YPJ-Kommandantin: Wir stehen an der Seite der Frauen im Iran

Nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die iranische Sittenpolizei reißen die Proteste nicht ab. Rohilat Efrîn aus dem Kommando der YPJ erklärt, dass Frauen schon immer Revolten und Revolutionen angeführt haben.

Im Iran und Ostkurdistan reißen die Proteste und Widerstandsaktionen nach dem Tod von Jina Mahsa Amini nicht ab. Die junge Kurdin war von der Sittenpolizei festgenommen und offenbar schwer misshandelt worden, weil sie ihren Hidschab nicht „normgerecht“ getragen hat. Sie verstarb nach ihren Misshandlungen im Krankenhaus. Im ANF-Interview äußert sich Rohilat Efrîn aus dem Kommando der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) zur Situation im Iran und Ostkurdistan (Rojhilat).

Wie betrachten Sie die Situation von Frauen im Iran und Ostkurdistan?

Das iranische System ist besonders frauenfeindlich und auf dem Patriarchat aufgebaut. Im Iran wird die Sprache, die Kultur und die Kraft der Frauen durch Gesetze, die angeblich dem Schutz von Frauen dienen sollen, verleugnet. Frauen werden keine Rechte zuerkannt. Es gibt daher keine Frauenrechte und keinen Schutz für Frauen im Iran.

Frauen wird im iranischen System kein freier Wille zuerkannt. Wir können das iranische System wie folgt definieren: An erster Stelle stehen die Gesetze von Ayatollah Khamenei, gefolgt von seinem Ministerium. Das Volk ist ganz unten und Frauen werden als Sklavinnen betrachtet. Diese Realität ist nichts neues, sondern dauert durch die Geschichte fort. Im iranischen System wird der Frau kein freier Wille zuerkannt und sie hat keine Rechte.

Warum betreibt das Mullah-Regime eine solch misogyne Politik?

In der Geschichte Irans spielten Frauen bei den Revolutionen in Ostkurdistan vor 1979 und bei den Volksaufständen gegen die Diktatur eine sehr wichtige Rolle und stellten eine große Kraft dar. Sie führten die Revolten an und erhoben sich gegen die Diktatur. Darüber hinaus wurden Frauen zu Bewahrerinnen der Sprache, der Kultur und der Geschichte. Aus diesem Grund werden kämpfende kurdische Frauen vom Regime gefürchtet.

Nicht nur im Iran, sondern überall dort, wo sich kurdische Frauen gegen den Feind auflehnen, werden sie von den Herrschenden gefürchtet. Nicht nur kurdische Frauen, sondern auch Belutschinnen, Aserbaidschanerinnen und Perserinnen sind sich ihrer selbst bewusst geworden und haben sich entwickelt. Sie haben das patriarchale System, das iranische Regime, analysiert und sein Wesen erkannt. So stellen sie sich bewusst gegen dieses System. Die Geschichte zeigt, dass Frauen schon immer Revolten und Revolutionen angeführt haben.

Deshalb sind es auch immer die Frauen, die vom iranischen System gefoltert werden, denn es sind die Frauen, die die Freiheit erringen und die Gesellschaft von den Diktatoren befreien können. Das führt dazu, dass der Iran und alle Herrschenden die Kraft der Frauen, insbesondere der kurdischen Frauen, fürchten. Das iranische Regime begeht unter dem Deckmantel der Moral die größte Unmoral und greift die Frauen von allen Seiten an. Der Iran weiß, dass die Frauen die Kraft sind, die eine alternative Politik gegenüber dem faschistischen Regime verteidigen und die Gesellschaft befreien wird, deshalb werden Frauen immer wieder ins Visier genommen.

Wie bewerten Sie die Proteste und das Vorgehen des Regimes dagegen?

Die iranische Regierung will das Volk durch eine Politik des Aushungerns versklaven. Die Bevölkerung von Rojhilat reagierte auf diese Politik mit einem Aufstand unter der Führung von Frauen. Diese Rebellion löste beim iranischen Regime große Angst aus. Aus diesem Grund griff das Regime das Volk an und wollte es so schnell wie möglich zum Schweigen bringen. Wann immer es im Iran zu einer Rebellion kam, hat das Regime im Namen der Scharia, im Namen der Ehre, Hunderte von Frauen massakriert. Denn es sind die Frauen, insbesondere die kurdischen Frauen, die diese Gesellschaft aus den Fesseln des Regimes befreien können. Dadurch werden die Frauen zur Zielscheibe des Regimes und aller Regierungen.

Die Frauen haben ja auch ihre Kopftücher verbrannt. Wie sehen Sie als Kräfte der Revolution von Rojava diese Proteste?

Jina Amini ist eine der vom iranischen Regime ermordeten Frauen. Als Reaktion auf den Mord an Jina gingen die Frauen von Rojhilat erneut auf die Straße und sagten, dass sie genug von der Diktatur und dem islamischen Regime hätten. Wir können die Aktionen der Frauen von Rojhilat als einen Funken der von Frauen angeführten Revolution bezeichnen. Die Proteste zur Verteidigung von Jina Amini können zum Beginn einer Revolution in Rojhilat führen. Denn auf die Straße zu gehen, das Kopftuch abzunehmen und es zu verbrennen, bedeutet, das Denken des von Männern dominierten Systems zu verbrennen. Die Einheit des weiblichen Geistes zeigt sich in solchen Handlungen. Wenn Frauen sich gegenseitig mit einer Stimme und einem Geist schützen, werden sie sicherlich befreit werden.

Haben Sie als YPJ einen Aufruf an die Aktivistinnen?

In einer solchen Situation rufen wir die Frauen in den vier Teilen Kurdistans und in der ganzen Welt auf, sich zu organisieren und zu verteidigen. Dies ist absolut notwendig. Wir dürfen in dieser Hinsicht niemals aufgeben. Wenn wir unseren Schmerz gemeinsam teilen, müssen wir auch gemeinsam die Schritte zur Freiheit gehen. Als YPJ stehen wir den Aktivistinnen mit all unserer Kraft zur Seite. Wir glauben, dass es in Rojhilat eine von kurdischen Frauen angeführte Revolution geben wird. Als YPJ stehen wir allen Kämpferinnen zur Seite und grüßen sie.