Turkmene aus Serêkaniyê: „Lasst euch nicht zum Werkzeug machen“

Der türkische Staat terrorisiert die Bevölkerung in den besetzten Gebieten in Nordsyrien. Die gesamte turkmenische Bevölkerung ist aus Serêkaniyê vertrieben und an ihrer Stelle ein „Turkmenischer Rat“ aus loyalen Siedlern gegründet worden.

Die Bevölkerung der besetzten Gebiete in Nordsyrien ist allen möglichen Schikanen ausgesetzt. Die angeblich unter dem Schutz der Türkei stehende turkmenische Bevölkerung leidet ebenfalls unter dem Staatsterrorismus des Erdoğan-Regimes. In Serêkaniyê (arab. Ras al-Ain) wurde von den Besatzungstruppen der „Turkmenische Rat Rasulayn“ aus loyalistischen Siedlern gegründet. In Serêkaniyê leben praktisch keine turkmenischen Einwohner*innen mehr, die nicht mit der Invasion von der Türkei in die Region gebracht wurden. Geflüchtete Turkmen*innen werden bedroht. So wurde der Turkmene Hüseyin Halil aus Serêkaniyê damit bedroht, ihm den Kopf abzuschneiden und ein Bild der Familie zukommen zu lassen. Halil musste die Region verlassen und beschreibt im ANF-Gespräch die Lage der turkmenischen Bevölkerung in Serêkaniyê.

Der erste Angriff der türkischen Kampfflugzeuge galt der Zivilbevölkerung“

Halil ist vierzig Jahre alt und Vater zweier Kinder. Ursprünglich aus dem Bezirk Landura in Aleppo stammend, kam Halils Familie vor 60 Jahren wegen des tyrannischen Oberhaupts eines turkmenischen Stammes namens „Bilal Bey“ nach Serêkaniyê. Halil berichtet über den Beginn der türkischen Angriffe auf Serêkaniyê: „Wir mussten am dritten Tag der Angriffe unser Zuhause verlassen. Die türkische Regierung behauptete, sie greife Terroristen an. Wir hatten in der Stadt keinen einzigen Terroristen gesehen. Die Invasionstruppen haben selbst viele Terroristen aus radikalen Organisationen in die Stadt gebracht. Als sie ankamen, begannen Plünderungen und Diebstähle. Die Situation war schlimm, sie brannten Häuser mit Zivilisten nieder. Sie haben viele Unschuldige umgebracht. Sie töteten sogar Zivilisten, die keine Waffen hatten, einfach nur, weil sie Kurden waren. Die Angriffe richteten sich nicht nur gegen die Kurden. Sie ermordeten auch Turkmenen, Araber und Suryoye. Der erste Angriff der türkischen Kampfflugzeuge galt der Zivilbevölkerung. Ich habe es selbst miterlebt.“

Turkmenen sollen sich nicht von der Türkei instrumentalisieren lassen“

Zum Leben vor der Invasion sagt Halil: „Wir lebten geschwisterlich mit allen Bevölkerungsgruppen zusammen. Es gab keinen Unterschied zwischen uns. Dieses Leben sollte mit den Angriffen zerstört werden.“ Er fährt fort: „Aber egal wo wir sind, wir leben weiterhin als Geschwister. Diejenigen, die uns gegeneinander aufhetzen wollen, sollten wissen, dass wir alle Kinder dieses Landes sind und wir zusammen stehen werden, bis wir sterben.“

Bevölkerung durch Besatzungstruppen ausgetauscht

„Mit dem Angriff wurde die Bevölkerung von Serêkaniyê vertrieben. An ihrer Stelle werden Loyalisten aus Idlib, Bab, Hama, Aleppo und Dara angesiedelt. Die meisten Einwohner haben Serêkaniyê verlassen. Nur etwa 100 bis 150 Familien, deren materielle Situation extrem schlecht war, blieben dort. Abgesehen von diesen sind alle Menschen, die heute in Serêkaniyê leben, Siedler."

Alle ursprünglich dort lebenden Turkmenen sind geflohen“

„Nun ist ein sogenannter Turkmenischer Rat in Serêkaniyê eingerichtet worden. Es gibt dort keine noch dort lebenden turkmenischen Einwohner der Stadt. Deswegen habe ich nicht verstanden, wie das gehen soll. Es geht dabei um Propaganda. Die ursprünglich turkmenischen Einwohner sind alle in die selbstverwalteten Gebiete geflohen. Warum hat der türkische Staat unter Erdoğan und Bahçeli, der sich jetzt angeblich um die Turkmenen kümmert, nicht vor 50 Jahren etwas unternommen? Die Türkei kümmert sich nicht um uns. Sie soll uns mit ihren schmutzigen Plänen in Ruhe lassen. Wenn sie an uns gedacht hätte, hätte sie uns nicht bombardiert. Sie hätte unsere Stadt nicht mit Verbrecherbanden besetzt, die sie von überall her zusammengekarrt hat. Wenn sie sich selbst so sicher wäre, sollte sie die ganze Situation in der Stadt der Öffentlichkeit zugänglich machen. Die türkischen Medien verdrehen die Realität.“

Seit ich Serêkaniyê verlassen habe, werde ich bedroht“

Hüseyin Halil wurde von zwei Mitgliedern der Besatzungstruppen direkt bedroht. Er berichtet: „Sie riefen mich an und drohten mir. Seit ich Serêkaniyê verlassen habe, werde ich bedroht. Sie schrieben auch an meinen Bruder in Beirut und sagten: ‚Wir werden deinen Bruder köpfen und dir sein Bild schicken.‘ Sie kommen von woanders und bedrohen die ursprünglichen Besitzer von Serêkaniyê.“

Appell an Turkmenen: „Erdoğan benutzt euch“

Halil appelliert: „Meine turkmenischen Brüder und Schwestern, warum hat uns die türkische Regierung nicht vor 50 Jahren geholfen, aber jetzt will sie sich auf einmal um uns kümmern? Denkt darüber nach. Erdoğan benutzt euch und kann euch jederzeit wieder verkaufen. Lasst euch nicht zum Werkzeug machen. Er verkaufte Homs und Aleppo und verkauft jetzt auch Idlib. Das syrische Regime greift in Idlib an. Warum unternimmt Erdoğan dort nichts? Wir wollen zurück in unsere Stadt. Wir wollen, dass diese unmenschlichen Verbrecherbanden aus unserer Stadt verschwinden.“