Veranstaltung in Hamburg: Organisierung der zapatistischen Frauen

„Die Organisierung der zapatistischen Frauen“ war gestern das Thema einer Veranstaltung, zu der die feministische Kampagne „Gemeinsam Kämpfen“ Hamburg nach St. Pauli eingeladen hatte.

Die feministische Kampagne „Gemeinsam Kämpfen für Selbstbestimmung und demokratische Autonomie“ in Hamburg hatte für gestern Abend zur Veranstaltung „Die Organisierung der zapatistischen Frauen“ ins FLTI*Café ins Kölibri/GWA nach St. Pauli eingeladen. Zwei Referentinnen, Freundinnen des Kollektivs von Aroma Zapatista, die etwa ein Jahr in Chiapas gelebt haben, berichteten über die Kämpfe der zapatistischen Frauen.

Der Aufstand der zapatistischen Bewegung

Chiapas war über Jahrhunderte durch Großgrundbesitz geprägt. Weite Teile der indigenen Bevölkerung lebten als entrechtete Landarbeiter*innen auf den Haziendas von Großgrundbesitzern. Seit 1983 begannen sich Teile der indigenen Landbevölkerung zusammen mit einer Gruppe linker Aktivist*innen aus Mexiko Stadt in Chiapas im Verborgenen zu organisieren, um für grundlegende Veränderungen zu kämpfen: Die Geburtsstunde der Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN.

Die Rebellion der EZLN

Am 1. Januar 1994, an dem Tag, an dem das neoliberale Freihandelsabkommen NAFTA in Kraft trat, besetzten tausende bewaffnete indigene Frauen und Männer, die sich in der EZLN organisiert hatten, die Regierungssitze von sieben Städten im Bundesstaat Chiapas. Das wieder zurückgewonnene Land wurde unter der kleinbäuerlich-indigenen Bevölkerung aufgeteilt. Die zentralen Forderungen im Zuge des Aufstands der EZLN waren: Gleichheit, Gerechtigkeit, Freiheit, Unabhängigkeit, Land, Arbeit, Gesundheit, Bildung und Frieden.

In den ersten zwölf Tagen des Januar 1994 kämpfte die EZLN bewaffnet gegen das mexikanische Militär. Breite Teile der Bevölkerung in ganz Mexiko und viele Menschen und Gruppierungen weltweit solidarisierten sich mit den Forderungen der EZLN. Unter diesem öffentlichen und internationalen Druck sah sich die mexikanische Regierung am 12. Januar gezwungen, den Waffenstillstand auszurufen. Dennoch führt die Regierung einen sogenannten Krieg niederer Intensität gegen die zapatistischen Gemeinden. Die militärische Präsenz ist massiv und immer wieder kommt es zu Übergriffen durch Militär und Paramilitärs.

Organisierung der zapatistischen Frauen

Das Leben der Frauen vor dem Aufstand wurde in einem Video der Commandante Miriam gezeigt, das im Mai 2015 entstanden war.

Miriam analysiert den Kapitalismus als eine Hydra. Sie beschreibt die Situation der indigenen Frauen vor dem Aufstand als sehr unterdrückt. Frauen mussten wie Sklaven auf den Haziendas der Großgrundbesitzer arbeiten. Ihr Leben war von Beleidigung, Respektlosigkeit und Gewalt geprägt. Vielfach wurden sie vergewaltigt oder wie eine Ware verkauft.

Aber auch in der eigenen traditionellen Gesellschaft, galten Frauen als unnütz. Zwangsheirat und jedes Jahr ein Baby machten ihr Leben zur Hölle. Ihr Leben war von dreifacher Unterdrückung geprägt. Schulen waren für Mädchen nicht vorgesehen, so konnten viele kein Spanisch. Als Indigene hatten sie nicht das Recht in Krankenhäuser zu gehen, viele Frauen und Kinder starben.

„Schon als Mädchen geboren, sind wir nicht willkommen in dieser Welt; weil wir Frauen sind, weil ein Mädchen geboren wird. Das heißt, dass man uns nicht liebt. Aber wenn ein Knabe geboren wird, feiern immer noch die Männer; froh sind sie, weil sie Männer sind. Das heißt, einen schlechten Brauch der Patrones weiterzutragen. Derart war es eine lange Zeit.“

Doch die Frauen organisierten sich und entwarfen eine Frauengesetzgebung, die sie in den zapatistischen Gemeinden schon ein Jahr vor dem Aufstand durchsetzten.

