Der Femizid an der Studentin Pınar Gültekin 2020 hat nicht nur in der Türkei viele Menschen schockiert. Nun hat ein Berufungsgericht in der westtürkischen Küstenmetropole Izmir den Täter Cemal Metin Avcı zu einer lebenslangen Haft unter erschwerten Bedingungen verurteilt und damit ein früheres mildes Urteil verschärft. Der Bruder des Täters, Mertcan Avcı, wurde zu vier Jahren Haft wegen Beihilfe und dem Zurückhalten von Beweisen verurteilt.
Im ersten Prozess hatte ein Gericht im Juni 2022 in Muğla eine „ungerechtfertigte Provokation“ als strafmildernd gewertet und Avcı zu nur 23 Jahren Haft verurteilt. Bei Frauenorganisationen löste dieses Urteil einen Sturm der Entrüstung aus. Sie fanden, damit sei dem Opfer eine Mitschuld an der Tat gegeben worden. Das neue Urteil erging nun in einem Berufungsprozess.
„Das Gericht hat heute ein starkes Signal gesetzt, indem es im Berufungsverfahren das ursprüngliche Urteil gegen den Mörder von Pınar Gültekin verschärft hat: Für Femizid kann es nur lebenslänglich geben“, sagte Rezan Epözdemir, Verteidiger der Familie Gültekin, am Freitag nach der Urteilsverkündung. Die ursprüngliche Haftstrafe über 23 Jahre, von der nur knapp 14 hätten verbüßt werden müssen – sofern sie rechtskräftig geworden wäre – sei unzureichend gewesen und zu Recht revidiert worden. „Gerade in einem Land mit einer hohen Femizid-Rate hätte das frühere Urteil eine negative Signalwirkung gehabt. Die neuerliche Verurteilung ist daher von großer Bedeutung, für Täter wie vor allem für die Opfer von Femizid“, so Epözdemir.
Pınar Gültekin | Foto: privat
Die 27-jährige Pınar Gültekin war im Juli 2020 im südwesttürkischen Muğla tot aufgefunden worden. Die gebürtig aus Bedlîs (tr. Bitlis) stammende Kurdin, die zuvor in einer Beziehung mit dem Täter gestanden haben soll, war erst bewusstlos geschlagen, dann gewürgt und schließlich lebendig verbrannt worden, bevor ihr Körper in einem Fass mit Beton übergossen wurde. Es dauerte fünf Tage, bis die Polizei ihre sterblichen Überreste fand.