Nergiz: Frauen werden Istanbul-Konvention nicht aufgeben

Die Ko-Bürgermeisterin von Nisêbîn, Semire Nergiz, spricht über den Kampf der Frauen für die Istanbul-Konvention und sagt: „Während täglich Dutzende Frauen grausam abgeschlachtet werden, ist diese Konvention unverzichtbar.“

Die Proteste gegen den Rückzug der AKP/MHP-Regierung aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen gegen Gewalt gehen weiter. In allen Bereichen kommt es zu Protesten. Im ANF-Gespräch betont die Ko-Bürgermeisterin von Nisêbîn (tr. Nusaybin) und Anwältin Semire Nergiz, dass der Kampf gegen Gewalt an Frauen lebensnotwendig ist und trotz Rückzug aus der Konvention weitergehen werde.

Die Konvention verpflichtet den Staat“

Die Politikerin erklärt: „Die Türkei hat eine Roadmap zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen unterzeichnet. Nach einer langen Pause wurde dieser Vertrag nun von der Türkei einseitig aufgelöst. Es fanden sehr ernstzunehmende Frauenproteste gegen die politische Haltung für einen Austritt aus der Istanbul-Konvention statt. Das Übereinkommen von Istanbul enthält insbesondere einen Fahrplan für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Die Konvention bringt dem Staat in negativer wie in positiver Hinsicht eine Reihe von Verpflichtungen, dabei geht es um Präventivmaßnahmen im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen und die Verantwortung des Staates im Hinblick auf den Schutz von Frauen vor Gewalt.“

Frauen akzeptieren den Austritt aus der Konvention nicht“

Nergiz nimmt Bezug auf Aussagen aus Regierungskreisen, wonach die Istanbul-Konvention „die Familienstruktur zerstört“, und sagt: „Sie haben das Argument hervorgebracht, die Istanbul-Konvention würde die Familien zerstören und Äußerungen getätigt, die dem Geist und dem Ziel der Konvention widersprechen. Die Istanbul-Konvention besagt, dass Frauen an den Platz in der Gesellschaft gebracht werden sollen, an dem sie sein müssten. Sie zeigt Wege für Frauen, die in Kriegsgebieten leben, für geflüchtete und marginalisierte Frauen auf.

Die Frauen akzeptieren den Austritt aus der Konvention nicht und schreien mit lauter Stimme heraus, dass der Staat kein Recht hat, sich aus dieser Konvention zurückzuziehen. Sie fordern, was ihnen zu Recht zusteht, und kämpfen als Bürgerinnen in allen Bereichen gegen die staatliche Politik der Straflosigkeit. Es ist für sie nicht möglich, diese Konvention aufzugeben. Während täglich Dutzende Frauen grausam abgeschlachtet werden, ist diese Konvention unverzichtbar.

Ökonomische Gewalt ist eine Facette der Gewalt gegen Frauen“

Die Diskussion über den Platz von Frauen im Wirtschaftsleben stellt ebenfalls einen der zentralen Punkte der Konvention dar. Heute diskutieren wir darüber, wie ökonomische Gewalt gegen Frauen bekämpft werden kann. Ökonomische Gewalt ist eine Facette der Gewalt gegen Frauen. Wir versuchen festzustellen, was sofort hinsichtlich dieser Situation für Frauen getan werden kann. Wir sprechen über den Aufbau von Kooperativen mit dem Ziel, Frauen wieder am Wirtschaftsleben teilhaben zu lassen.

Wir setzen uns intensiv mit der Situation von Frauen und den Problemen im privaten und öffentlichen Raum auseinander. Obwohl es eigentlich die Aufgabe des Staates wäre, diskutieren wir darüber als Frauenorganisationen und -institutionen. Wir sehen das als eine unserer Hauptaufgaben an und hoffen auf positive Ergebnisse.“