sie dienen dem türkischen Staat und werden zu Mördern ihrer Geschwister. Was habt ihr als kurdische junge Menschen in dieser Armee verloren? Wenn ihr euch ergebt, wird die Guerilla euch beschützen. Die Guerilla schreibt gerade Geschichte.
„Die türkische Opposition unternimmt nichts“
Die türkische Opposition unternimmt nichts. Wenn sie eine echte Opposition wäre, befände sich die Türkei nicht in diesem Zustand. Die Oppositionspolitiker sprechen jeden Tag von der Krise. Warum fragen sie nicht nach dem Grund der Krise? Sie sagen, der Grund sei Erdoğan. Wenn dem so ist, warum verlangen sie dann keine Rechenschaft? Sie sagen: „Eines Tages werden wir etwas machen.“ Wann soll denn dieser Tag sein, und warum nicht jetzt? Tatsächlich hat die CHP den Kampf verhindert. Die CHP hätte Erdoğan bisher zehn Mal stürzen können, wenn sie es gewollt hätte. Dahinter steht vor allem Kemal Kılıçdaroğlu. Die CHP flößt den Menschen Hoffnungslosigkeit ein. Wer nichts unternimmt, kann keine Opposition sein. Andere Parteien sollten nicht in die Fußstapfen der CHP treten.
Die Krise wird durch Erdoğans Kriegspolitik verursacht. Das Schweigen der sogenannten Opposition bedeutet, dass diese den Krieg billigt. Und dann stellen sie sich hin und reden über die kurdische Frage. Sie sind Lügner und Heuchler. So wollen sie die Kurd:innen täuschen. Wenn es eine echte Opposition gäbe, hätten sie das Volk nicht aufgehalten und stattdessen von Erdoğan Rechenschaft verlangt.
„Wenn es die PDK nicht gäbe, könnte der türkische Staat nicht einen Schritt gehen“
Ich möchte an dieser Stelle etwas über die PDK sagen. Als der türkische Staat erkannte, dass er von der Guerilla besiegt werden würde, schickte er die PDK ins Feld. Die PDK muss mit ihrem Verrat aufhören. Sie verfolgt mit ihrer Kollaboration mit der Türkei eine Linie des Verrats. Ohne die PDK hätte der türkische Staat keinen Schritt tun können. Sie operieren gemeinsam gegen die Guerilla. Das Volk in Südkurdistan ist sich dieses Verrats bewusst. Wir wissen um die Krise in Südkurdistan. Das Volk bleibt, der Kampf bleibt und die PKK bleibt, aber Erdoğan tut es nicht. An die Familie Barzanî gerichtet sage ich: Baut nicht auf die Türkei, Erdoğan und Bahçeli, ihr werdet allein dastehen. Das Problem ist nicht die PDK, sondern die Familie Barzanî. Diese Familie ist zur Hegemonialmacht in Südkurdistan geworden. Einerseits will sie, dass die YNK geschwächt wird, andererseits will sie, dass alle Oppositionsparteien verschwinden.
„Familie Barzanî in ökonomischer Geiselhaft durch AKP“
42 Milliarden Dollar des Barzanî-Clans liegen auf den Banken des türkischen Staates. Die Familie Barzanî ist abhängig von Erdoğan, um an ihr Geld zu kommen. Erdoğan hat die Hand auf dieses Geld gelegt. Er sagt, wenn ihr nicht mit mir gegen die PKK kämpft, wenn ihr nicht kooperiert, bekommt ihr euer Geld nicht. So hat er die Familie Barzanî als Geisel genommen. Diese Familie hat auch die Menschen in Südkurdistan verärgert. Das Volk hat die Nase voll und will diese Familie loswerden. Die Barzanîs wollen ihre Macht durch die AKP bewahren. Sie sollten jetzt, wo es noch möglich ist, den Verrat aufgeben und sich auf den richtigen Weg begeben. Sie sollten in erster Linie patriotisch sein. Aber sie verkaufen dieses Land. Alles, was wir verlangen, ist, dass sie das kurdische Volk nicht verraten. Der große Barzanî stellt sich hin und sagt, Südkurdistan sei sein Besitz – seit wann gehört ihm denn Südkurdistan? Die Barzanîs sollen ihre Familieninteressen beiseitelegen. Die Geschichte hat gezeigt, dass das kurdische Volk sehr viel dadurch verloren hat. Niemand hat jemals etwas durch Stammesmethoden und Nepotismus gewonnen.
