Im Windschatten von Krieg und Bürgerkrieg haben die Selbstverwaltungsstrukturen in Rojava nach der Revolution eine neue demokratische Gesellschaft auf Grundlage von Volksräten und Kommunen geschaffen. Die verschiedenen ethnischen, religiösen und sozialen Bevölkerungsgruppen in Nord- und Ostsyrien wirken daran gleichberechtigt mit. Dieses in Rojava umgesetzte Konzept des Demokratischen Konföderalismus, den Staat auf lokale Einrichtungen in Dörfern, Städten und Nachbarschaften zu reduzieren und dabei alle Entscheidungsgremien auf diese Institutionen zu übertragen, ist die basisdemokratische Alternative, um jenseits vom Staat zu leben, und geht auf den kurdischen Vordenker Abdullah Öcalan zurück. Dieser ließ sich von den Ideen des US-amerikanischen Sozialisten Murray Bookchin über einen Libertären Kommunalismus inspirieren und passte sie an die Realitäten des Mittleren Ostens an.
Öcalans Anspruch ist es, eine Alternative zur kapitalistischen Moderne zu entwickeln. Zentral hierfür ist nicht nur die demokratische Selbstorganisation der Gesellschaft, sondern auch die Entwicklung einer alternativen Ökonomie. Gegen die in Nordsyrien noch dominante kapitalistische Ökonomie soll eine „demokratisch-gesellschaftliche Ökonomie“ auf Basis vor allem von Kooperativen beziehungsweise Genossenschaften entstehen. Diese wurden in weiten Gebieten aufgebaut und nahmen Schritt für Schritt eine wichtigere Rolle ein. Seit 2017 schließen sie sich in übergeordneten Strukturen zusammen.
Zur Entwicklung einer autonomen Frauenökonomie in den selbstverwalteten Gebieten Nord- und Ostsyriens trägt vor allem der Dachverband der kurdischen Frauenbewegung Kongreya Star bei. Seit Jahren nehmen die Frauenkooperativen an Größe und Zahl zu, denn sie sind ein wichtiger Weg für Frauen, um die Abhängigkeit von ihren Vätern und Ehemännern nach und nach zu verringern. Allein in der Cizîrê-Region fördert Kongreya Star die gleichberechtigte Teilhabe von Tausenden Frauen in Dutzenden Landwirtschaftskooperativen, um den Nutzen für alle Mitglieder und die Gemeinschaften zu erhöhen. Mittlerweile sind 16 weitere dazugekommen, die die Lebensgrundlage von 409 Frauen und ihren Familien bilden. Die Kooperativen befinden sich in Dêrik (al-Malikiya), Tirbespî (al-Qahtaniyya), Girkê Legê (al-Muabbada), Amûdê und in Hesekê.
Eine weitere Region, in denen das System der demokratischen Ökonomie am stärksten ausgeprägt war, ist Serêkaniyê (Ras al-Ain). Dort wurde eine vier Hektar große landwirtschaftliche Fläche unter 150 Frauen und ihren Familien aufgeteilt. Mit der durch Russland und die USA abgesegneten Besatzung der Stadt wurden die Kooperativen vernichtet. Die Menschen mussten fliehen und ihre Felder liegen brach.
Nach Angaben von Mehe Zoro aus dem Vorstand von Kongreya Star in Amûdê sind weitere Kooperativen geplant. Die Mittel stellt das Ökonomiekomitee zur Verfügung. „Zwar beeinflussen die Angriffe auf Nord- und Ostsyrien unsere ökonomische Arbeit besonders negativ. Aber die Organisierung der Ökonomie bildet eine Grundlage für die Organisierung eines freien Lebens. Dieses Bewusstsein hat bei den Frauen einen Geist der Verbundenheit zum gemeinschaftlichen Arbeiten und zur Stärkung ihrer Fähigkeit zu Selbstorganisierung und Autonomie geschaffen. Diese Frauensolidarität gilt es tatkräftig zu unterstützen.”