Die in der Verfassung der türkischen Republik von 1924 festgeschriebene islamische und türkische Staatsdoktrin wurde von den Kurden nicht widerstandslos hingenommen. Der am 13. Februar 1925 in Amed (türk. Diyarbakir) unter der Führung des kurdisch-sunnitischen Geistlichen Şêx Seîdê Pîran (Scheich Said) ausgebrochene Aufstand machte den Anfang zahlreicher Rebellionen der Kurden nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, die dem Prozess der türkischen Nationalstaatsbildung nach dem Fall des Osmanischen Reiches folgten und sich gegen die Verleugnung der kurdischen Existenz, den Entzug der politischen Autonomie und die faschistische Türkisierungspolitik richteten.
Am 29. Juni 1925 wurden Şêx Seîd und seine Gefährten hingerichtet, aber schon im darauffolgenden Mai begannen die Ararat-Aufstände. Doch zu der Zeit hatte die türkische Regierung mit ihrem „Reformplan für den Osten“ (Şark Islahat Planı) ihr systematisches Vorgehen gegen den kurdischen Widerstand bereits festgelegt. Unter dem Deckmantel des Ausnahmezustands sah dieser Plan Maßnahmen der Assimilation vor, zu denen Deportationen, Umsiedlungen und Massenmorde gehörten. Mit diesem Plan wurde die Kurdenfrage dem Militär unterstellt, was noch bis in die nahe Gegenwart spürbar ist. Das, was wir heute die kurdische Frage nennen, entstand in diesen Jahren.
Drei Aufstände am Ararat
Der erste Ararat-Aufstand scheiterte 1926 an seiner regionalen Begrenzung und mangelnden Vorbereitung. Der zweite zog sich über die Jahre 1927 bis 1930 hin. Im Gegensatz zur ersten Rebellion in der Region um den Ararat kam bei diesem Aufstand zum ersten Mal die Idee der Einheit aller kurdischen Gruppierungen mit dem Ziel eines unabhängigen Staates auf, kostete jedoch viele Opfer und endete mit der Flucht oder Hinrichtung seiner Führung.
1930 kam es zum dritten und letzten Ararat-Aufstand. Zwischenzeitlich hatte die 1927 im Libanon von Intellektuellen und Feudalherren gegründete kurdische Unabhängigkeitsbewegung Xoybûn ihre Absicht erklärt, den Aufstand zu unterstützen. Dazu entsandte sie den ehemaligen osmanischen Offizier Ihsan Nuri Pascha, der zum General des Aufstandes wurde. Die von ihm geführten Partisanen eroberten ein Gebiet bis nördlich von Wan an der Grenze zum Iran und Bedlîs. Doch im Sommer 1930 schlugen 80 türkische Kampfflugzeuge und zwei Armeekorps die Unabhängigkeitsbewegung in der Zîlanschlucht in Erdîş (Erciş) nieder.
Bis zu 55.000 Tote
90 Jahre später ist weiterhin unklar, wie viele Opfer die Zerschlagung des letzten Ararat-Aufstands am 13. Juli 1930 gefordert hat. Gemäß der Cumhuriyet, der meistgelesenen türkischen Tageszeitung in den 1930er bis 1940er Jahren, starben etwa 15.000 Menschen. Nach Angaben von Überlebenden und Teilnehmern des Aufstands wurden bis zu 55.000 Menschen auf grausame Weise getötet: Dorfbewohner, die aneinandergebunden und mit Maschinengewehrsalven erschossen wurden, zu Tode geprügelte und skalpierte Menschen und schwangere Frauen, denen die Bäuche aufgerissen wurden. Die meisten der Opfer wurden jedoch mit Maschinengewehren aus der Sowjetunion durchsiebt. Die UdSSR war damals Hauptwaffenlieferant der türkischen Republik unter Führung des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk. Für die türkischen Zeitungen, allen voran Cumhuriyet, waren die Kurden „wie die Wilden Afrikas”, „Kannibalen”, „Banditen” und eine „Plage für die türkische Rasse”; die Zeitungen feierten das Massaker an den Kurden. Wenige Jahre später sollte dieses Massaker sogar noch übertroffen werden: 1937 und 1938 in Dersim.
Dorfverbrennungen nach „Säuberungsaktion“
Nach der „Säuberungsaktion“ im Zîlan-Tal, so nannte die türkische Republik das Massaker, wurde der Besitz der Getöteten an regierungstreue Kurden übergeben. Anschließend wurden mindestens 60 Dörfer niedergebrannt, dem Berliner Tageblatt zufolge zerstörten die Türken in der Gegend von Zîlan sogar 220 Dörfer. Das gesamte Gebiet um das Tal wurde vom Staat beschlagnahmt, in einigen Dörfern, die dem Zerstörungswahn von Atatürks Soldaten nicht zum Opfer fielen, wurden Jahre später Kirgisen und Afghanen angesiedelt.
Spuren des Massakers verschwinden unter Staudämmen
1992, nach fast 14 Jahren Bauzeit, wurde in Erdîş der Koçköprü-Staudamm eröffnet. Mit der Flutung einiger Dörfer im Zîlan-Tal wurden so unzählige Massengräber unter Wasser gesetzt. Jetzt, im Schatten der Corona-Pandemie, wurde in der Schlucht der Bau von vier Wasserkraftanlagen wiederaufgenommen - trotz eines gerichtlich beschlossenen Baustopps. Damit würden alle Massengräber mit den Überresten tausender Menschen, die 1930 beim Zîlan-Massaker getötet wurden, in Stauseen verschwinden. Die Genozide der Vergangenheit sollen durch neue Verbrechen verschleiert und Mensch und Umwelt in Kurdistan zerstört werden. Das von Erdoğan regierte Land bleibt seiner Rolle als Konfliktverursacher wiedermal treu.