Die feministische Kampagne Women Defend Rojava Deutschland hat einen offenen Brief verfasst, in dem sie ein Ende der völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei auf die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien fordert. Der Luftraum über der Region soll geschlossen und die Türkei für ihre fortgesetzten Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden.
„Wir sind wütend und trauern gemeinsam mit den Familien, die ihre Töchter durch den türkischen Drohnenangriff auf das Mädchenbildungszentrum in der Nähe von Hesekê verloren haben. Am 1. September, dem Weltfriedenstag, erreichte uns die Nachricht, dass auch Silava Remedan ihren Verletzungen durch den gezielten Angriff erlag. Gestern wurde Silava beigesetzt. Neben Raniya Eta, Zozan Zêdan, Dîlan Izedîn und Diyane Elo ist sie eine von fünf Mädchen, die viel zu früh durch diesen schmutzigen Besatzungskrieg des türkischen Staates aus dem Leben gerissen wurden“, teilt Women Defend Rojava mit.
Systematischer Angriff auf die Errungenschaften von Frauen
Der offene Brief richtet sich vor allem an Mädcheneinrichtungen in Deutschland und soll auf die Situation in Rojava aufmerksam machen. „Denn dieser Angriff reiht sich ein in eine Vielzahl weiterer türkischer Drohnenangriffe auf Kinder in Nord- und Ostsyrien. Alleine im August diesen Jahres sind bereits acht Kinder bei türkischen Drohnenangriffen ums Leben gekommen. Wir sehen darin Angriffe, die sich gezielt gegen die Jugend- und Frauenbewegung und damit gegen das Herz der Gesellschaft richten. Wir erkennen darin ganz klar einen weiteren Feminizid, der Teil des systematischen Angriffes gegen die Errungenschaften der Frauen in der Region ist“, erklärt die feministische Kampagne und weist darauf hin, dass die Öffentlichkeit und die deutschen Medien zu den tagtäglichen Angriffen und Geschehnissen in Nord- und Ostsyrien schweigen.
Anschreiben an Mädchentreffs, Mädchenhäuser und Mädchenberatungsstellen
In dem Anschreiben von Women Defend Rojava an Mädcheneinrichtungen in Deutschland heißt es: „Wir sind eine feministische Kampagne, die sich gegen den türkischen Angriffskrieg in Nord- und Ostsyrien einsetzt. In Nord- und Ostsyrien findet seit zehn Jahren ein gesellschaftlicher Aufbau der Selbstverwaltung statt, in dem Frauen in allen Lebensbereichen gleichgestellt werden. Gleichzeitig ist dieser Aufbau jedoch auch täglichen Angriffen der türkischen Armee ausgesetzt. (...)
Am 18. August 2022 hat die türkische Armee ein von den Vereinten Nationen (UN) gefördertes Ausbildungszentrum für Mädchen in Nordsyrien bombardiert. Der Angriff wurde durch eine unbemannte Drohne durchgeführt, das bedeutet, dieser Angriff fand gezielt statt.
Die fünf Mädchen Zozan Zêdan, Ranya Eta, Diyana Elo, Dîlan Izedîn und Silava Remedan wurden durch diese Bombardierung beim Volleyballspielen ermordet. Zehn weitere Mädchen wurden verletzt. Wir sind schockiert und wütend über diesen Angriff, der sich in eine Vielzahl weiterer türkischer Drohnenangriffe auf Kinder in Nord- und Ostsyrien einreiht.
Aus diesem Grund haben wir das angehängte Schreiben verfasst. Wir möchten Euch als Mädchentreffs, Mädchenhäuser und Mädchenberatungsstellen, die ebenso wie das Ausbildungszentrum in Nordsyrien Orte der Begegnung für Mädchen sind, einladen, dieses Schreiben zu unterzeichnen und gemeinsam zu verbreiten.“
Offener Brief: Wir verurteilen den Angriff auf ein Mädchenbildungszentrum
Der offene Brief von Women Defend Rojava Deutschland ist bereits von mehreren Mädcheneinrichtungen unterzeichnet worden und wird weiter verbreitet:
Bei einem türkischen Luftangriff auf ein von den Vereinten Nationen (UN) gefördertes Ausbildungszentrum für Mädchen in Şemoka/Shamuqah in Nordsyrien sind am 18. August 2022 vier Mädchen beim Volleyball spielen ermordet und elf weitere verletzt worden. Wir trauern um Zozan Zêdan, Ranya Eta, Diyana Elo und Dîlan Izedîn und verurteilen dieses menschenverachtende Verbrechen!
Frauen und Kinder sind besonders betroffen von Krieg. Ressourcenknappheit, sexualisierte Gewalt, Flucht und Vertreibung sind Folgen der kriegerischen Angriffe der Türkei, wie sie seit Jahren in Nord- und Ostsyrien stattfinden. Die gezielte Ermordung von Zozan Zêdan, Ranya Eta, Diyana Elo und Dîlan Izedîn stellt dabei eine neue Stufe der Gewalt dar. Sie reiht sich ein in zahlreiche weitere Angriffe durch türkische Drohnen, bei denen in den vergangenen Wochen vermehrt Kinder ermordet wurden. Am 16. August wurde ein 12-Jähriger in Kobanê ermordet. Am 6. August starben zwei Kinder bei einem Drohnenangriff auf ein Auto in Qamishlo. Am 4. August wurden sechs Kinder bei einem Drohnenangriff auf das Stadtzentrum von Tel Rifat verletzt. Am 1. August verstarb eine Jugendliche, die bei Feldarbeiten von einer Granate lebensgefährlich verletzt wurde.
Wir fordern: Diese Angriffe durch die türkische Armee müssen aufhören! Es ist eine Errungenschaft des Aufbaus der selbstverwalteten Föderation Nord- und Ostsyrien, dass Mädchen Zugang zu Bildung erhalten. Die gezielte Förderung und Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen ist ein Lichtblick in einer von Krieg geprägten Gegend, welcher von vor allem Frauen selbst erstritten wurde. Diese Errungenschaften müssen geschützt werden.
Wir fordern: Der Luftraum über Nord- und Ostsyrien muss geschlossen werden! Türkischen Drohnen muss die Berechtigung entzogen werden diese Angriffe durchzuführen! Die Türkei muss für ihre Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden! Alle Menschen, und vor allem Kinder haben ein Recht darauf, in Frieden zu leben.“
Die ersten Unterzeichnenden sind Auguste Mädchen- und Frauentreff Berlin – ALBATROS gGmbH, Verein FeM Mädchen*haus Frankfurt – Feministische Mädchenarbeit e.V., Schilleria Mädchen*treff Berlin, Mädchenhaus Hannover e.V. und Mitarbeiterinnen des Frauenhaus Celle e.V.