Proteste gegen „Putsch von oben“ in der Türkei

In zahlreichen Städten in Nordkurdistan sind Frauen auf die Straße gegangen, um gegen die Aufhebung der Immunität oppositioneller Abgeordneter in der Türkei zu protestieren. Ihre besondere Solidarität galt der HDP-Politikerin Leyla Güven.

Erneut haben in der Türkei Proteste gegen die Aufhebung der Immunität von oppositionellen Parlamentsabgeordneten stattgefunden. Die HDP-Abgeordneten Leyla Güven und Musa Farisoğulları sind nach der Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität am Donnerstagabend verhaftet worden, der CHP-Abgeordnete Enis Berberoğlu befindet sich nach kurzer Inhaftierung mittlerweile im Hausarrest.

Gegen diesen „Putsch von oben“ haben Frauen Erklärungen vor den HDP-Zentralen in Amed (Diyarbakir), Êlih (Batman), Wan (Van), Şirnex (Şırnak), Riha (Urfa) und Colemêrg (Hakkari) abgegeben. Am Freitag waren mehrere Protestaktionen in der Türkei von der Polizei angegriffen worden. Bei den heutigen Kundgebungen, die vom Frauenrat der HDP und der „Bewegung freier Frauen“ (TJA) veranstaltet wurden, lag ein besonderes Augenmerk auf der kurdischen Politikerin Leyla Güven, die zugleich Ko-Vorsitzende der zivilgesellschaftlichen Organisation DTK (Demokratischer Gesellschaftskongress) ist und bereits viele Jahre in türkischen Gefängnissen verbracht hat. Weltweit bekannt wurde Güven durch den von ihr Ende 2018 im Gefängnis von Amed initiierten Hungerstreik gegen die Isolation Abdullah Öcalans, dem sich Tausende Menschen auf mehreren Kontinenten anschlossen. Zuletzt war die Politikerin 2018 für ein knappes Jahr in Haft, weil sie die völkerrechtswidrige Invasion der Türkei in Efrîn öffentlich kritisiert hatte.

Bei den heutigen Protestaktionen solidarisierten sich die Aktivistinnen mit Leyla Güven. Die Politikerin sei bewusst ausgesucht worden, weil sie die kurdischen Mütter und Frauen repräsentiere, sagte die TJA-Sprecherin Ayşe Gökkan in Amed. Aktivistinnen in Wan hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Wir sind stolz auf Leyla Güven“. Öznur Bartin, die Ko-Vorsitzende des HDP-Verbands in Wan, erklärte in einer Rede: „In unserer Geschichte gibt es viele Leylas. Leyla bedeutet für uns Widerstand, es bedeutet, für den Frieden der Völker und ein menschenwürdiges Leben zu kämpfen.“

Bei der Kundgebung in Silopiya (Silopi) in der Provinz Şirnex bezeichnete die HDP-Abgeordnete Nuran Imir die Verhaftung von Leyla Güven als einen Angriff auf alle Frauen: „Mit diesem rechtswidrigen Vorgehen soll Wahlen jeder Sinn entzogen werden. Die patriarchale Mentalität richtet sich gegen den Frauenkampf und gegen die Demokratie.“

In Pirsûs (Suruç) in der Provinz Riha wurde selbst die Verlesung einer Erklärung vor der HDP-Zentrale verboten. Die Polizei drohte mit Festnahmen. Die HDP-Abgeordnete Ayşe Sürücü reagierte empört auf das polizeiliche Vorgehen und sagte: „Die aktuelle Regierung hat dieses Land in eine Hölle verwandelt.“ Der Einsatzleiter der Polizei entgegnete daraufhin: „Was für euch die Hölle ist, ist für uns das Paradies.“