Weiterer Freispruch im Prozess gegen den Frauenverein Rosa

Die türkische Staatsanwaltschaft beschuldigt den Frauenverein Rosa, mit dem „öffentlichkeitswirksamen Thema Femizid“ Mitglieder für die PKK zu werben. In Amed ist heute mit Fatma Gültekin ein weiteres Vorstandsmitglied freigesprochen worden.

Im Prozess gegen Mitglieder des Frauenvereins Rosa in Amed (tr. Diyarbakir) ist eine weitere Angeklagte freigesprochen worden. Fatma Gültekin war als Mitglied des Vereinsvorstands wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation angeklagt und hatte die Vorwürfe im Verfahren zurückgewiesen. Ihr Verteidiger Şeyhmus Bayhan machte in seinem Plädoyer geltend, dass es sich bei dem Frauenverein um eine legale Organisation handele und seine Mandantin aufgrund ihrer politischen Identität als Bezirksverordnete im Stadtteil Bağlar beschuldigt werde. Die Staatsanwaltschaft hatte Fatma Gültekin unter anderem vorgeworfen, an Aktivitäten zum internationalen Frauentag am 8. März und zum Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November teilgenommen zu haben, weil „die Organisation“ - gemeint ist die PKK – dazu aufgerufen habe.

Fatma Gültekin (Archiv)

Zuvor war bereits die Rechtsanwältin Elif İpek Tirenç Ulaş vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation freigesprochen worden. Weitere Verfahren im Zusammenhang mit dem Frauenverein Rosa sind noch anhängig, so auch gegen die ehemalige Vereinsvorsitzende Ayla Akat und die im Mai auf der Liste der Grünen Linkspartei (YSP) zur Abgeordneten ins türkische Parlament gewählte Vereinsvorsitzende Adalet Kaya.

Verein gegen Gewalt an Frauen im Fokus der staatlichen Repression

Der Frauenverein Rosa kämpft gegen Gewalt an Frauen und steht seit Jahren im Fokus der Repression. Gegründet wurde der Verein als zivilgesellschaftliche Organisation Ende 2018 in Amed. Die erste Verhaftungswelle begann im Mai 2020, bis Juni des Jahres wurden zehn Frauen wegen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ verhaftet. Damals hieß es, der Verein sei gegründet worden, um Mitglieder für eine Terrororganisation – gemeint ist die PKK – zu werben, indem er öffentlichkeitswirksame Themen wie Femizide und Gewalt an Frauen benutzt. Unter den verhafteten Frauen war auch die Vereinsvorsitzende Adalet Kaya. Sie wurde nach drei Monaten wieder freigelassen. Rojda Barış wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, die Journalistin Nurcan Yalçın zu knapp vier Jahren, Narin Gezgör zu siebeneinhalb Jahren, Gülistan Nazlıer zu über sechs Jahren, Sevim Coşkun zu achteinhalb Jahren.

Bei der zweiten Repressionswelle im April 2021 wurde der Verein von der Polizei aufgebrochen und durchsucht. Auf der Fahndungsliste standen 33 Frauen, auch Adalet Kaya wurde erneut festgenommen. In den folgenden Jahren kam es zu weiteren Operationen gegen die kurdische Frauenbewegung, von denen auch der Verein Rosa betroffen war.

Der Verein unterstützt von Gewalt betroffene Frauen und setzt sich für Gendergerechtigkeit, Umweltschutz und eine demokratische Friedenskultur in der Gesellschaft ein. Rosa stellt nach der staatlich verordneten Schließung aller städtischen Fraueneinrichtungen im Zuge des Putschversuchs von 2016 mittlerweile die einzige Institution in Amed dar, an die Frauen sich bei Beratungs- und Unterstützungsbedarf wenden können.

Titelfoto: Rosa-Vereinskongress in Amed, Juni 2021