Kraftvoller Auftakt zum 8. März in Istanbul

Anlässlich des bevorstehenden Weltfrauentages am 8. März sind in Istanbul Tausende Frauen auf einer kraftvollen Kundgebung zusammengekommen. Ihr Motto lautete: „Für unsere Freiheit in den Widerstand – Gegen die Krise, Kriege und Gewalt auf die Straße!“

Bei gutem Wetter fand heute im Istanbuler Bezirk Bakırköy eine kämpferische, bunte und vielfältige Kundgebung zum Internationalen Frauentag statt. Aufgerufen und mobilisiert hatte die „Frauenplattform 8. März“,  ein breites Bündnis aus verschiedenen türkischen und kurdischen Frauenorganisationen wie dem HDP-Frauenrat, Neue demokratische Frau, Sozialistische Frauenräte (SKM), Tevgera Jinên Azad (TJA) und der Initiative für Frauensolidarität Kırkyama. Das zentrale Motto der Kundgebung lautete: „Für unsere Freiheit in den Widerstand – Gegen die Krise, Kriege und Gewalt auf die Straße!“

„Jin, Jiyan, Azadî“

Die Frauen trafen sich vor dem Marmara-Forum. Mit Musik, Gesängen und vielfältigen Parolen zogen sie selbstbewusst und kraftvoll auf den Kundgebungsort auf dem zentralen Marktplatz. Das kam auch auf den vielen selbst gestalteten Plakaten und Transparenten in türkischer und kurdischer Sprache zum Ausdruck. „Frauen der Welt, vereint euch“, „Frauen, Leben, Freiheit“, „Unsere Arbeit, unsere Identität und unsere Körper gehören uns“ und „Frauenmorde sind politische Morde“ hieß es auf vielen Plakaten.

Aber auch Transparente mit der Aufschrift „Leylas Forderung ist auch unsere Forderung“ stachen ins Auge. Mit der Parole „Erhebe deine Stimme für Leyla“ brachten die Frauen immer wieder ihre Solidarität mit der kurdischen Politikerin Leyla Güven zum Ausdruck, die seit 116 Tagen gegen die Isolation Abdullah Öcalans mit einem unbefristeten Hungerstreik protestiert.

Mord an Şule Çet aufklären

Die Kundgebung wurde zunächst mit einer Schweigeminute für alle ermordeten Frauen eingeleitet. Anschließend verlas Sevgi Öztürk im Namen der „Frauenplattform 8. März“ eine gemeinsame Erklärung des Bündnisses und richtete eine Reihe von Forderungen an die Regierung. Unter anderem ging es dabei um den Mord an der 22-jährigen Şule Çet. Die Modedesign-Studentin war im letzten Mai von zwei Männern betäubt, vergewaltigt und aus dem 20. Stockwerk eines Büroturms geworfen worden.

Justiz versuchte Mord zu vertuschen

Der Mörder – ihr Chef – musste sich zunächst nicht verantworten, weil er reich und gut vernetzt ist. Wie die türkische Justiz versuchte, den Mord an Şule Çet zu vertuschen und wie mit dem Mörder umgegangen wurde, - auch die gleichgeschaltete Presse in der Türkei gebrauchte eine den Mord legitimierende Sprache - führte zu heftigen Protesten. Die Justiz änderte später zwar ihre Meinung und ließ die beiden Tatverdächtigen verhaften - doch der Haftbefehl erging nicht wegen Mordes, sondern wegen „Gewaltanwendung und Übergriffen zu sexuellen Zwecken“. Bis der Prozess eröffnet wurde, vergingen über acht Monate. Anfang Februar fand die erste Verhandlung statt. Der Anwalt der Angeklagten verwies in seiner Verteidigung darauf, dass Şule Çet keine Jungfrau mehr gewesen sei, ihr Jungfernhäutchen Risse aufgewiesen habe und sie aus freien Stücken mit den Männern ins Büro gegangen sei: „Sie hat Alkohol getrunken. Das heißt, sie war einverstanden. Liegt Einvernehmen vor, ist das kein sexueller Übergriff.“

Der gerichtsmedizinische Bericht klingt ähnlich: „Wenn eine Frau akzeptiert hat, mit einem Mann an einem abgeschiedenen Ort Alkohol zu trinken, ist das als Einverständnis in eine sexuelle Beziehung zu werten“.

Audiobotschaft von Leyla Güven

Anschließend wurde eine Audiobotschaft von Leyla Güven abgespielt. In der Botschaft hieß es: „Damit die Frau in dieser Gesellschaft gleichberechtigt leben kann, werden wir unser Widerstand maximieren. Dem schließen sich auch die Gefangenen an“. Die Kundgebungsteilnehmerinnen reagierten mit lautstarken Parolen und tosendem Applaus. Mit einem musikalischen Beitrag der MKM-Sängerin Ruken Yilmaz endete die Kundgebung.