SMJÊ: Die Befreiung der Frauen weltweit ist unser oberstes Ziel

Der ezidische Frauenverband SMJÊ erklärt zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen: „Solange da draußen auch nur eine Frau leiden und in Ketten leben muss, werden wir nicht ruhen. Die Befreiung der Frauen weltweit ist unser oberstes Ziel.“

Der Dachverband der ezidischen Frauenräte (SMJÊ) lädt am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen alle kämpfenden Frauen dazu ein, „die Situation neu zu bewerten, stärkere und dauerhaftere Bündnisse zu schließen und den gemeinsamen Kampf zu verstärken. Wir sagen: Es ist an der Zeit, sich wieder zu erheben, und dieses Mal noch entschlossener. Um aus der Gewaltspirale, die uns durch die Kriegspolitik der hegemonialen Mächte aufgezwungen wird, herauszukommen, ist es nötig, dass wir uns besser kennenlernen, unsere Geschichte verstehen lernen und sowohl unseren Schmerz als auch unsere Hoffnungen auf ein friedliches, freies und vielfältiges Zusammenleben miteinander teilen. Lasst uns Bündnisse schließen und jeden Moment zu einem Moment für die Freiheit und Selbstbestimmung der Frauen machen! Erheben wir unsere Stimme gegen religiösen Fanatismus, gegen rassistische und sexistische Politik, gegen Kriege und Feminizide. Mit gemeinsamen Aktionen und Veranstaltungen können wir viel bewirken, sowohl lokal als auch global. Wir verstehen und unterstützen den Widerstand der Frauen als Verteidigung der Menschlichkeit. Solange da draußen auch nur eine Frau leiden und in Ketten leben muss, werden wir nicht ruhen. Die Befreiung der Frauen weltweit ist unser oberstes Ziel“.

Wir dokumentieren die Erklärung des ezidischen Frauenverbands SMJÊ zum 25. November:

Jin, Jiyan, Azadî - Frau, Leben, Freiheit!

Mit der Kraft dieser drei Worte sagen wir Nein zu männlicher Vorherrschaft und zu Unterdrückungsregimen. Im Gedenken an die Mirabal-Schwestern, die das Symbol des Internationalen Tages gegen jegliche Form von Gewalt an Frauen sind, und ebenso im Gedenken an Sakine, Zilan und Berivan begrüßen wir den weltweiten Widerstand von Frauen gegen frauenfeindliche Angriffe.

Überall auf der Welt werden Frauenrechte mit Füßen getreten. Besonders brutal ist dies sichtbar in Afghanistan, Iran und anderen islamistisch regierten Ländern sowie in Kriegsgebieten. Sexismus, Patriarchat, eine Ideologie der Ungleichwertigkeit, die Frauen beherrschen, unterdrücken und ausbeuten will, ist leider immer noch in den Köpfen vieler Männer präsent. Warum sonst werden Frauen tagtäglich auf der ganzen Welt ermordet? Weil sie nicht länger in einer gewaltvollen Beziehung leben wollen. Weil sie aufbegehren und protestieren gegen Gewalt und das Patriarchat. Weil sie nicht schweigen, sondern ihre Rechte einfordern. Letztes Jahr (2022) wurden weltweit 89.000 Frauen und Mädchen ermordet. Die alltägliche Gewalt ist uns eine Mahnung und zeigt, wie wichtig weiterhin unser Widerstand ist.

