Rîhan Loqo: Ein historischer Kongress an historischem Datum

Rîhan Loqo, Mitglied der Koordination von Kongra Star, beschreibt den 9. Kongress des Dachverbands der Frauenbewegung als Meilenstein für eine neue Phase des Frauenfreiheitskampfes unter dem Motto „Jin, Jiyan, Azadî“.

Anlässlich ihres 18. Gründungsjubiläums hielt der Dachverband der Frauenbewegung Kongra Star in Rojava am Sonntag ihren 9. Kongress unter dem Motto „Lasst uns im Geist des revolutionären Frauenkampfes den ‚Jin Jiyan Azadî‘-Aufstand zum Sieg führen“ im Kunst- und Kulturzentrum Serdem in Hesekê ab. An dem Kongress nahmen hunderte delegierte Frauen und Vertreterinnen von Frauenorganisationen und Bewegungen auf der ganzen Welt teil.

Aus der Region beteiligten sich Vertreterinnen der kurdischen, arabischen, armenischen, assyrischen, tscherkessischen und turkmenischen Gemeinde sowie der ezidischen Glaubensgemeinschaft. Viele andere Organisationen übersandten Grußbotschaften. Rîhan Loqo, Mitglied der Koordination von Kongra Star, berichtet vom Kongress und seinen Ergebnissen im ANF-Interview.


Der Kongress fand in einer Zeit intensiver Angriffe statt. Was bedeutet das für den Kampf der Frauen?

Der 15. Januar 2023 ist ein historischer Tag für uns als Frauen. Es ist das Gründungsjubiläum von Kongra Star und unser 9. Kongress hat stattgefunden. Wir haben zwei historische Ereignisse an einem Tag zusammengeführt und feiern diesen Kongress, der im Zeichen von Rêber Apos [Abdullah Öcalan] Philosophie von „Jin Jiyan Azadî“ abgehalten wurde, ganz besonders. Wir hoffen, dass wir den Kampf und die Organisierung der Frauen in den nächsten zwei Jahren weiter stärken werden. Es war uns wichtig, den Kongress gerade in diesem Jahr zu organisieren. Nach den Konferenzen auf den Ebenen der Städte, Kantone und der unterschiedlichen Arbeitsbereiche wurden lange Diskussionen mit vielen Parteien geführt. Deshalb haben wir Maßnahmen ergriffen und gesagt, wie wir unsere Arbeit gegen die herrschende Mentalität noch verstärken können. Der türkische Staat bedroht die Region und setzt seine Angriffe auf die Errungenschaften unserer Revolution fort. Mit unserer Organisierung, unserer Stärke und der Philosophie von Rêber Apo, in der wir uns selbst gebildet haben, werden wir dem patriarchalen System, das die Frauenrevolution permanent angreift und den Willen der freien Frauen schwächen und brechen will, indem es die Essenz dieser Revolution entleert, entgegentreten. Es war ein begeisterter Kongress zur Stärkung des Frauenkampfes in der Revolution von Nord- und Ostsyrien.

Wie wurde der Kongress vorbereitet?

Wir haben intensiv über den Zeitpunkt und die Parole, unter der der Kongress stattfinden sollte, diskutiert. Wir wollten den Kongress zu einem Zeitpunkt abhalten, an dem sich die Angriffspläne des türkischen Staates gegen die Errungenschaften der Frauenrevolution im Jahr 2023 verschärfen. Wir haben dieses Datum gewählt, um klarzumachen: „Egal wie sehr ihr versucht, die Errungenschaften der Frauenrevolution zu zerstören und den Willen der freien Frauen zu brechen, wir werden diese Pläne auf eine noch stärkere und organisierte Weise durchkreuzen.“ Auf dem Kongress wurden die in den vergangenen zwei Jahren geleistete Arbeit, die Schmerzen und die Errungenschaften in diesem Prozess diskutiert. Es war eine schmerzhafte zweijährige Periode, in der wir die größten Vorreiterinnen unserer Revolution verloren haben. Aus diesem Grund haben wir dem Kongress diese Richtung vorgegeben.

Wir haben unseren Kongress ganz im Sinne der großen Pionierinnen Sakine Cansız, Evîn Goyî, Dayîka Hogir, Zeyneb Saruxan, Jiyan Tolhildan und vielen weiteren Frauen abgehalten, sie haben unserer Revolution den Weg bereitet. Wir haben große Entscheidungen für die ganze Welt und die Frauen in Nord- und Ostsyrien getroffen. Um das weiter zu verdeutlichen, haben wir die Parole „Lasst uns im Geist des revolutionären Frauenkampfes den ‚Jin Jiyan Azadî‘-Aufstand zum Sieg führen“ gewählt.

Welche Strukturen haben abgesehen von den Delegierten noch teilgenommen?

Tausende von Frauen aus allen Organisationsstrukturen in Nord- und Ostsyrien nahmen an dem Kongress teil. Kurdinnen, Araberinnen, Suryoye, Turkmeninnen, Tscherkessinnen und Ezidinnen sowie Intellektuelle, Schriftstellerinnen und Sozialistinnen waren unter den Teilnehmerinnen. Wir hoffen, mehr gemeinsame Entscheidungen treffen zu können. Außerdem nahmen auch unsere Freundinnen aus Damaskus, Aleppo, dem Libanon, Südkurdistan und Europa an dem Kongress teil.

