Neues Ermittlungsverfahren gegen Leyla Güven

Gegen die in der Türkei inhaftierte kurdische Politikerin Leyla Güven ist ein Verfahren wegen Terrorpropaganda eingeleitet worden. Hintergrund ist ihre Teilnahme an einer Tagung der „Kurdistan-Allianz“ zur Stärkung der innerkurdischen Einheit.

Gegen die kurdische Politikerin Leyla Güven ist ein Verfahren wegen Terrorpropaganda eingeleitet worden. Hintergrund ist eine Tagung der „Kurdistan-Allianz“, an der Güven im Januar vergangenen Jahres als Ko-Vorsitzende der zivilgesellschaftlichen Organisation „Demokratischer Gesellschaftskongress“ (KCD) teilgenommen hatte. Das Bündnis war im Frühjahr 2019 im Vorfeld der Kommunalwahl gebildet worden, inzwischen beschränkt es seine Aktivitäten nicht länger auf Wahlen. Hauptsächliches Ziel der Front ist die Stärkung der innerkurdischen Einheit.

Die Generalstaatsanwaltschaft Diyarbakir (ku. Amed) begründet die Anklage gegen Güven mit Äußerungen der 56-Jährigen bezüglich der Tagung gegenüber der Presse und entsprechenden Agenturmeldungen. Bei ihrer Vernehmung wies die Politikerin den Vorwurf der Terrorpropaganda entschieden zurück. Zwar könne sie sich nicht genau an die beanstandete Zusammenkunft erinnern. Doch als KCD-Vorsitzende und damalige Parlamentsabgeordnete habe sie an diversen Treffen der Kurdistan-Allianz teilgenommen. Diese würden Vertreterinnen und Vertreten des kurdischen Volkes aus den verschiedenen Regionen ein ideales Forum zur freien Debatte und zum Meinungsaustausch bieten. „Unser Engagement diente in erster Linie der Lösungsfindung für lokale Fragen und Probleme“, äußerte Güven nach Angaben ihres Rechtsbeistands bei der Befragung.

Die dreitägige Zusammenkunft der Kurdistan-Allianz hatte vom 18. bis zum 20. Januar 2020 unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Hotel im Altstadtbezirk Sûr in Amed stattgefunden. Dem Bündnis gehörten zunächst die HDP (Demokratische Partei der Völker) und ihre Schwesterpartei DBP (Partei der demokratischen Regionen) sowie die Islamische Bewegung Kurdistans (AZADÎ), der Revolutionäre Demokratische Kurdische Verein (DDKD), die Partei des Menschen und der Freiheit (PIA), die Kommunistische Partei Kurdistans (KKP), die Demokratische Plattform Kurdistans (PDK) und die Demokratische Partei Kurdistans-Türkei (PDK-T) an. Später schlossen sich auch der KCD und die PDK-Bakur der Allianz an.

Ob die Anklageschrift gegen Güven bereits an ein Gericht geschickt wurde, ist unklar. Ihr Rechtsbeistand geht aber davon aus, dass dies binnen kurzer Zeit geschehen wird. Dann würde auch ein Termin für den Prozessauftakt festgelegt werden.

Wer ist Leyla Güven?

Die im Frauengefängnis Elazığ (ku. Xarpêt) inhaftierte Politikerin Leyla Güven wurde Ende 2020 wegen vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft zu mehr als 22 Jahren Haft verurteilt. Begründet wurde die Strafe unter anderem mit „matriarchalem Gedankengut“. Wenige Monate zuvor war ihr das Abgeordnetenmandat entzogen worden. Die Mutter von zwei Kindern ist aber nicht zum ersten Mal im Gefängnis: 2009 wurde sie im Rahmen der international kritisierten „KCK-Operationen” verhaftet und kam erst nach fünf Jahren wieder frei. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung war Güven Bürgermeisterin der kurdischen Stadt Wêranşar (tr. Viranşehir).

Im Januar 2018 wurde sie erneut in Untersuchungshaft genommen, diesmal wegen ihrer Kritik am Angriffskrieg gegen Efrîn. Damals erlangte sie auch internationale Bekanntheit, als sie im November desselben Jahren eine insgesamt 200-tägige Hungerstreikbewegung für die Aufhebung der Isolationshaftbedingungen für den seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierten PKK-Gründer Abdullah Öcalan initiierte. Vergangenen Juni wurde sie erneut verhaftet, nur wenige Stunden nachdem das Parlament in Ankara ihr Mandat und damit auch die Immunität entzogen hatte. Als Begründung wurde das inzwischen rechtskräftige Urteil im KCK-Verfahren herangezogen.