„Liebe ist eine alte Lüge, um unsere Arbeitskraft zu rauben“

Zum Valentinstag protestierten Frauen in Istanbul. Die Plattform „Frauen sind zusammen stark“ erklärte: „Wir wollen diese Liebe, die uns der patriarchale Kapitalismus aufzwingt und uns ermordet und ausbeutet, nicht.“

Die Plattform „Frauen sind zusammen stark“ protestierte in Istanbul anlässlich des sogenannten Valentinstags. Mit Plakaten auf der Kundgebung in Istanbul-Kadıköy erklärten die Teilnehmenden „Liebe ist eine alte Lüge, um unsere Arbeitskraft zu rauben“ und „Liebe soll nicht patriarchal sein“. Sie riefen Parolen wie „Wir wollen keine tödliche Liebe“, „Nein heißt Nein“, „Verhindert keine Scheidungen, sondern Morde“ und „Ohne Gleichheit gibt es keine Liebe“. Die Frauen trugen aus Protest in Geschenkpapier eingewickelte Haushaltsartikel und riefen: „So eine Liebe darf nicht sein“.

Bilen Sevda Könen von „Frauen sind zusammen stark“ erklärte: „Die Liebe ist eine alte Lüge, mit der seit Adam und Eva unsere Arbeitskraft ausgebeutet wird.“ Die Aktivistin betonte, unter dem Begriff der „Liebe“ würden Ausbeutung und Gewalt romantisiert: „Die heteropatriarchale, kapitalistische Ordnung profitiert davon und dagegen protestieren wir.“ Könen wies auf die Morde und die tödliche Bedrohung für Frauen hin, die als „Eifersucht“, „Liebe bis in den Tod“, „wahnsinnige Liebe“ oder „verzweifelte Liebe“ beschönigt werden und führt weiter aus: „Doch damit nicht genug, nach ein paar Liebesschwüren kommt die Ungleichverteilung der Hausarbeit und die Sorge- und Pflegearbeit: Das Bügeln, die Wäsche, das Geschirrspülen, die Sorge um die Kinder. Wir arbeiten jeden Tag vier Stunden mehr als die Männer, aber unsere Arbeit ist unsichtbar. Es handelt sich um Gratisarbeit für die als Familie bezeichnete Struktur. Aber es geht noch weiter, wir werden getötet, weil wir Nein zu diesem Ausbeutungsmuster sagen, wenn wir gehen wollen, wenn wir das Angebot der Versöhnung oder Freundschaft ablehnen. Wir werden getötet, weil wir über unser eigenes Leben entscheiden wollen.“

Wir weigern uns, die Rechnung für die eskalierende Wirtschaftskrise zu bezahlen“

Könen fuhr fort: „Der heteropatriarchale Kapitalismus sagt uns, wir sollten doch froh sein über die Geschenke an diesem Tag angesichts der Gewalt, Ungleichheit und Ausbeutung an den anderen Tagen des Jahres. Wie jeden 14. Februar werden uns Elektrogeräte geschenkt, um uns auf unseren Platz im Haushalt hinzuweisen. Aber dieses Jahr können nicht einmal diese mehr betrieben werden, denn die Stromrechnungen sind zu hoch. Als Frauen sollen wir diese Lücke mit unserer Arbeit schließen. Wir weigern uns, die Rechnung für die eskalierende Wirtschaftskrise zu bezahlen.“

Frauenarbeit werde als Beitrag zum „Familienbudget“ betrachtet und entwertet, so die Aktivistin. Könen wies auf Niedriglöhne hin und sprach von einem Komplex aus Patriarchat und Kapital: „Wir wissen sehr wohl, dass Männer, die unser Leben in den Straßen, den Nächten, den Wohnungen, an den Arbeitsplätzen und den Schulen beschränken, vom Männerstaat und der Männerjustiz dazu ermächtigt werden. Wir erinnern den Männerstaat, der alle bedroht, die sich gegen ihn auflehnen, dass Liliths unendliche Rebellion auch heute noch weiter geht. An diesem 14. Februar rufen wir noch einmal dazu auf: Wir befinden uns im feministischen Aufstand gegen das Heteropatriarchat, das gewaltsam versucht, uns mit seinem Verständnis von Liebe und in den von ihm gezogenen Grenzen einzusperren. Doch wir werden die Welt verändern! Gemeinsam sind wir stark!"