Sêvê, Pakize und Fatma: Ihre Haltung gab allen Kraft

Die kurdischen Politikerinnen Sêvê Demir, Pakize Nayır und Fatma Uyar sind am 4. Januar 2016 ermordet worden. Ihre Kampfgenossin Kezban Kuday erinnert an die drei von Spezialeinheiten getöteten Revolutionärinnen.

Am 4. Januar 2016 wurden die kurdischen Politikerinnen Sêvê Demir, Pakize Nayır und Fatma Uyar von türkischen Spezialeinheiten in der nordkurdischen Stadt Silopîya (türk. Silopi) ermordet. Die junge Aktivistin Kezban Kuday arbeitete eng mit den drei Frauen zusammen. Sie erinnert sich im ANF-Gespräch an die drei Frauen und ihre Ermordung.

Schlimme Dinge stehen bevor“

Kuday berichtet, wenige Tage vor der Ausgangssperre in Silopîya seien auf Anordnung des Landrats sämtliche zivilen Staatsbeamten aus dem Landkreis abgezogen worden. Pakize Nayır, damals Ko-Vorsitzende des Volksrats von Silopîya, habe ihr angesichts dessen gesagt: „Dies zeigt, dass dem Volk hier sehr schlimme Dinge angetan werden sollen.“ Diese Vorahnung Nayırs sollte bald Wirklichkeit werden.

Sie wurde gezielt ermordet“

Bereits am 14. Dezember 2015 seien Panzer in Silopîya aufgefahren und überall in der Stadt Scharfschützen stationiert worden, erklärt Kuday und fährt fort: „Pakize wurde durch Schüsse aus einem gepanzerten Fahrzeug verletzt, als sie zum Haus ihrer Tante im Yeşiltepe-Viertel zu gelangen versuchte. Anschließend wurden Sêvê und Fatma am gleichen Ort aus dem Fahrzeug angeschossen. Die verletzten Freundinnen riefen die Leitung der Partei an, damit die sich um einen Krankenwagen kümmere. Der Krankenwagen sollte kommen, aber stundenlang passierte nichts und die drei Frauen lagen verletzt am Boden. Aber nicht nur das, es wurden ständig Schüsse in den Bereich abgegeben, in dem sich die verletzten Frauen befanden. Niemand durfte sich ihnen nähern. Diejenigen, die den Kopf aus der Deckung nahmen und helfen wollten, wurden sofort von Scharfschützen beschossen. Die drei Frauen wurden gezielt ermordet.“

Die Leichen waren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt“

Sêvê Demir, Pakize Nayır und Fatma Uyar waren führende Protagonistinnen in der Lokalpolitik. Kuday führt aus: „Wir wissen, dass die drei Politikerinnen wegen ihrer Arbeit ins Visier genommen wurden. Deswegen wurden sie hingerichtet und ihre Körper verstümmelt. Das wurde sogar in den Autopsieberichten bestätigt, denn ihre Leichen waren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und von dutzenden Kugeln durchsiebt. Die Frauen wurden von den Menschen in Silopîya innig geliebt. Ihre Freude und ihre Moral sind unvergessen. Wann immer eine Frau ein Problem hatte, dann waren Sêvê, Fatma und Pakize die ersten Ansprechpartnerinnen. Für die Kinder waren sie Kinder, für die Alten Alte. Bei Frauenaktionen sahen wir sie immer in der ersten Reihe Jin, Jiyan, Azadî rufen. Egal, an welche Haustür Sie heute in Silopîya klopfen, die Menschen werden Ihnen von der Haltung, dem Opfer und dem Kampf der drei Frauen erzählen. Sie haben sich im Gedächtnis der Menschen als ‚die drei Revolutionärinnen‘ unvergesslich gemacht. Sie stellen für uns als junge Frauen mit ihrer Haltung Vorbilder und eine Perspektive dar.“

Trotz aller Gewalt nie eingeschüchtert“

Kuday erzählt, Pakize Nayır habe immer wieder zu sagen gepflegt: „Wenn Botan gewinnt, dann gewinnt die ganze Menschheit.“ Sie berichtet weiter: „Bei jedem Anruf hat die verletzte Pakize erklärt, ‚Wir lassen uns nicht besiegen.‘ Mit ihrer Arbeit hat sie ein Erbe des Widerstands und Kampfes den Frauen hinterlassen. Pakize war eine Führungspersönlichkeit. Sie war immer engagiert und konnte viele Dinge in Begriffe fassen und immer gute Bewertungen abgeben. Fatma kämpfte mit großer Liebe und Leidenschaft. Sie hatte einen starken Willen und war ihrem Wort verpflichtet. Ihre Disziplin und Opferbereitschaft waren deutlich sichtbar. Sie wich vor nichts zurück. Sêvê hat in jeder Stadt und in jedem Dorf Kurdistans Spuren hinterlassen. Wo immer sie hinging, hörte sie den Frauen zu, wurde zu ihrer Genossin und half ihnen. Sie erlebte Gewalt, aber ließ sich niemals einschüchtern. Sie leistete immer Widerstand.“

Ihr werdet Kurdistan befreien“

Kuday hatte die drei Frauen in der Kulturarbeit kennengelernt. „Sie kamen oft zu uns. Wir haben gemeinsam an Veranstaltungen teilgenommen. Es war der 25. November, es fand deswegen eine Demonstration statt. Wir bereiteten uns ebenfalls vor. Wir zogen unsere traditionelle Kleidung an und wollten uns gerade unsere Tücher umbinden. Sêvê kam und wickelte sie uns allen um die Köpfe. Als sie mir meins umband, sagte sie: ‚Ihr junge Frauen werdet Kurdistan befreien.' Dieser Tag brachte uns soviel Moral. Unsere Freude nahm zu. Ihre Haltung gab allen Kraft für den Kampf.“