Impressionen vom 25. November in Nordkurdistan und der Türkei

Der 25. November ist seit mehr als 50 Jahren Gedenktag, um auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen. Auch in diesem Jahr gibt es weltweit Aktionen und Demonstrationen, so auch in Nordkurdistan und der Türkei.

Am 25. November wird jedes Jahr weltweit der Tag gegen Gewalt an Frauen begangen, mit dem international ein sichtbares Zeichen gegen geschlechtsspezifische Gewalt gesetzt werden soll. An diesem Tag beginnen die sogenannten „Orange Days“, ein Zeitraum, in dem weltweit Aktionen stattfinden werden, um auf Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen. Den Abschluss dieses Zeitraums bildet der 10. Dezember, der Internationale Tag der Menschenrechte.

Amed

In der nordkurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) hatte die Frauenplattform DAKAP zu einer Kundgebung mit anschließender Demonstration eingeladen. Dem Aufruf unter der Losung „Mit Jin Jiyan Azadî zur Befreiung“ folgten hunderte Frauen. Die Polizei verhinderte den Aufmarsch und drängte die Beteiligten teils übermäßig gewaltsam in einen Kessel. „Nein zu Kapitulation, ja zum Widerstand“, entgegneten die Frauen, sangen kurdische Lieder und tanzten den Govend. Am Ende der Zusammenkunft wurden drei Aktivistinnen festgenommen. Außerdem zerstörte die Polizei die Ausrüstung einer Korrespondentin der feministischen Nachrichtenagentur JinNews.


Dersim

In Dersim lautete das Motto einer Protestveranstaltung „Organisierter Kampf gegen Armut, Ungleichheit, Gewalt und Krieg“, zu der sich zahlreiche Frauen im Künstlerviertel versammelten. Eingeladen hatte die Frauenplattform Dersim. Mehrere Rednerinnen prangerten den Fortbestand geschlechtsbezogener Gewalt an und wiesen auf einen Anstieg der organisierten militaristischen Gewalt in Kurdistan zum Zwecke der Unterdrückung und Ausbeutung hin. Eine anschließende Demonstration führte laut und kämpferisch bis zum Seyit-Riza-Platz. Dabei fiel immer wieder der Satz „Wo ist Gülistan Doku?“ Am 5. Januar 2024 jährt sich der Tag des Verschwindens der damals 21 Jahre alten Studentin aus Dersim zum vierten Mal. Frauenorganisationen befürchten, dass sie Opfer eines Femizids wurde. Einen Tag vor ihrem Verschwinden hatte Dokus Ex-Freund mit Gewalt versucht, sie in sein Auto zu zerren. Juristische Konsequenzen musste der Mann bis heute nicht fürchten.


Wan

In Wan demonstrierten viele Frauen unter dem Motto „Der patriarchale Staat schuldet uns Rechenschaft“. Besonders in Auge stachen zahlreiche Schilder mit dem Konterfei von Jina Mahsa Amini. Die 22-jährige Kurdin war vor rund einem Jahr in Iran an den Folgen von staatlicher Gewalt, die sin in Gewahrsam der sogenannten Sittenpolizei erlitt, gestorben. An ihrem Tod hatte sich die „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution entzündet, die von Jina Aminis Geburtsstadt Seqiz aus das ganze Land erfasste.


Istanbul

In Istanbul nahmen zahlreiche Frauen teil an einer Demonstration der „Frauenplattform 25. November“, die unter dem Motto „Die Täter sind zu Hause, im Parlament, am Arbeitsplatz, in der Schule – Die Frauen sind auf der Straße gegen männliche und staatliche Gewalt“ stattfand. Sie trugen Banner mit Aufschriften wie „Wir erheben uns gegen die Welt“, „Wir schweigen nicht, wir fürchten uns nicht, wir beugen uns nicht“ und „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit) und forderten die Regierung auf, zur Istanbul-Konvention zurückzukehren.

Izmir

Eine Bündnisdemonstration türkischer und kurdischer Frauenorganisationen in Izmir fand unter der Losung „Wir erheben den Kampf gegen Krieg, Armut, Fundamentalismus und männlich-staatliche Gewalt“ statt. In einem Beitrag wurde darauf hingewiesen, dass in der Türkei in den ersten zehn Monaten des Jahres mindestens 253 Femizide erfasst wurden. Die Zahl bezieht sich auf einen Bericht der Plattform „Wir werden Frauenmorde stoppen“ (KCDP), der Daten über alle polizeilich erfassten oder medial veröffentlichten Femizide enthält.

Nagihan Akarsel presente! Die Akademikerin, Journalistin und Herausgeberin der Zeitschrift Jineolojî wurde im Oktober 2022 von einem Attentäter des türkischen Geheimdienstes in der südkurdischen Metropole Silêmanî erschossen.


Die tatsächliche Zahl der verübten Frauenmorde dürfte jedoch deutlich höher liegen, betonte eine Rednerin, da hunderte weitere Frauen unter „zweifelhaften Umständen“ starben. Die Erfahrung zeigt, dass Täter oft Szenen konstruieren, um Femizid als Selbstmord, Unfall oder natürlichen Tod aussehen zu lassen. Die Frauenorganisationen in Izmir werfen der Regierung vor, eine tödliche Politik zu fördern, statt einen ambitionierten Kampf gegen patriarchale Gewalt zu führen. „Deshalb liegt es an uns. Wir müssen mögliche Alternativen für neue Formen der Gerechtigkeit schaffen. Den Kampf gegen patriarchale Gewalt können wir nur gemeinsam führen – organisiert, solidarisch und entschlossen“, hieß es.

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