Auf dem Kongress ging es auch um den Widerstand in Ostkurdistan. Welche Bedeutung hat dieser Kampf?

Der Aufstand von Rojhilatê Kurdistanê hat seine Inspiration, sein Fundament und seine Kraft aus der Frauenrevolution bezogen. Mit diesem Kongress wollten wir eine Botschaft nach Rojhilat senden, wo der von Frauen geführte Aufstand stattfindet. Dieser Aufstand wird siegen. Als Frauenbewegung sind wir Unterstützerinnen ihres Aufstands und in diesem Sinne widmen wir ihm unseren Kongress. Wir widmen ihn den Gefallenen von Ostkurdistan und Iran, die in diesem Aufstand so wie Jina Amini ermordet wurden. Seid euch bewusst, ihr seid nicht allein, wir stehen als revolutionäre Region hinter diesem Aufstand.

Mit diesem Kongress treffen wir die Entscheidung, dass wir das, was von uns verlangt wird, auch in Zukunft tun können. Als Kongra Star ist es unser Hauptanliegen, die physische Freiheit von Rêber Apo zu erkämpfen. Der Grund, warum wir dafür kämpfen, ist, dass Rêber Apo dafür gesorgt hat, dass die Frauen aus der Dunkelheit, in der sie lebten, ins Licht kommen und dass er die Entwicklung ihrer Hoffnung, Ideologie und Armee garantiert hat. Wir werden alle auf den Straßen sein, bis wir die physische Freiheit von Rêber Apo, der dies für Millionen von Menschen ermöglicht hat, durchgesetzt haben. Auf unserem Kongress wurde diese Entscheidung besonders diskutiert. Der Aufstand von Rojhilat, die Frauenorganisierung und die Revolutionen weltweit, ihre Stärkung und die Übernahme von mehr Aufgaben waren ebenfalls Gegenstand der Diskussion. Besonders im Jahr 2023, das ein sehr kritisches Jahr wird, werden wir mit Hilfe von noch mehr Organisierung, Einheit und Solidarität in die Offensive gehen, um den Invasionsplänen des Feindes und der patriarchalen Mentalität ein Ende zu setzen.

Welches Echos erwarten Sie im Nahen Osten und weltweit für den Kongress?

Wir arbeiten nicht nur für Nord- und Ostsyrien, sondern für die Frauenrevolution in Syrien, Kurdistan, im Nahen Osten und der Welt. Denn Kurdistan ist unter der Parole „Jin Jiyan Azadî“ eins geworden. Wir müssen mit diesem revolutionären Geist die Frauen und die Frauenbewegungen in allen Ländern erreichen. Unter der Führung der Frauen müssen wir den Widerstand in Kurdistan stärker organisieren und ihn zu einem Vorreiter für die ganze Welt machen. Unsere gesamte Arbeit geht in diese Richtung.

Nicht nur kurdische Frauen sind bei Kongra Star organisiert. Die kurdischen Frauen sind Vorreiterinnen, aber es sind auch arabische, assyrische, turkmenische und tscherkessische Frauen an der Organisation beteiligt. Die kurdischen Frauen waren die ersten, die diese Organisation entwickelten. Die arabische Gemeinschaft in der Region nimmt eine Vorreiterrolle für alle arabischen Länder und Frauen ein. So wie die kurdischen Frauen Pionierarbeit für die Freiheit aller Völker geleistet haben, müssen die arabischen Frauen Pionierarbeit für alle arabischen und andere Frauen leisten. Auch assyrische Frauen sollten Vorreiterinnen für alle Frauen sein. Auf diese Weise kann jede ihre eigene Sprache, Identität und Kultur weiterführen. So werden wir uns zu einem Ring der Freiheit zusammenschließen und unsere Freiheit garantieren.

Welchen Beitrag haben Frauenorganisationen, die nicht teilnehmen konnten, zum Kongress geleistet?

Der Kongress erhielt starke Botschaften aus vielen Ländern und Organisationen. Die wichtigste davon war die Botschaft der Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (KJK). Ihre Erklärung war eine wichtige Botschaft für den Aufbau und die Verteidigung unserer Errungenschaften. Wir hätten uns gewünscht, dass die KJK in diesen Kongress einbezogen wird. Es war unser sehnlichster Wunsch, dass unsere Freundinnen von der KJK kommen und teilnehmen. Sie konnten nicht kommen, aber sie haben eine starke Botschaft voller Inhalt gesendet. Außerdem gingen Botschaften von allen Räten und Organisationen ein. Es gab Botschaften von Frauenbewegungen aus verschiedenen Ländern. Diese Botschaften wurden der gesamten Kongressstruktur vorgelegt. Alle verkündeten, dass der Sieg der Frauenrevolution der Sieg aller Frauen der Welt sei. Es waren sehr wichtige Botschaften, die uns in verschiedenen Sprachen erreichten.