„Jin Jiyan Azadî“ in Zitaten von Abdullah Öcalan

In der Geschichte des kurdischen Volkes ist das Wort für Frau das gleiche wie für Leben. Im Laufe der Zeit wurden daraus zwei gegensätzliche Pole. Wir schließen diese Lücke wieder, ihr müsst die Zauberformel „Jin, Jiyan, Azadî“ lehren und repräsentieren.

Der Slogan „Jin Jiyan Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit) prägt die Demonstrationen, die nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini durch die iranische Sittenpolizei begannen. Diese Parole, die von Rojhilat (Ostkurdistan) aus auf die Aufstände in Iran übergriff und inzwischen auf der ganzen Welt gerufen wird, wurde zum Slogan des Frauenbefreiungskampfes im 21. Jahrhunderts zu einem revolutionären Kompass für alle Frauen, die sich auflehnen und kämpfen.

„Jin Jiyan Azadî“ steht nicht nur für Widerstand, sondern für den Willen, die Kraft und die Organisation zum Aufbau eines neuen Systems unter der Führung von Frauen. Der Autor dieser Formel der kurdischen Frauenbefreiungsideologie und ihr Vordenker ist Abdullah Öcalan. Seit den späten 1980er Jahren betonte er in seinen Reden und Schriften immer wieder, dass die Worte Jin und Jiyan in Kurdistan dieselben Wurzeln, dieselbe Bedeutung haben, und dass ein freies Leben ohne die Befreiung der Frauen nicht möglich ist.

Hier einige Auszüge aus den Reden und Schriften Abdullah Öcalans, den wir auch als Quelle des Slogans „Jin, Jiyan, Azadî" bezeichnen können, weil er eine Verbindung zwischen diesen drei Worten hergestellt hat und damit eine mächtige Formel für die Befreiung der Frau fand:

Die Frau ist untrennbar mit dem Leben verbunden

Ich sage es immer: die Frau ist ein untrennbarer Bestandteil des Lebens. Aber nicht nur ein objektiver Teil, sie muss auch dafür sorgen, ein bewusstes, entschlossenes Subjekt zu werden.

In diesem Sinne entwickeln wir nicht nur eine Lösung für euch, die gesamte Gesellschaft braucht die Befreiung dringend. Ihr seid in diesem Gebiet die Vorreiterinnen der Befreiung. Diese Aufgaben sind sehr dringend, ihr müsst sehr ernsthaft darangehen. (April 1989)

Bei uns heißt sie Leben

Wie heißt sie [die Frau, Anm. d. Übers.] bei uns? Jiyan – Leben. Was habt ihr daraus gemacht? Mirin, ketin – Tod, Fall. Das müssen wir ändern. Da müsst ihr die Führung übernehmen, nicht wahr? Die Männer sollen euch bewundern. Ihr solltet genug Beziehungen haben, um die Kraft für mehrere Kämpfe zu haben, und stark genug sein, um sie zu lenken. (25. Juni 1994)

Es ist nicht gut, eine traditionelle Frau zu sein

Viele von euch sagen wiederholt: „Wir lernen das Leben jetzt gerade neu kennen, jetzt verstehen wir auch die Problematik der Emotionen.“ Ihr wart doch so emotional? Ihr hattet euch doch „Jin, Jiyan“ genannt! Welches Leben habt ihr vertreten? Warum fangt erst jetzt an, einige erhabene Gefühle kennen zu lernen? Ist das nicht viel zu spät? Hängt ihr dem Leben nicht etwas hinterher? Wie weit kann jemand mit so rückständigen, verwirrten Gefühlen politisch werden? Wie stabil kann die Praxis einer solchen Person werden? Im traditionellen Sinne weiblich zu sein, ist nichts Gutes. (9. Februar 1995)

Bei uns waren Leben und Frau identisch

Wir müssen sagen, dass wir diese große Hoffnung in erster Linie unseren Gefallenen schuldig sind. Wieder wurde als erstes bei uns der Name der Frau mit dem Leben identisch. In diesen Tagen haben sich vier kurdische junge Frauen selbst verbrannt. Zekiye, Rahşan, Bêrîvan, Ronahî, sie sind die großen Namen, die Jin und Jiyan miteinander verbinden. Frauen finden mehr als jemals zuvor als starke Partei für das Leben ihren Platz in diesem Krieg. Und man kann das Leben nicht verstehen, man kann dem Leben nicht gebührend Rechnung tragen, wenn man diese starken Entscheidungen des Lebens, diese großen Newroz-Gefallenen, diese heldenhaften Frauen nicht begrüßt. (21. März 1996)

Die Frau und das Leben wurde zu gegensätzlichen Polen

In der Geschichte unseres Volkes ist das Wort für Frau das gleiche wie für Leben. Aber je mehr wir uns dem Jetzt näherten, wurden daraus zwei gegensätzliche Pole. Wir schließen diese Lücke wieder. Wir bringen „Jin“ und „Jiyan“ wieder zusammen. Das ist eine positive Entwicklung. Heute feiere ich diese Entwicklung mit den Frauen und wünsche ihnen weiterhin Erfolg. (26. Februar 1998)