„Die Menschen in Südkurdistan vertrauen der PKK“
Südkurdistan als sein Eigentum zu bezeichnen und die PKK aufzufordern, in den Norden zu gehen, ist eine moralische Bankrotterklärung. Die PKK hat mehr Recht hier zu sein als der Barzanî-Clan. Die Menschen in Südkurdistan glauben viel stärker an die PKK als an die PDK. Sie vertrauen der PKK und fühlen sich von ihr geschützt. Die Menschen bringen das vielleicht wegen der Repression nicht immer zur Sprache, aber das ist die Wahrheit. Der Barzanî-Clan versucht, ein System wie das der AKP in der Türkei hier zu schaffen. Aber eines Tages werden die Menschen diese Familie dafür zur Rechenschaft ziehen. Dieses Rad dreht sich nicht ewig. Sie sollen wissen, dass Südkurdistan nicht der Besitz des Vaters von irgendjemandem ist. Seit 40 Jahren kämpfen kurdische Jugendliche aus Kurdistan auf diesem Land. Südkurdistan gehört genauso den Völkern von Nord-, Ost-, und Westkurdistan (Rojava) wie den Barzanîs. Natürlich haben wir größten Respekt vor denen, die in der Vergangenheit für Südkurdistan gekämpft haben, aber die Politik, die aktuell verfolgt wird, ist falsch. Niemand will, dass die PKK Südkurdistan verlässt, außer der Familie Barzanî. Zunächst einmal sind wir Geschwister. Die Peschmerga sind unsere Geschwister. Ich bin Kurdin und die Menschen im Süden sind ebenfalls Kurden. Aber die Barzanîs akzeptieren die Türken, nicht uns. Sie unterstützen die türkische Armee, die gekommen ist, um ihre Geschwister zu töten. Werden die Peschmerga das akzeptieren? Werden es die Menschen in Südkurdistan akzeptieren? Nein.
„Die PDK ist für die Kurden moralisch und politisch bankrott“
Wir akzeptieren diese Beleidigung nicht mehr. Die PDK sitzt seit 40 Jahren dort in Ruhe, dank uns. Dank uns gibt es diese Regierung. Die PKK ist immer als kurdische Partei mit patriotischen Gefühlen auf die PDK zugegangen, hat sie als Freundin behandelt. Mit diesen Gefühlen verteidigten wir Hewlêr, wir verteidigten Mexmûr, wir verteidigten Şengal. In Şengal ist es mit der PDK bereits vorbei. Sie hat das ezidische Volk verraten und im Stich gelassen. Aber die PDK geht immer noch gegen die ezidische Bevölkerung dort vor. Die Barzanîs wollen, dass die Türken kommen und auf diesem heiligen Land leben. 3.000 Ezid:innen befinden sich noch in den Händen des IS und den türkischen Söldnern. Obwohl YPG, YPJ und QSD die ezidischen Frauen gerettet haben, behauptet die PDK, sie hätte es getan. Sie sind weggelaufen! Wo haben sie denn jemanden gerettet? Sie haben das ezidische Volk allein gelassen. Spätestens danach waren sie in den Augen der Kurden moralisch und politisch bankrott.
Natürlich sind wir Geschwister. Den Menschen in Südkurdistan und den Peschmerga wird von unserer Seite nicht einmal ein Kratzer zugefügt. Tausende junge Kurd:innen sind in Kurdistan gefallen. Daher sollte man sich auch etwas respektvoll verhalten und nicht die Sprache des Feindes gebrauchen.
„Die PDK hat neue Pläne“
Wir haben erfahren, dass die PDK nun neue Pläne hat. Wir haben das Notwendige getan. Wenn die PDK auch nur ein Fünkchen Moral, Ehre, Anstand und Würde hat, dann muss sie diese Feindseligkeiten aufgeben und die Werte des Volkes bewahren. Wie können diese Leute ruhig ihren in ihren Häusern schlafen, während kurdische Jugendliche umgebracht werden?
Ihr wollt Südkurdistan der Türkei übergeben, aber wir werden dies verhindern. Wir werden nicht erlauben, dass unser Volk dem türkischen Staat ausgeliefert wird. Denn der türkische Staat wird morgen oder übermorgen den IS und seine Söldner in Südkurdistan stationieren und unser Volk vertreiben. Das hat unser Volk nicht verdient.
Die Peschmerga wurden gegen den Feind bewaffnet. Sind wir etwa dieser Feind? Ich richte mein Wort an die Peschmerga: Wurdet ihr gegen die Guerilla bewaffnet? Klärt selbst, wer euer Feind ist. Peschmerga und Guerilla sind Geschwister, ich rufe erneut auf, kommt und lasst uns Schulter an Schulter gegen den Feind kämpfen.
In der Türkei ist die kurdische Frage erneut auf die Tagesordnung gekommen. Was glauben Sie, warum das nun geschehen ist?
