Meine Mutter Leyla
Die kurdische Politikerin Leyla Güven ist seit 33 Tagen im unbefristeten Hungerstreik. Ihre Tochter Sabiha Temizkan beschreibt sie als kämpfende Frau, die es versteht, die Menschen zu berühren.
Die kurdische Politikerin Leyla Güven ist seit 33 Tagen im unbefristeten Hungerstreik. Ihre Tochter Sabiha Temizkan beschreibt sie als kämpfende Frau, die es versteht, die Menschen zu berühren.
Die kurdische Politikerin Leyla Güven ist am 7. November im Gefängnis von Amed (Diyabakir) in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Mit ihrer Aktion fordert sie die Aufhebung der Isolation Abdullah Öcalans. Für die in Deutschland erscheinende Tageszeitung Yeni Özgür Politika hat ihre Tochter Sabiha Temizkan ihre Mutter beschrieben:
„Meine Mutter versteht es, die Menschen zu berühren. Und wieder hat sie es getan … Ein weiteres Mal wird sie für ihren Widerstand bewundert. In einer Zeit, in der es uns schwerfällt, die Hoffnung zu bewahren, setzt sie ihr Leben für den Frieden ein. Sie ist meine Heldin, eine Heldin ihres Volkes.
Zunächst sollte ich von Leyla Güvens Leben erzählen.
Sie wurde im Alter von 16 Jahren mit einem Verwandten verheiratet und ist Mutter zweier Kinder. Mit Anfang 30 ließ sie sich scheiden und gab ihre klassische Frauenrolle auf. Sie begann zu arbeiten und zog ihre Kinder alleine groß.
Als wir Kinder selbstständig wurden, begann für meine Mutter ein ganz neues Leben. Sie war ohnehin politisch aktiv, jetzt wurde sie noch aktiver. Als es die HADEP noch gab, übernahm meine Mutter Aufgaben in der Frauenbewegung und später im Parteirat. Zweimal hintereinander wurde sie zur Bürgermeisterin gewählt, zunächst in der Gemeinde Küçük Dikili in Adana und danach in Wêranşar (Viranşehir). Während ihrer Zeit als Bürgermeisterin stand ihre Identität als Frau immer im Vordergrund. Sie sorgte dafür, dass Frauen in den kommunalen Tarifverträgen besonders berücksichtigt wurden. Für Frauen hat sie sehr viel getan.
Am 7. Juni 2015 wurde sie zur Abgeordneten gewählt. Nur wenig später war sie in Cizîr, um die Gewalt zu stoppen. In der Zeit der Ausgangssperren war sie zusammen mit anderen ständig in der bombardierten Kreisstadt unterwegs, um Schaden von den Zivilisten abzuwenden. Es ist also nicht das erste Mal, dass Leyla Güven ihr Leben für den Frieden aufs Spiel setzt.
Aktuell ist sie immer noch HDP-Abgeordnete mit dem Wahlkreis Colemêrg (Hakkari). Gleichzeitig ist sie Ko-Vorsitzende des Demokratischen Gesellschaftskongresses. Wer geglaubt hat, dass ihr Kampfgeist im Gefängnis gebrochen werden könnte, hat sich geirrt. ‚Sie haben vergessen, dass wir überall gegen den Faschismus Widerstand leisten‘, sagt sie selbst. Jetzt leistet sie Widerstand im Kerker von Diyarbakir, einem der Folterzentren nach dem Militärputsch vom 12. September 1980. Sie kämpft für Frieden.
Eingetreten ist meine Mutter in diesen Kampf, als sie damals in Konya die Menschen gesehen hat, die ihre Heimatorte aufgrund des Krieges verlassen mussten und unter sehr schlechten Bedingungen lebten. Sie waren dazu gezwungen worden, ihre Gärten, ihre Felder und ihre niedergebrannten Häuser hinter sich zu lassen und ein Leben zu führen, in dem sie ihre eigene Muttersprache nicht sprechen konnten und die schlechteste Arbeit machen mussten. Meine Mutter konnte nicht so tun, als wäre es ihr gleichgültig. Als eine in Konya lebende kurdische Frau begann sie für ihr Volk zu kämpfen.
So kenne ich meine Mutter.
Sie war noch viel mehr als nur meine Mutter und ich war geblendet, wenn ich diese kämpfende Leyla sah. Was für eine Stärke, welch ein Einsatz und was für eine Schönheit…
Ihr Willen … Bis vor kurzem habe ich mich über mich selbst geärgert, weil ich nicht so willensstark wie meine Mutter war, aber inzwischen begreife ich, dass nicht alle so sein können. Die Tochter einer so starken Frau zu sein, macht mich stolz, aber es ist auch schwer. Was auch immer du tust, es reicht nicht aus.
Meine Leyla. Meine Mutter, meine liebste Genossin. Die Frau meines Lebens, die sich nicht nur für ihre eigene Zukunft einsetzt, sondern für die ihres Volkes.
Wieviel ich auch von dir erzähle, es reicht nicht aus!“