Kongreya Star hält Jahresversammlung ab
Der Dachverband der Frauenbewegung in Nord- und Ostsyrien hält derzeit in Rimêlan seine Jahresversammlung ab. Gleichzeitig feiert die Organisation ihr siebzehnjähriges Bestehen.
Der Dachverband der Frauenbewegung in Nord- und Ostsyrien hält derzeit in Rimêlan seine Jahresversammlung ab. Gleichzeitig feiert die Organisation ihr siebzehnjähriges Bestehen.
Die Rojava-Koordination des Dachverbands der Frauenbewegung Kongreya Star hält derzeit in Rimêlan im Kanton Qamişlo ihre Jahresversammlung ab. Mit der Teilnahme von rund 300 Delegierten aus dem gesamten Autonomiegebiet von Nord- und Ostsyrien sowie aus Aleppo und Damaskus werden zwei Tage lang intensive Diskussionen mit der Zielsetzung geführt, bisherige Ergebnisse der Arbeit von Kongreya Star zu bewerten und eine Analyse der Auswirkungen aller Programme zusammenzustellen. Der Austausch konzentriert sich gleichermaßen darauf, welche Entscheidungen hinsichtlich der Prioritäten und der strategischen Ziele des Dachverbands getroffen werden.
Der erste Tag der Jahresversammlung, die im Kulturzentrum Aram Tigran abgehalten wird, begann mit einer feierlichen Zeremonie anlässlich des siebzehnjährigen Bestehens von Kongreya Star. Fortgesetzt wurde die Zusammenkunft mit einer Diskussion über Abdullah Öcalans Analyse der Ursprünge von Frauenunterdrückung und den sich daraus ergebenden Perspektiven für die Frauenbefreiung. Die Kongreya-Star-Sprecherin Remziye Mihemed fasste zusammen, dass der Verband alle Frauen in Nord- und Ostsyrien vertritt und versucht, eine demokratische Gesellschaft aufzubauen, welche die von Männern dominierte Mentalität und patriarchale Strukturen verdrängt.
Einige Delegierte trugen traditionelle kurdische und syrische Kleider
Im weiteren Verlauf wurden die Jahresberichte aller Vertretungen der Kongreya Star verlesen. Zum Abschluss des ersten Tages gab es dann ein musikalisches Bühnenprogramm und ausgelassene Govend-Tänze. Für Sonntag steht zunächst die Auswertung der eigenen Arbeit auf der Agenda. Die türkische Besatzung in Teilen Syriens und Bemühungen, ihren Auswirkungen auf Frauen entgegenzuwirken, sollen ebenfalls zentrales Thema der politischen Debatten sein. Außerdem werden die zentralen Aufgaben und Projekte für das Jahr 2022 vorgestellt.
Von Yekîtiya Star zu Kongreya Star
Die Frauenbewegung in Rojava wurde am 15. Januar 2005 unter dem Namen Yekîtiya Star gegründet. Ihre Aktivistinnen waren massiven Repressionen wie Verhaftung und Folter durch das syrische Baath-Regime ausgesetzt. Trotz schwerster Bedingungen haben sie mit ihrer Arbeit Grundlagen für Frauenorganisierung geschaffen, indem sie in allen westkurdischen Städten mit dem Aufbau von Frauenräten und -kommunen begannen. Dabei konnten sie auf die 30-jährige Erfahrung der kurdischen Frauenbewegung aus allen Teilen Kurdistans zurückgreifen.
Auf ihrem 6. Kongress im Februar 2016 hat sich Yekîtiya Star umbenannt in Kongreya Star. Star ist in der kurdischen Mythologie der Name der Göttin Ischtar (Inanna) und bedeutet im heutigen Sprachgebrauch auch Stern. In Kongreya Star organisieren sich Frauen und Frauenorganisationen auf kommunaler, städtischer und kantonaler Ebene autonom und übernehmen ebenso engagierte Verantwortung in der gesamtgesellschaftlichen Organisierung. Durch dieses doppelte Engagement wird von der Frauenbewegung aktiv die Gesellschaft von einer patriarchalen in eine geschlechterbefreite umgestaltet und in allen Lebensbereichen die Perspektiven der Frauenbewegung eingebracht.
So ist Kongreya Star treibende Kraft für das friedliche Zusammenleben aller Interessengemeinschaften, Ethnien und Religionsgruppen in einer demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft. Sie ist eine Plattform für die Einheit der Frauen verschiedener politischer Parteien, Ethnien und Religionen in Rojava wie arabischen, assyrischen und kurdischen, ezidischen, muslimischen, alevitischen und christlichen Frauen. In den befreiten Städten Westkurdistans wurden Frauenkomitees, -zentren und -akademien ins Leben gerufen, um die aktive Beteiligung von Frauen an der Umgestaltung der Gesellschaft zu ermöglichen. Die dort gebotene Bildung reicht von Themen wie demokratische Autonomie, Selbstverteidigung, Kultur, Ökologie, die Geschichte der Frau, Sexismus und Frauenrechte bis hin zu gesundheitlichen Themen. Ein Schwerpunkt liegt auf Alphabetisierung und Unterricht in kurdischer Sprache. An vielen Orten wurden Frauenhäuser eröffnet. Die Frauenhäuser sind Bildungs- und Beratungszentren, in denen sich die Frauen treffen, in denen Bildungs- wie auch Beratungsarbeit stattfindet. Die Frauenräte sind das verbindende und beschlussfassende Gremium aller Frauen auf Stadt- bzw. Kantonsebene. In allen Städten Westkurdistans und in den syrischen Städten, in denen viele Kurd:innen leben, wurden Frauenräte mit 150 bis 250 Mitgliedern gewählt, um die politischen Interessen von Frauen zu vertreten und den Aufbau einer demokratisch-ökologischen, geschlechterbefreiten Gesellschaft voranzutreiben.
Ausweitung des Arbeitsgebiets
Die Frauenräte entsenden Vertreterinnen in die allgemeinen Volksräte, um dort Ideen, Wünsche und Forderungen der Frauenbewegung einzubringen. Zudem besteht in den gemischtgeschlechtlichen Strukturen auf allen Ebenen eine Doppelspitze, bestehend aus einer Frau und einem Mann (z.B. in den Räten selbst, in der größten westkurdischen Partei, der Partei der Demokratischen Einheit (PYD), in den Stadtverwaltungen etc.). Durch die autonome Organisierung der Frauen werden Frauenrechte auf allen Ebenen der Gesellschaft verteidigt, das heißt ideologisch, politisch und auch sozial. Das Wissen, die Gedanken, die von Frauen geschaffenen gesellschaftlichen Werte und ihre historischen Kämpfe finden eine besondere Anerkennung. Mit der Ausrufung der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien hat sich auch das Arbeitsgebiet von Kongreya Star ausgeweitet.