YJŞ: Selbstverteidigung bewahren und das Vergessen verhindern

Anlässlich des bevorstehenden neunten Jahrestags des IS-Genozids in Şengal ruft die Kommandantur der Fraueneinheiten Şengals die ezidische Gesellschaft dazu auf: „Wir müssen in unser Land zurückkehren und unsere Kultur, Religion und Geschichte schützen.“

Am 3. August jährt sich der Beginn des IS-Genozids an der ezidischen Bevölkerung der südkurdischen Şengal-Region zum neunten Mal. Anlässlich dieses Jahrestages hat die Kommandantur der Fraueneinheiten Şengals (YJŞ), die zusammen mit den Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ) die Verteidigung der selbstverwalteten Region bilden, eine Erklärung abgegeben. Darin wird auf die Widerstandsgeschichte der Ezid:innen verwiesen und an die Gefallenen beim 74. Ferman erinnert. Ferman ist der Begriff, mit dem die Ezid:innen die Massaker und Vernichtungsoperationen in ihrer Geschichte bezeichnen. Der 74. Ferman ist der IS-Genozid, der mit dem fluchtartigen Rückzug der PDK-Peschmerga und dem Einmarsch des selbsternannten „Islamischen Staat“ (IS) in der Region begann.

Ein Licht in der Dunkelheit des Patriarchats“

Die YJŞ erklären: „Unsere Gefallenen bilden die Grundlage für ein freies Leben. Sie haben maßgeblich zur Anerkennung des freien Willens von Frauen beigetragen und wurden zu einem Licht in der Dunkelheit des Patriarchats. Wir werden unseren Gefallenen, die die Ideen und Gedanken von Rêber Öcalan tief verinnerlicht haben, bis zum Ende folgen. Wir gedenken mit Respekt und Dankbarkeit unserer Genossinnen Deniz, Bêrîvan Seîd, Rusyar, Bêrîvan Arîn, Nûjîn und Şîlan Goyî, die an der Befreiung und dem Kampf von Şengal teilgenommen haben und an verschiedenen Orten gefallen sind, sowie Mam Zekî, Zerdeşt, Seîd, Dijwar und Pîr Çeko, die nach der Befreiung fielen.“

Die YJŞ verweisen in ihrer Erklärung auf die Bedeutung von Abdullah Öcalan im Kampf gegen das Patriarchat: „Das Patriarchat konnte seine Träume von der Zerstörung des Willens der Frauen dank der Existenz von Rêber Öcalan nicht verwirklichen. Auf dieser Grundlage gründeten die Êzdîxan-Frauen die YJŞ und begannen mit ihrem Freiheitsmarsch. Dieser Marsch wird seit neun Jahren jeden Tag größer.“ Gleichzeitig beschreiben die YJŞ die Rolle der HPG und YJA Star bei der Befreiung von Şengal: „Die gesamte ezidische Gemeinschaft, insbesondere die ezidischen Frauen, wurden von dem Moment an, an dem sie sich selbst erkannten, von den Staaten ins Visier genommen und waren allen Arten von politischem, kulturellem und physischem Völkermord ausgesetzt. Die Kämpfer:innen von Rêber Öcalan kamen uns zu Hilfe und brachten große Opfer, um das ezidische Volk, seine Kultur und seine Zukunft zu schützen. Sie haben unser Land befreit und es uns übergeben.“

Die Hegemonialstaaten schützen das Patriarchat“

In der Erklärung heißt es weiter: „Wir haben volles Vertrauen, dass wir einem Leben in Würde gemeinsam mit Rêber Öcalan entgegengehen werden. Die herrschenden Mächte schützen erneut das patriarchale System und hindern die Menschen daran, ein Leben in Würde und Freiheit zu führen. Rêber Öcalan wird von der türkischen Regierung unter schwerer Isolation gefangen gehalten. Als YJŞ verurteilen wir seine Isolation und sagen ‚Jin Jiyan Azadî mit Rêber Öcalan‘. Auf dieser Grundlage haben die HPG, YJA Star, YPG und YPJ vor neun Jahren, als die Ezid:innen in Şengal dem Völkermord ausgesetzt waren, einen einzigartigen Widerstand geleistet und einen hohen Preis gezahlt. Mit ihren Opfern werden sie für immer unsere Vorreiter:innen bleiben.

