Tabqa: Frauenorganisierung löst gesellschaftliche Probleme

In der nordsyrischen Stadt Tabqa bilden Frauenräte das gesellschaftliche Rückgrat. Die autonome Frauenselbstverwaltung arbeitet auf vielfältigen Ebenen an der Lösung gesellschaftlicher Probleme.

Die nordsyrische Stadt Tabqa ist von einer arabischen Bevölkerungsmehrheit bewohnt. Sie ist Teil der selbstverwalteten Gebiete in Nordostsyrien und damit auch ein Ort der Selbstorganisierung in Räten und autonomen Strukturen. Eines der Grundprinzipien der Selbstverwaltung ist die autonome Organisierung von Frauen. Auf allen Ebenen der Stadtverwaltung werden Entscheidungen autonom von Frauen getroffen. Das Engagement der Frauenselbstverwaltung reicht bis hin zur Lösung gesellschaftlicher Konflikte. So haben die Frauen auch ein Friedenskomitee gebildet, das bei Konflikten moderierend tätig wird. Kavsar al-Ali arbeitet in dem Friedenskomitee. Sie spricht mit der Nachrichtenagentur ANHA über die gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit des Komitees.

Kavsar al-Ali ist Mitglied im Friedenskomite der Frauenselbstverwaltung

Größtes Problem ist die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau“

„Die Familienmitglieder sollten sich nicht gegen den Prozess der Frauenbefreiung und die Frauen stellen”, betont al-Ali. „Das größte gesellschaftliche Problem der Frauen ist ihre Unterdrückung. Es gibt in der Gesellschaft sehr viele verschiedene negative Wertvorstellungen und Gewohnheiten. Frauen werden bestimmte gesellschaftliche Normen aufgezwungen, ihre Freiheit wird eingeschränkt und die Frauen werden sich selbst entfremdet.“

Wir haben die gesellschaftlichen Normen durchbrochen“

Um diese Situation zu ändern, ist Bildung eines der wichtigsten Mittel, welche die Frauenselbstverwaltung einsetzt. Al-Ali sagt: „Als Frauen begannen ihre Rechte anzuerkennen und sich selbst kennenzulernen, stellte dies einen wichtigen Schritt im Kampf für die Freiheit dar. Wir haben die gesellschaftlichen Normen und auch die frauenfeindliche gesellschaftliche Realität durchbrochen.“

Zur Praxis der Komitees sagt al-Ali: „Es gibt viele Gründe für Scheidungsprozesse in der Gesellschaft. Der wichtigste Grund ist, dass die Frau nicht als Partnerin betrachtet wird. Außerdem spielt die Einmischung der Familien in die Ehen eine wichtige Rolle. Als Friedenskomitee sind diese Scheidungsprozesse eine wichtige Aufgabe von uns. Nachdem wir beide Seiten angehört haben, machen wir Lösungsvorschläge. Auf diese Weise haben wir zur Lösung vieler Konflikte beigetragen. Manche Paare versuchten es dann doch noch einmal. Eine Scheidung ist immer ein Ereignis, das sowohl die Gesellschaft, als auch die Familien spaltet. Die Kinder zahlen leider den höchsten Preis. Sie werden zu Opfern der Probleme zwischen den Eltern.“

Der Anteil an Kinderehen ist massiv zurückgegangen“

Al-Ali bezeichnet Kinderehen als „Straftat“, so wie es auch im Gesellschaftsvertrag von Nord- und Ostsyrien verankert ist. „Kinderehen sind Verbrechen. Den Kindern werden ihre Rechte genommen. Mit der Arbeit unseres Komitees ist die Anzahl der Kinderehen in Tabqa deutlich gesunken“, erläutert al-Ali.