Die inhaftierte HDP-Politikerin Leyla Güven hat sich mit einer ersten Botschaft an die feministische Frauennachrichtenagentur JinNews aus dem Gefängnis zu Wort gemeldet. Darin schreibt die 56-Jährige: „Wir sind die Vertreter*innen eines Volkes, dessen Identität, Kultur und Existenz geleugnet werden. Es ist wahrlich nicht einfach, ein Volk zu repräsentieren, das für seinen Widerstand materiell wie auch ideell alles bis auf das letzte Hemd opfert.”
Aber als kurdische Frauen seien sie „in Paris wie Sara Sakine Cansiz, in Rojava wie Arîn Mîrkan, in Başur wie Avesta Xabur“ und haben Widerstand leistend ihre Existenz verteidigt. „Schließlich sind wir die Nachfolger*innen der Tradition des ständigen Kampfes, ganz gleich, was es kostet.“ Es sei nicht notwendig, Abgeordnete zu sein, um das kurdische Volk zu vertreten. „Wir werden unseren Kampf in allen Lebensbereichen fortsetzen, genauso wie es Freundinnen und Freunde vor uns taten.“
Als kurdische Frau gebe sie ihrem Volk ihr Wort: „In jeder Phase des Widerstands der kurdischen Nation für seine Freiheit werde ich meinem Volk beistehen. Ich sende meine Liebe und meinen Respekt an alle unsere Menschen, insbesondere an die Bevölkerung von Hakkari [Güvens Wahlkreis]. Seid beruhigt: Der dunkelste Moment in der Nacht ist der, kurz vor dem Morgengrauen. Wir sind dem Erfolg sehr nahe. Und wir sind nicht diejenigen, die in der Bredouille sitzen.”
Die kurdische Politikerin Leyla Güven, die zugleich Ko-Vorsitzende der zivilgesellschaftlichen Organisation DTK (Demokratischer Gesellschaftskongress) ist, wurde am Donnerstag zeitgleich mit Musa Farisoğulları in Amed (türk. Diyarbakir) verhaftet. Nur wenige Stunden zuvor hatte das Parlament den beiden HDP-Abgeordneten ihre Mandate und damit auch ihre Immunität entzogen. Als Begründung wurden rechtskräftige Urteile herangezogen. Güven und Farisoğulları waren im März 2017 im Rahmen des international scharf kritisierten KCK-Hauptverfahrens zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden und saßen zwischen 2009 und 2014 knapp fünf Jahre in Untersuchungshaft. Inzwischen befinden sich beide in einem Gefängnis in Amed. Die HDP-Fraktion bezeichnete das Vorgehen der Regierung als „gesetzwidrigen Schritt“ und „korrupten, unmoralischen und faschistischen Putsch“, der sich gegen den „freien Willen des Volkes“ richte und die Feindseligkeit gegenüber der kurdischen Bevölkerung zum Ausdruck bringe.
Abgesetzter CHP-Abgeordneter wieder freigelassen
Zusammen mit Güven und Farisoğulları war auch Enis Berberoğlu von der republikanischen CHP der Abgeordnetenstatus aberkannt worden, bevor er am Donnerstagabend in Istanbul verhaftet und in das Gefängnis Maltepe überstellt wurde. Keine 24 Stunden danach wurde er bereits wegen der Corona-Pandemie „amnestiert“. Für Leyla Güven und Musa Farisoğulları greift die Regelung nicht. Als politische Gefangene aus sogenannten „Terrorverfahren“ werden sie von einem Straferlass explizit ausgenommen.