Diese Diskussionen sind inhaltslos. Wir beteiligen uns nicht an solchen Debatten, aber ich denke, das hat mit den Wahlen zu tun. Deswegen wollen sie die Kurdinnen und Kurden einfach täuschen. Aber die kurdische Gesellschaft wird darauf nicht hereinfallen. Immer wieder wird gesagt [z.B. von der CHP], die HDP sei der einzige Ansprechpartner. Aber es gibt einen Gesprächspartner; der ist auf Imrali. Wo waren sie denn bisher? Wir sind nicht gegen Kontroversen, aber warum sollten wir eine Debatte auf der Grundlage von Lügen und Intrigen führen? In allen vier Teilen Kurdistans sagt das Volk: „Unser Repräsentant ist Öcalan.“ Ob man es will oder nicht. Sie müssen es akzeptieren, der Ansprechpartner ist Öcalan. Die HDP spielt natürlich eine Rolle. Die Wahl steht vor der Tür, es gibt die kurdische Frage, und sie muss gelöst werden, sagt die CHP. Da hat Erdoğan mehr gemacht, er hat Rêber Apo als Gesprächspartner akzeptiert. Alle haben gesehen, was er danach gemacht hat. Die Menschen sollten diese Debatten um einen Ansprechpartner einfach ignorieren. So etwas sollte nicht auf unsere Tagesordnung. Niemand spricht sich gegen Angriffe und Repression gegen das kurdische Volk aus, und die angeblich oppositionelle CHP sagt, die HDP, und nicht Imrali sei der Gesprächspartner. Wer es glaubt, der soll hingehen und sich diesen Witz erzählen lassen. Sie können das kurdische Volk nicht länger täuschen.
Aus irgendeinem Grund kommt bei jeder Wahl jemandem die kurdische Frage in den Sinn. Selbst wenn Sie einem kurdischen Kind das Mikrofon reichen und es nach der Absicht der CHP hinter dieser Politik fragen, würde es sagen, dass es ein Trick ist. Wenn man das Kind dann fragt, wer denn der Ansprechpartner sei, wird es „Öcalan“ sagen. Das kurdische Volk sollte ihnen eine Lektion erteilen. Außer Imrali akzeptieren wir keine Gesprächspartner.
„Proteste reichen bei weitem nicht aus – tut, was ihr könnt!“
Währenddessen gehen die Angriffe in allen vier Teilen Kurdistans weiter. Es gibt Proteste gegen die Angriffe. Reichen diese Ihrer Meinung nach aus?
Ja, es gibt einige Proteste, aber es reicht bei Weitem nicht aus. Sich wie in der Vergangenheit hinstellen und rufen: „Schieß Guerilla, schieß und bau Kurdistan auf“, das funktioniert nicht. Die Menschen müssen sich an die Seite dieses Widerstands stellen. Alle müssen tun, was sie können. Wie lange werden sie noch zuschauen? Die Guerilla leistet Widerstand und trifft den Feind. Es reicht nicht, zu sagen: „ Die Guerilla ist unsere Ehre.“ Ja, es gibt Repression, aber so funktioniert es einfach nicht. In den vier Teilen Kurdistans und wo immer es einen Kurden auf der Welt gibt, muss etwas unternommen werden. Wenn man nichts tun kann, dann sollte man wenigstens eine Kundgebung organisieren, Flugblätter verteilen, die Menschen informieren oder einen Stein werfen. Tut was ihr könnt. Jugendliche, geht hin, zerschlagt die Scheiben der AKP-Büros, zündet ihre Autos an. Es gibt so viel, was getan werden kann. Es reicht, sich zu entschließen und es zu machen. Was auch immer möglich ist, es muss jetzt getan werden.
An unser Volk gerichtet sagen wir, natürlich gibt es Unterdrückung, natürlich greifen sie auf grausamste Weise an, aber die Welt wird nicht auf die Dauer die ihre sein. Wir können sie stoppen. Wenn wir Opfer bringen müssen, dann tun wir dies. Wir werden eher in Würde sterben und Opfer bringen, als ohne Würde zu leben. Die Frauen und die Jugend spielen dabei eine wichtige Rolle. Unser Aufruf richtet sich an die Frauen, die Jugend, alle Kurd:innen und ihre Freund:innen. Lasst das kurdische Volk nicht allein. Wenn man Freund:in des kurdischen Volkes sein möchte, muss man sich dementsprechend verhalten. Natürlich gibt es aktuell Aktionen, und das respektieren wir auch. Wir tun das nicht einfach ab, aber es reicht eben nicht aus. Denn wir befinden uns in einer neuen Phase. Diese Phase erfordert große Anstrengung, Opferbereitschaft und Aktionen. Wir sind davon überzeugt, dass von nun an das kurdische Volk, die Frauen und die Jugend die Vorreiterrolle spielen werden. Die demokratischen und freiheitlichen Kräfte sollten an diesem Kampf teilnehmen. Alle müssen für die Guerilla eintreten.