Seit Januar steht der Einbecker Cemal A. wegen Mordes und unerlaubten Waffenbesitzes vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht Göttingen. Der 49-Jährige hatte Mitte April 2020 seine zweite Ehefrau Besma A. im Wohnzimmer des gemeinsamen Hauses mit einer halbautomatischen Selbstladepistole erschossen, die er bereits 2002 mit zwei Patronenmagazinen und 56 Schuss passender Munition unter der Hand besorgt hatte.
Laut der Aussage von Cemal A., der nach dem Kopfschuss selbst den Notruf gewählt hatte, löste sich der Schuss auf Besma A. bei der Reinigung der Waffe. Da der Mann zum Tatzeitpunkt unter erheblichem Alkoholeinfluss stand, wurde er kurzerhand als haftunfähig befunden und auf freien Fuß gesetzt. Der Dachverband des Ezidischen Frauenrats (SMJE) und die Frauenbegegnungsstätte UTAMARA veröffentlichten daraufhin im Juni 2020 den offenen Brief „Ein Frauenmord ist kein Versehen und kein Einzelfall“, der von neun großen Frauenorganisationen unterzeichnet wurde. Darin forderten sie einen neuen Umgang mit dem Thema Femizid in Deutschland und eine lückenlose Aufklärung von Taten wie der Tötung von Besma A. Weitere 300 Verbände und Einzelpersonen unterstützten die Initiative, die den Justiz-, Innen- und Familienministerien des Bundes und des Landes Niedersachsen sowie der Staatsanwaltschaft Göttingen übermittelt wurde.
Besma A.
Im September, fünf Monate nach dem gewaltsamen Tod von Besma A. wurde Cemal A. erneut festgenommen und in Rosdorf in Untersuchungshaft gesteckt. Nach kriminaltechnischen und gerichtsmedizinischen Analysen sowie weiteren Ermittlungen habe sich ein anderes Tatgeschehen zur Tötung der Ehefrau dargestellt, ließen die Behörden verlauten. Vorsätzlich, so die Staatsanwaltschaft Göttingen, habe der Angeklagte die 27-jährige Mutter dreier Kinder am 14. April 2020 gegen 23.53 Uhr mit einem fest gehaltenen Kopfschuss aus einer FN-Pistole Browning Kaliber 7,65 getötet. Sie habe zuvor arg- und wehrlos auf dem heimischen Ecksofa geschlafen, nachdem sie mit Kopfhörern Musik vom Mobiltelefon gehört hatte.
Zehn Verhandlungstage hat das Göttinger Landgericht seit Eröffnung des Prozesses gegen Cemal A. gezählt. Nun sind neue Prozesstermine bekanntgegeben worden. Wie die Verteidigung der Nebenklage mitteilt, finden die Termine am 2., 3., 4., 11. und 31. August; am 3. und 29. September und am 21. Oktober statt – jeweils um 10.15 Uhr, Landgericht Göttingen, Berliner Str. 8, 37073 Göttingen. „Der Prozess ist eine enorme Belastung für die Kernfamilie und Angehörigen der ermordeten Besma A.“, so der Unterstützer:innenkreis. „Sie verdienen unsere Solidarität und Beistand während dieser schweren Zeit. Diesen sollten wir durch Präsenz an den Verhandlungen zeigen.“ Diese sind öffentlich.