Wir wollen heute auch an den 3. August 2014 erinnern, an den Tag, an dem der 74. „Ferman“, der Genozid und Feminizid an der ezidischen Bevölkerung im Irak begann. Innerhalb weniger Stunden hat der Islamische Staat (IS) in der Region Shengal in Nordirak, dem ezidischen Hauptsiedlungsgebiet, Tausende Ezidinnen und Eziden mit einer bisher noch nicht gekannten Grausamkeit hingerichtet, einzeln oder auch als öffentlicher Massenmord. Rund 7000 Frauen und Kinder wurden vom IS verschleppt, vergewaltigt, als Sex-Sklavinnen wie Waren auf „Sklavenmärkten" verkauft. Noch heute befinden sich rund 2500 der verschleppten Frauen und Kinder in IS-Gefangenschaft, sind hingerichtet oder in die Golfstaaten verkauft worden. Ihr Schicksal ist ungewiss. Der IS wendet eine besonders brutale und geschlechterspezifische Gewalt gegen Frauen an. Daher ist dieser Genozid gleichzeitig ein gezielter Feminizid. Feminizide umfassen körperliche, geistige, ökonomische und strukturelle Gewalt, die damit einhergeht, Frauen ihrer Lebensgrundlage und Entwicklungsmöglichkeiten zu berauben.

Nach dem Völkermord wurde die Notwendigkeit und Unvermeidlichkeit der Selbstverwaltung und Selbstverteidigung des ezidischen Volkes zum Schutz seiner selbst und seines Glaubens deutlicher, und in Shengal wurde zum ersten Mal eine demokratische Autonomie unter der Führung von Frauen ausgerufen. Es sind die jungen ezidischen Frauen und Mütter, die die Wunden des Genozids an der ganzen ezidischen Gemeinschaft durch ihre aktive Selbstorganisation verheilen lassen, wenigstens ein wenig. Doch heute greift der türkische Staat mit Drohnen, die mit Hilfe der westlichen Staaten erworben wurden, Shengal weiter an und will die Zukunft der Genozidüberlebenden, angetrieben durch die Vorreiterrolle der Frauen, zerstören. Dagegen wird der Kampf unserer Frauen weiter wachsen.

Historisch gesehen sind Frauen seit 5000 Jahren mit Feminiziden konfrontiert. Nicht nur in Kurdistan, sondern überall auf der Welt gibt es eine Politik, die darauf abzielt, Frauen mit verschiedenen Methoden in das System einzugliedern und sie ihrer Errungenschaften und Rechte zu berauben, die im Zuge feministischer Kämpfe erzielt worden sind. Unsere Freiräume gilt es deshalb immer wieder zu verteidigen. In der Tat hat die Entwicklung des internationalen Frauenkampfes ein hohes Maß an Organisierung und Solidarität erreicht und das männlich dominierte System ins Wanken gebracht. Wir schreiten in unserem gemeinsamen Widerstand voran, trotz aller Unterschiede. Durch ein selbstkritische Haltung konzentrieren wir uns auf Punkte, die uns vereinen und nicht spalten, um das herrschende System zu bekämpfen.

Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen laden wir alle Frauen, die sich im Kampf für die Freiheit der Frauen einsetzen, dazu ein, die Situation neu zu bewerten, stärkere und dauerhaftere Bündnisse zu schließen und den gemeinsamen Kampf zu verstärken. Wir sagen: Es ist an der Zeit, sich wieder zu erheben, und dieses Mal noch entschlossener. Um aus der Gewaltspirale, die uns durch die Kriegspolitik der hegemonialen Mächte aufgezwungen wird, herauszukommen, ist es nötig, dass wir uns besser kennenlernen, unsere Geschichte verstehen lernen und sowohl unseren Schmerz als auch unsere Hoffnungen auf ein friedliches, freies und vielfältiges Zusammenleben miteinander teilen. Lasst uns Bündnisse schließen und jeden Moment zu einem Moment für die Freiheit und Selbstbestimmung der Frauen machen! Erheben wir unsere Stimme gegen religiösen Fanatismus, gegen rassistische und sexistische Politik, gegen Kriege und Feminizide. Mit gemeinsamen Aktionen und Veranstaltungen können wir viel bewirken, sowohl lokal als auch global. Wir verstehen und unterstützen den Widerstand der Frauen als Verteidigung der Menschlichkeit. Solange da draußen auch nur eine Frau leiden und in Ketten leben muss, werden wir nicht ruhen. Die Befreiung der Frauen weltweit ist unser oberstes Ziel. Wir marschieren zur Frauenrevolution mit unserer Philosophie und dem Slogan „Jin Jiyan Azadî“!