Wenn es Leben geben soll, dann nur durch die Frauen

In unserer Realität wird Frau und Leben mit dem gleichen Wort benannt. In unserer nationalen Identität wird „Jin û Jiyan“ (Frau und Leben) gemeinsam bewertet. Aber wie ihr seht, sind es heute die am stärksten auseinander gerissenen Wörter. Frau und Leben, leider hat der durch die Invasionen und Besetzungen verursachte gesellschaftliche Abstieg über die Jahrhunderte Frauen an einen Punkt gebracht, an dem das Leben vergessen wird, und das Leben in eine Hölle verwandelt. Die eindrucksvolle Frauenpersönlichkeit aus den Anfängen der Geschichte, die mit Gesellschaft, Produktion, Domestikation die ersten Künste schaffte, und die Kultur, die sie als erste Göttinnen offenbarte; sie wurde in unserer heutigen Zeit zu einem echten Problemfall gemacht. Das müssen wir vor allen Dingen wissen. Wenn es Leben geben soll, dann ist das nur mit Frauen möglich und kann nur durch den freiheitlichen Vorstoß von Frauen verwirklicht werden. Das sage ich nicht einfach nur so. Sonst gibt es kein Leben, sonst ist Menschwerdung nicht möglich. (28. März 1998)

Wir wollen, dass die Frauen zum Leben erwachen

Jin û Jiyan (Frau und Leben) haben ohnehin die gleiche Bedeutung. In Kurdistan ist die Kombination Jin û Jiyan als Begrifflichkeit sehr ähnlich. Jin selbst bedeutet Leben. Aber jetzt liegt es wie etwas Totes in euren Händen. Wir wollen, dass die Frauen jetzt zum Leben erwachen. (27. August 1998)

In Kurdistan ist die Frau die Eigentümerin des Lebens

In Kurdistan ist die Frau Eigentümerin des Lebens. Warum sollen wir dem nicht einen Sinn geben, warum soll sich dem nicht angenommen werden? Da stehen Jahrhunderte im Weg, die Gesellschaft, die die Frau als Weib sieht, und der Mann. Warum sollten wir sie nicht stürzen? (27. Juli 1998)

Ich halte es für unmoralisch, der Frau eine Form vorzugeben

Man muss für die Freiheit der Frau sein. Ich halte es für unmoralisch, der Frau eine Form vorzugeben. Die Frau braucht eine „Xweda“ (Schöpferin/Göttin). „Xweda“ bedeutet sich selbst gebärend. Eine freie Frau geht auf wie eine Sonne. Die Worte „Jin, Jiyan“ haben eine große Bedeutung. Frauen müssen stark und frei sein, sie müssen Entscheidungsträgerinnen sein. Die Frauen sind besonders loyal zu mir. Seid nicht derartig loyal. Es kann keine Frau geben, die hundertprozentig loyal mit mir ist. Frauen sind sehr wertvoll. Darum sind auch die Worte „Jin, Jiyan“ so wertvoll. (18. März 2013)

Lehrt die Zauberformel „Jin Jiyan Azadî“ und repräsentiert sie

Unsere Lebensbedingungen und die Art, wie wir leben, sind der größte Schlag gegen die unbegrenzte weibliche Sklaverei und Hässlichkeit. Das macht mich sehr stolz. Wichtig ist jedoch, wie ihr persönlich und als Organisation diese Einstellung mit Leben füllt. Ich glaube, das Geheimnis liegt darin, euch zu formieren und keine Einmischung von Männern zuzulassen. So gebt ihr unter den gegebenen Umständen auch den Männern die erfolgreichste Antwort. Manche reden von Liebe und davon, dass sie die Frau brauchen würden. Aber euch ist sehr wohl bewusst, dass sie weder den Mut, noch das Bewusstsein und die Schönheit haben, um die wahre Frau zu lieben. Das, was sie Bedürfnis und Liebe nennen, geht nicht über primitive Triebe hinaus. Aber damit kann Liebe nicht verwirklicht werden, es tötet die Liebe. Die Bücher der Götter handeln seit der Geschichte von Adam davon, wie die Liebe getötet wird. Aber ihr müsst weiterhin die Freiheit, die Zauberformel „Jin, Jiyan, Azadî“ lehren und sie repräsentieren. (24. Juni 2013)

Das Leben, konkret als Jin û Jiyan, ging verloren

Das verzaubernde Leben hat hier begonnen; als Jin û Jiyan (Frau und Leben) verwirklichte es sich in Kurdistan. Im Laufe der Jahrtausende wurde das Leben, konkret als Jin û Jiyan, unter den Mächten der Hierarchie und des Staates an denselben Orten verloren.

In der kurdischen Gesellschaft sehen wir den vollständigen Verschleiß des Lebens am deutlichsten im Zusammenhang mit der Frau. In einer Kultur, die die Wörter „Leben“ und „Frau“ auf realistische Weise verbindet – die Worte Frau (jin), Leben (jiyan), Seele (can), Freude (şen), Welt (cihan) stammen ja alle von derselben Wurzel ab und drücken alle die Tatsache von Frau und Leben aus – ist die Auszehrung des Lebens der Frau das wesentliche Symptom der Auszehrung der Gesellschaft. Was von einer Kultur übrigblieb, die mit der um die Frau geschaffenen Göttinnenkultur die Grundlage für die Zivilisation legte, ist eine gigantische Blindheit gegenüber Frau und Leben sowie eine hemmungslose Kapitulation vor den Trieben.

Ich sage stets, dass Bedingungen, unter denen „Jin und Jiyan“ aufhören, Frau und Leben zu bedeuten, den Zerfall und die Auflösung der Gesellschaft widerspiegeln. Wenn wir diese Realität nicht analysieren und für den Weg zur Freiheit mobilisieren, können diejenigen Elemente, die wir Revolution, revolutionäre Partei, Anführer:innen und Militante nennen, unmöglich die ihnen zugedachte Rolle spielen. (Manifest der demokratischen Zivilisation)