TJK-E: Was während der Pandemie zu tun ist

Auch während Corona-Pandemie ist es eine grundlegende Aufgabe, gegen das 5000-jährige Virus patriarchaler Herrschaft zu kämpfen. Innerhäusliche Gewalt gegen Frauen ist ein nicht endender Weltkrieg.

Die kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E) verweist in einer Erklärung auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Gesellschaft: Die Menschen sind zutiefst verunsichert, alle betrachten sich gegenseitig als potentielle Gefahr. Wir veröffentlichen die Erklärung in leicht gekürzter Fassung:

Menschliche Werte nicht vergessen

Zu Hause bleiben, physischen Abstand wahren und Hygienemaßnahmen sind grundlegende Regeln, mit denen wir uns und andere vor der Pandemie schützen können. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass das soziale Leben auf Solidarität und Teilen basiert. Neben dem Prinzip, uns selbst und unsere Umwelt zu schützen, ist es auch wichtig, menschliche Werte nicht zu vergessen. Wir müssen uns in dem Bewusstsein bewegen, dass wir gemeinsame Probleme haben und auch unsere Lösungen einen kollektiven Ansatz haben müssen.

Risiken für Frauen und Kinder

Innerhäusliche Gewalt gegen Frauen ist ein nicht endender Weltkrieg. Die Intensität dieses Krieges wird unter bestimmten Gegebenheiten wie bewaffneten Konflikten, Flucht oder Hungersnöten stärker. Wie alle chaotischen Phasen bedeutet auch die Pandemie ein hohes Risiko für Frauen und Kinder. Untersuchungen der UNO und anderer Einrichtungen belegen, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder momentan ansteigt. Bei etwa neunzig Prozent der Femizide kommt der Täter aus dem nahen Umfeld der ermordeten Frauen.

Während Frauen in der Sorge leben, sich und ihre Familien gegen das Virus zu schützen, dessen Herkunft immer noch unklar ist, sind sie gleichzeitig mit Gewalt konfrontiert. In dem klassischen Familienmodell, das einem Mikromodell des Staates entspricht, herrscht eine Denkstruktur vor, die Gewalt gegen Frauen und Kinder produziert und legitimiert. Obwohl es Einrichtungen wie Frauenschutzhäuser gibt, die Gewaltopfern Zuflucht gewähren, bedeutet die Begegnung mit Gewalt für jede Frau den Beginn eines Prozesses voller Ungewissheiten, in dem sie nicht sichtbar sein darf und sich verstecken muss. Und meistens kann dieser Neuanfang auch nicht die Auswirkungen ökonomischer und psychischer Gewalt verhindern.

Nicht die Opfer häuslicher Gewalt, sondern die Täter müssen der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden und unter Aufsicht einen Rehabilitationsprozess durchlaufen. Auf diese Weise ist es möglich, sich sowohl vor dem von Gewalt erschaffenen Verständnis zu schützen als auch zu verhindern, dass der Mann der Frau erneut Schaden zufügt. Die Frau aus der Wohnung zu holen, obwohl es der Mann ist, der Probleme macht und Gewalt anwendet, bedeutet, dem Mann Raum für seine Gewalt zu schaffen und gleichzeitig auch die Kinder zu zwingen, in diesem Umfeld zu leben.

Kampfmittel neu erschaffen

In dieser Zeit der Pandemie, in der die Fälle von Gewalt gegen Frauen und Kinder zunehmen, müssen die Parlamente handeln. Alle offiziellen Institutionen sowie Frauenorganisation müssen dagegen Position beziehen. Es ist lebenswichtig, dass Gewalttäter der Wohnung verwiesen werden und ohne eine langwierige bürokratische Prozedur strafrechtlich verfolgt werden.

Es muss sich vor Augen gehalten werden, dass alle Mitglieder einer Familie unabhängig von ihrem Alter und Geschlecht über einen gleichberechtigten Willen verfügen.

Ebenso wichtig wie der Schutz vor der Pandemie ist es, sich von den festgelegten gesellschaftlichen Geschlechterrollen zu befreien, zu verstehen und zuzuhören. In dieser Zeit der häuslichen Isolation ist es von überlebenswichtiger Bedeutung, dass der Willen von Frauen in den Familien anerkannt wird und die Prinzipien eines Lebens in freier Partnerschaft im Denken, Fühlen und Verhalten umgesetzt werden. Und es muss jedem Kind das Gefühl gegeben werden, dass es etwas Besonderes ist und sein Willen und seine Gedanken wesentlich sind.

In unseren Familien muss die klassische gesellschaftliche und sexistische Lehre überwunden werden und auf ein gemeinsames Leben gesetzt werden. Es muss ein demokratisches Familiensystem aufgebaut werden, das nicht dem klassischen Staatsmodell der Familie entspricht, sondern allen Individuen den Raum für einen freien Willen, eine eigene Identität und eigene Gedanken bietet. Auch in der Zeit der Pandemie ist es eine grundlegende Aufgabe und Verpflichtung, gegen das 5000-jährige Virus männlicher Herrschaft und feudaler Gewalt zu kämpfen. Kein Bruch und kein Krieg haben Frauen von diesem Kampf abgehalten. Frauen haben ihre Kampfmittel immer wieder neu geschaffen. Das tun sie auch in der Zeit der Pandemie.

Was zu tun ist

Schütze dich mit physischer Distanz vor der Pandemie, vertiefe die sozialen Beziehungen, löse dich nicht von menschlichen Werten und der Gesellschaft!

Lass das stattfindende Chaos und die Angst nicht an Frauen und Kindern aus!

Betrachte die innerhäusliche Arbeit von Frauen nicht herablassend und beginne mit dem Teilen innerhalb der Wohnung!

Vergiss nie, dass Kinder sich ein Beispiel daran nehmen, wie in der Familie mit Frauen umgegangen wird!

Fang bei der häuslichen Arbeitsteilung damit an, dich um die Kinder zu kümmern, und betrachte diese Aufgabe nicht als Hilfe für die Frau!

Leben bedeutet gleiche Teilhabe, Arbeit, Solidarität, Teilen und Produktivität. Mach dabei keine Einschränkungen!

Diese Zeit bestmöglich überstehen

Als TJK-E haben wir auf Länder- und regionaler Ebene Komitees gegründet und arbeiten daran, diese Zeit bestmöglich zu überstehen und Lösungen für auftretende Probleme von Frauen und Kindern zu entwickeln. Alternative pädagogische Angebote für Kinder, der Kampf gegen innerfamiliäre Gewalt und die juristische, bürokratische und psychologische Beratung von Frauen, die Gewalt erfahren oder in Lagern leben, sind unverzichtbarer Bestandteil für den Aufbau eines alternativen Lebens.

In den sozialen Medien sind wir über Facebook, Twitter und Instagram als TJK-E Sosyal Komite zu erreichen.