Der IS ist der türkische Staat“

Der IS war keine unabhängige Armee. Der IS ist der türkische Staat, der IS sind die Taliban. Der IS griff unser ezidisches Volk mit dem Schwert des Völkermords an. Wieder einmal wollte man die Schreie nach Freiheit zum Schweigen bringen. Das Ziel des IS bei diesem Angriff war aber nicht nur der physische Völkermord. Auch die Kultur, die Religion, der Glaube und die Lebensweise des ezidischen Volkes waren das Ziel dieses Angriffs. Sie massakrierten unsere Ältesten, die für uns unsere lebende Geschichte darstellten, und verscharrten sie in Massengräbern. Sie wollten unsere Kinder, die unsere Zukunft sind, verschleppen und sie islamisch indoktrinieren und ihren ezidischen Glauben vergessen lassen. Indem sie die Mädchen und Frauen entführten, griffen sie die Werte der Frauen mit ihrer jahrtausendealten Vergewaltigungskultur an. Neben Folter, Übergriffen und Vergewaltigung griffen sie auch unsere Religion an, indem sie versuchten, die Konversion zu erzwingen. Frauen haben ihr Leben beendet, um ihre Ehre zu schützen. Unsere Gesellschaft hat all diese Tatsachen gesehen.

Der türkische Staat spielte bei der Gründung des IS die Vaterrolle. Er spielt diese Rolle vor den Augen der ganzen Welt weiterhin perfekt. Die Realität der Hegemonialstaaten wurde im Krieg gegen den IS offenbart. Dagegen ist es unser Ziel als YJŞ, unsere Wurzeln durch die Selbstverteidigungskraft, die wir aufgebaut haben, zu schützen und zu bewahren. Mit dieser Philosophie sind wir weit gekommen, denn diese Tage wurden im Laufe der Geschichte mit Widerstand und Arbeit erreicht und mit Blut gewonnen. Wir haben Şengal mit dieser Kraft beschützt und den 74. Ferman in Widerstand, Organisierung und Freiheit verwandelt. Dies verdanken wir der Philosophie von Rêber Öcalan und seinen Kämpfer:innen. Wir sind uns bewusst, dass unser Volk durch verschiedene Spezialkriegspolitiken gezwungen werden soll, sein Land zu verlassen und zu migrieren.

Abkommen vom 9. Oktober ist Fortsetzung des Genozids“

Westliche Staaten, der türkische Staat, die irakische Regierung und der Barzanî-Clan haben 2020 ein Abkommen unterzeichnet, das von ihnen als das Abkommen vom 9. Oktober bezeichnet wird. Obwohl sie mit diesem Abkommen den Völkermord per Gesetz fortsetzen, sollten sie genau wissen, dass die Ezid:innen nicht mehr dieselben sind. Die Ezid:innen haben jetzt Verteidigungskräfte und Institutionen wie die YJŞ und die YBŞ. Wir, die YJŞ, bekennen uns zu unseren Wurzeln, geben unser Land und unsere Heimat nicht auf und führen ein ehrenvolles Leben mit großem Kampf und Widerstand. Die Verteidigungskräfte, die das ezidische Volk anführen, lehrten uns, dass die Gesellschaft nicht wehrlos sein darf. Auf dieser Grundlage haben wir unsere Autonomie erklärt und unsere eigenen Kräfte aufgebaut.

In unser Land zurückkehren, Kultur, Religion und Geschichte lebendig bewahren“

Als YJŞ erklären wir, dass wir den 74. Ferman nicht vergessen werden. Die Rache für den Ferman, die Freiheit von Rêber Öcalan und die Autonomie von Şengal werden sichergestellt. In dieser Überzeugung grüßen wir alle Frauen, die ihr Leben für die Freiheit geopfert haben und die den Weg der Freiheit gehen. Am neunten Jahrestag des Genozids rufen wir die Frauen dazu auf, unter dem Motto: ‚Die Rache für den Genozid ist durch die Organisierung und Verteidigung der Frauen möglich‘, auf die Straße zu gehen. Wir müssen in unser Land zurückkehren und unsere Kultur, Religion und Geschichte lebendig halten und bewahren.“