„Wo sind die in der Putschnacht verteilten Waffen?“

Mit dem Putschversuch in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2016 ist eine unkontrollierte individuelle Bewaffnung in der Türkei eingeleitet worden.

Zelal Bilgin, die Sprecherin der DTK-Delegierten aus Amed (Diyarbakir), warnt vor den Folgen einer unkontrollierten Bewaffnung von Zivilisten nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016: „Um den Putschversuch zu verhindern, sind Waffen an Zivilisten verteilt worden. Niemand weiß, was mit den Waffen geschehen ist, aber heute werden mit diesen Waffen Frauen ermordet.“

In Bursa sind Stadtteil- und Dorfvorsteher im Rahmen der 10. April Feierlichkeiten zur Gründung der ersten Polizeieinheiten von 1845 an Kalaschnikows ausgebildet worden. Dieses Schulungsprogramm wurde in der Öffentlichkeit als Vorbereitung auf einen Bürgerkrieg heftig kritisiert. Auch Zelal Bilgin vom Demokratischen Gesellschaftskongress (DTK) sieht darin eine Ankündigung neuer Katastrophen.

„Mehr Frauenmorde als Kriegstote“

Die ganze Gesellschaft sei von Gewalt geprägt und die Politik steuere nicht dagegen, sagt Zelal: „Frauen sind von der Bilanz der AKP-Regierung viel stärker betroffen als die Gesamtgesellschaft. Gewalt, Übergriffe und Vergewaltigungen von Frauen nehmen zu und werden als legitim betrachtet. Wir sprechen von einem gewaltigen Anstieg bei Frauenmorden. Die Anzahl ist viel höher als die der Kriegstoten und wirklich furchtbar. Als Frauen versuchen wir in dieser Gesellschaft zu leben und zu kämpfen.“

Beim Putschversuch vom 15. Juli seien Waffen an die Zivilbevölkerung verteilt worden, um die Putschisten aufzuhalten, fährt Zelal fort: „Niemand weiß, wo diese Waffen geblieben sind, aber es stellt sich heraus, dass damit Frauen ermordet werden. Wie viele Frauen sind inzwischen mit diesen Waffen getötet worden? Warum sind sie nicht wieder eingezogen worden? Wofür werden sie jetzt verwendet?“

4000 Schuss Munition für Privatpersonen

„Wird eine Politik gemacht, um angesichts der gesteigerten individuellen Bewaffnung ein Ausufern der Gewalt zu verhindern, oder unterstützt die Politik die Gewaltverbrechen?“, fragt Zelal Bilgin weiter und gibt auch gleich die Antwort: „Privatpersonen war der Besitz von 200 Schuss Munition erlaubt. Jetzt ist die Zahl plötzlich auf 4000 erhöht worden. Was haben 4000 Schuss Munition bei einer Privatperson zu suchen? Was soll ein Zivilist damit anfangen? Wofür werden hier Vorbereitungen getroffen? Ist der Preis dafür, in diesem Land zu leben, von bewaffneten Personen getötet zu werden? Dienen die 4000 Kugeln als Belohnung für die diejenigen, die früher oder später in einem Krieg benutzt werden? Die aktuelle Situation wirft viele Fragen auf.“

In der Türkei herrsche zunehmend Chaos und die gewalttätige Sprache der Regierung trage dazu bei: „Dieses Land bewegt sich auf einen blutigen Bürgerkrieg zu“, erklärt Zelal Bilgin.

Şehriban Aslan / JINNEWS