Kundgebung in Aurich gegen Femizide und für die Stärkung der Frauenrevolution

Im ostfriesischen Aurich wurde anlässlich des internationalen Aktionstages gegen Gewalt an Frauen eine Kundgebung vor dem Rathaus durchgeführt. In Reden wurde zu Frauenorganisierung und Solidarität mit der Frauenevolution im Iran und in Rojava aufgerufen.

Etwa 60 Frauen und einige solidarische Männer versammelten sich am Nachmittag des 25. November in Aurich vor dem Rathaus, um gegen patriarchale Gewalt und Femizide zu demonstrieren. Auf den Treppenstufen vor dem Rathauseingang waren die Portraits von Frauen aufgestellt, viele davon Vorreiterinnen von internationalen Frauenbewegungen, die durch Femizide ihr Leben verloren haben. In einer Schweigeminute wurde zu Beginn der Veranstaltung an diese und alle ermordeten Frauen gedacht.

Patriarchale Denkweisen durchziehen die Gesellschaften

In einer Rede der Vertreterin der feministischen Organisierung „Gemeinsam Kämpfen! Für Selbstbestimmung und demokratische Autonomie“ wurde betont, wie wichtig es angesichts von Femiziden und Patriarchat sei, nicht alleine zu bleiben und als Frauen und andere unterdrückte Geschlechter miteinander verbunden zu sein. „Das Patriarchat schwächt uns, trennt uns voreinander, spaltet und vereinzelt. Patriarchale Denkweisen durchziehen die Gesellschaften weltweit und auch diese Gesellschaft hier. Vereinzelt sind wir der hierarchischen Geschlechterordnung, der frauenfeindlichen Herabsetzung, Demütigungen, ökonomischer Schlechterstellung, der Gewalt und Bedrohung von Mord weit stärker ausgeliefert.“

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Femizide sind kein Einzelschicksal

Jeden Tag wird in Deutschland versucht eine Frau zu ermorden, weil sie eine Frau ist und Männer die Macht über Frauen behalten wollen. Auch in Aurich waren im September und Oktober zwei junge Frauen von ihren Partnern ermordet worden. Femizide sind die Spitze der oft verborgenen, als Privatsache behandelten Gewaltverhältnisse der Frauenfeindlichkeit. „Femizide sind kein Einzelschicksal, sondern Merkmal eines strukturellen Macht- und Herrschaftsverhältnisses,“ erklärte die Rednerin von Gemeinsam Kämpfen. „Deshalb nimmt die Gewalt gegen Frauen zu, wenn Frauen Selbstbewusstsein entwickeln, sich Frauenbewegungen organisieren und für eine geschlechterbefreite Gesellschaft eintreten. Um die patriarchale Ordnung zu erhalten, werden Aktivistinnen für Frauenrechte und Frauen, die zu sehr aus der weiblich zugedachten Rolle herausfallen, gezielt angegriffen und ermordet. Staaten werden dabei zu Komplizen. Zum einen durch mangelnde Strafverfolgung der Täter und unzureichende Prävention und Hilfe für die Betroffenen. Zum anderen, indem Frauenrechtsaktivistinnen durch staatliche Gewalt direkt angegriffen werden.“ Als Beispiele wurden der Mord durch den türkischen Geheimdienst an der Akademikerin der Frauenwissenschaft Jineolojî Nagihan Akarsel in Südkurdistan und die Inhaftierung von Frauenrechtlerinnen in der Türkei sowie der Mord an Jina Amini und die tödliche Gewalt gegen die Aufständischen der Frauenrevolution in Iran genannt.

Ohne Freiheit der Frauen kann es keine freie Gesellschaft geben

Doch gerade deswegen wird die Frauenrevolution als ein gesamtgesellschaftlicher Prozess mit großer Entschlossenheit, Mut und Zuversicht geführt. „Vorbild und Kraftquelle für den Aufstand im Iran ist die kurdische Frauenbewegung und die Frauenrevolution in Rojava, dem Selbstverwaltungsgebiet in Nord- und Ostsyrien. Der Slogan Jin-Jiyan-Azadi ist Ausdruck davon. Die politische Philosophie der kurdischen Freiheitsbewegung stellt die Freiheit der Frauen an die erste Stelle aller gesellschaftlichen Befreiungsprozesse. Ohne Freiheit der Frauen kann es keine freie Gesellschaft geben. Dieses Gesellschaftsmodell wird in Rojava, im Selbstverwaltungsgebiet seit 2012 verwirklicht. Und das macht dieses Gebiet nicht nur zum Angriffsziel von Islamisten wie dem Islamischen Staat, sondern auch zum Angriffsziel des türkischen Staates, der sich von so viel Freiheit und Demokratie bedroht sieht.“

Feministische Organisierung „jetzt, hier und überall“

Weiter betonte die Aktivistin: „Aktuell wird das Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien, das Gebiet, das sich auf dem Weg der Verwirklichung der Frauenrevolution befindet, von der Türkei massiv und völkerrechtswidrig bombardiert. Getreidesilos, Energieinfrastruktur, Städte und Krankenhäuser werden bombardiert. Eine weitere Bodenoffensive und Besatzung wurden von der Türkei angekündigt. Dieser Krieg ist ein Krieg gegen Frauenrechte.“ Gegen den Krieg gegen Frauen und gegen Femizide brauche es „jetzt, hier und überall“ feministische Organisierung und Aktion.

 „Auch hier brauchen wir eine starke Frauenorganisierung und einen Aufschrei gegen Femizide und patriarchale Diskriminierungen. Die heutige Demonstration in Aurich ist ein wichtiger Schritt. Jede kleine, öffentliche Initiative, jeder Zusammenschluss als Gruppe, um Frauensolidarität zu zeigen, ist von großer Bedeutung.“ Die Frauenrevolutionen in Rojava und im Iran wurden als kraftvolle Vorbilder für die Möglichkeit einer Alternative zu patriarchaler Einschüchterung, Ungleichheit und Gewalt durch feministische Organisierung herausgestellt.

Nach dieser wie nach weiteren Reden, unter anderem durch den kurdischen Frauenrat Zelal aus Aurich, wurde immer wieder die bedeutende Parole Jin-Jiyan-Azadi gerufen.