Im März 92 wurden die Vorschläge von tausenden indigenen Frauen gesammelt. Wichtige Punkte sind z.B. keine Heirat durch Zwang, freie Partnerwahl, Recht auf Ämter in den Gemeinschaften. Seit 1996 gilt ein striktes Drogen- und Alkoholverbot in allen zapatistischen Gemeinden. Die Gesetze trugen dazu bei, dass Frauen sich stärker beteiligten und sich im militärischen und zivilen Bereich einbrachten, z.B. in den autonomen Selbstverwaltungsstrukturen, teilweise paritätisch.

Auch in der Guerilla waren von Anfang an Frauen vertreten, die den Frauen in den Dörfern Mut machten, für ein freies Leben zu kämpfen. Die Guerilleras bewiesen sich, als sie Verletzte aus dem Belagerungsring holten. Frauen wollten meist, obwohl das Leben in den Bergen für sie ungleich härter war, nicht zurück in die Dörfer.

Heute gibt es 1111 zapatistische Gemeinden, die in 29 Bezirken in fünf Zonen organisiert sind, teilweise parallel zu staatlich organisierten Gemeinden.

Sie haben eine Selbstverwaltungsstruktur, die ähnlich der autonomen Selbstverwaltung in Rojava funktioniert. Sie nennen sich die „Räte der guten Regierung“.

Daneben wurden weitere autonome Strukturen aufgebaut, Bildung, kollektive Arbeiten in der Landwirtschaft. Frauen haben auch eigene autonome Strukturen und Betriebe, um eigenes Einkommen zu erzielen. In einer Zone gibt es auch eine Frauenbank.

In einem weiteren Video erklärte Lizbet aus den zivilen Strukturen, wie heute nach dem bewaffneten Aufstand gelebt wird: „Wir kennen keinen Großgrundbesitzer mehr, kein Gefängnis und können unsere Probleme selbst lösen, dank der EZLN. (…) Wenn wir den Mut zum Kämpfen haben, so können wir diese Arbeiten machen –, wo die Leute befehlen und die Regierung gehorcht. Diese Weise zu kämpfen und (selbst) zu regieren, praktizieren wir, die Männer und Frauen, jetzt Tag für Tag. Wir sehen das bereits als unsere Kultur an.“

1. Internationales Treffen der kämpfenden Frauen 8.10. März 2018 in Caracol Morelia der Zone Tzots Choj

Eingeladen waren 500 Frauen, gekommen waren 5000 Frauen aus vielen Teilen der Welt, um dieser Einladung zum Austausch zu folgen. Männer waren nur eingeladen, um zu kochen oder Kinder zu betreuen, was außerhalb des Geländes geschah. Nach einem intensiven Austausch riefen die zapatistischen Frauen, die Frauen, die gekommen waren, auf, selbst den Kampf gegen das patriarchale System aufzunehmen.

Ein weiteres Treffen, das für 2019 geplant war, sagten die Zapatistinnen im Februar dieses Jahres mit einem öffentlichen Brief ab. Sei begründeten die Absage mit der aktuellen Situation nach den Wahlen. Der neue Präsident Andrés Manuel López Obrador gilt international als links, jedoch zeigt sich, dass die angebliche Abkehr von neoliberaler Politik in der Praxis genau das Gegenteil bedeutet. Indirekt klingt auch Kritik an den 5000, die aus aller Welt gekommen waren, aber so wenig auf die Beine gestellt haben, durch.

Die Zapatist*innen wehren sich nach Kräften, jedoch werden jetzt Großprojekte umgesetzt, die Nationalgarde enteignet Ländereien, Land, das noch nicht im Privatbesitz ist, wird durch den Staat besetzt. Ein Großprojekt ist der sogenannte Maya Zug, der auf einer Strecke von 1525 Kilometer auf der Halbinsel Yucatán abfahren und pro Jahr rund drei Millionen Touristen transportieren soll. Auch Siemens ist Bewerber für dieses Projekt.

Gegen die Zapatist*innen gibt es eine unvergleichliche Hetzkampagne, dass sie sich gegen den Fortschritt wehren würden.

Im Anschluss an den Vortrag fand eine lebendige Diskussion statt. Es wurden Vergleiche zwischen der Revolution in Rojava und den Kämpfen der Zapatistas gezogen. Der Aufruf der kurdischen Frauen zu einem Weltfrauenkonföderalismus ist auch bei den Zapatistas auf der Tagesordnung. Gemeinsam kämpfen bedeute eben, die ökologischen und sozialen Fragen weltweit zueinander in Beziehung zu setzen.

Das YA BASTA Netzwerk ruft zum „Rebellischen Zusammentreffen“ in der Kommune Waltershausen zwischen dem 28. Juli und dem 4. August auf, um genau diese Fragen zu diskutieren. Ebenso wurde auf die Aktionstage und das Camp von Rheinmetall Entwaffen vom 1. bis 9. September in Unterlüß hingewiesen, das sich gegen Rüstungsproduktion und Aufrüstung zum Krieg richtet.