HDP/YSP-Frauenrat: Die Zukunft gehört immer noch uns

Die Frauenräte der HDP/YSP erklären in einer selbstkritischen Bewertung der Wahlergebnisse in der Türkei: „Wir haben keine andere Wahl als zu kämpfen. Wir werden uns verteidigen, uns vermehren und gemeinsam aufbauen. Die Zukunft gehört immer noch uns."

Die Frauenräte der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und der Grünen Linkspartei (YSP) haben auf einer gemeinsamen Versammlung in Ankara die Ergebnisse der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bewertet. In der heute veröffentlichten Abschlusserklärung gehen die Politikerinnen selbstkritisch auf ihre eigene Arbeit ein und kündigen eine entsprechende Auseinandersetzung an der Basis und in allen Gremien an. Sie betonen jedoch, dass die Richtigkeit ihres Kampfes nicht an den Wahlergebnissen gemessen werden kann und niemand in Verzweiflung verfallen dürfe: „Zum Glück haben wir einen organisierten Frauenkampf. Als Frauen werden wir den Frauenhassern im Parlament und auf der Straße nicht nachgeben. Wir haben keine andere Wahl als zu kämpfen. Wir werden uns verteidigen, uns vermehren und gemeinsam aufbauen, indem wir unseren Kampf und unsere Organisation stärken. Die Zukunft gehört immer noch uns.“ Zudem stellen sich die Frauenräte ausdrücklich hinter die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan und bewerten die Hetze gegen die kurdische Politikerin in digitalen Netzwerke als Angriff auf die Frauenbewegung.

Frauenfeindlicher Diskurs im Wahlkampf

Die Frauenräte der HDP und YSP weisen in ihrer Bewertung auf die Angriffe auf die Frauenbewegung und die Repression im Vorfeld der Wahlen hin: „Während des Wahlprozesses haben die Regierung und ihre Bündnispartner aus Angst vor dem Wandel, den unser freiheitliches Frauenparadigma mit sich bringen wird, ihre Angriffe auf Frauen verstärkt und unsere Errungenschaften zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht. In unserer Wahlorganisierungsarbeit haben wir es als unsere Aufgabe angesehen, den spaltenden, polarisierenden und hasserfüllten Diskurs der frauenfeindlichen Bündnisse unter allen Umständen zu bekämpfen.“ Aus diesem Grund sei die Justiz vor den Wahlen verstärkt mit Festnahmen und Prozessen gegen den Frauenbefreiungskampf vorgegangen.

„Jeder Angriff während und nach den Wahlen gegen die Idee, die auf einem frauenbefreienden Paradigma basiert, ist ein Angriff auf den Frauenkampf. Wir kennen das Ziel der frauenfeindlichen faschistischen Regierung, die gegen die zu einem hohen Preis erkämpften Errungenschaften des kurdischen Frauenkampfes Zwangsverwalter ernannt hat und versucht, unseren Kampf mit Festnahmen und Verhaftungen einzuschüchtern. Das Ziel ist unser Kampf und die wachsende Solidarität und Organisation von Frauen", so die Frauenräte.

Hetze gegen Pervin Buldan

In der Erklärung heißt es weiter: „Die Regierung greift auch die Beteiligung von Frauen an der demokratischen Politik über digitale Medien in der Person unserer Ko-Vorsitzenden Pervin Buldan an. Natürlich sind wir eine Partei, die für jede Art von Kritik offen ist und die die Verantwortung hat, Selbstkritik an Themen zu üben, die Selbstkritik erfordern. Aber wir haben und werden uns nicht auf Machtspiele aller Art einlassen, die unsere Frauenpolitik unter dem Deckmantel der ,Kritik' diskreditieren, was nicht in Ordnung ist. Alle Frauen wissen, dass dies ein Angriff auf unser frauenlibertäres Paradigma ist. Mit diesen Methoden kann man weder unsere Frauenpolitik stoppen noch die Errungenschaften unseres Frauenkampfes zurücknehmen.“

Für eine würdevolle Friedenspolitik: Isolation von Öcalan beenden

Wer auf Krieg statt auf eine demokratische Lösung der kurdischen Frage setze, reproduziere und vertiefe frauenfeindliche Politik, erklären die Frauenräte. Solange die absolute Isolation von Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali anhalte, werde die Regierung weiterhin Frauen und ihre Errungenschaften angreifen: „Deshalb betonen wir noch einmal, dass die Isolation für eine würdevolle Friedenspolitik gegen den Krieg aufgehoben werden muss.“

Kampf für die Freiheit der politischen Gefangenen

Ein wesentlicher Schwerpunkt sind für die Frauen der HDP/YSP weiterhin die politischen Gefangenen: „Wir wissen, dass unsere Kampflinie und unsere Intellektualität in der Person unserer Genossinnen in den Gefängnissen als Geiseln genommen werden sollen. Wir werden den Kampf für die Freiheit der politischen Gefangenen unter allen Umständen verstärken. Im Zuge unserer Neustrukturierung wird die Frauensolidarität von den Gefängnissen bis auf die Straße größer werden.“

Selbstkritik an der Basis

Zu ihrer Vorbereitung auf die Wahlen erklären die Frauenräte, dass diese „kollektiv auf Grundlage der gesammelten Erfahrungen der Frauenbewegungen und des kurdischen Frauenkampfes“ stattgefunden habe: „Wir haben beschlossen, den gemeinsamen Kampf der Frauenbewegungen in unserer Arbeit während des Wahlprozesses widerzuspiegeln. Wir haben jedoch festgestellt, dass wir nicht in der Lage waren, eine Integrität der Arbeit zu leisten, die dem Inhalt unserer Wahlerklärung entspricht. Obwohl sie in unserer Erklärung enthalten war, konnten wir keine Repräsentation bieten, die den Pluralismus gewährleisten würde, wie z.B. Frauen mit Behinderungen, sexuellen Identitäten, Glaubensrichtungen und Völkern. Dieser Mangel ist für uns nicht akzeptabel. Wir, die Frauenräte der HDP und der Grünen Linkspartei, befinden uns in einem Prozess der Neuorganisation. Wir werden die Kampflinie mit lokalen Frauenversammlungen entschlossen vorantreiben. Einerseits werden wir unsere Defizite vervollständigen und andererseits werden wir eine organisatorische Mobilisierung starten, die durch die Umstrukturierung alle Frauen erreichen soll. Wir werden unsere Selbstkritik in diesem Prozess sicherstellen, indem wir härter arbeiten und den Kampf ausweiten.“

„Wir sind mehr als das Parlament, wir sind überall“

Weiter heißt es in der Erklärung: „Wir messen die Richtigkeit unseres Kampfes nicht an den Wahlergebnissen. Die Frauen sind nicht die Verlierer und der Gewinner ist nicht das Ein-Mann-Regime und die frauenfeindliche Allianz. Wir werden unsere Errungenschaften nicht aufgeben, und wir werden nicht aufgeben, uns die Rechte zurückzuholen, die uns genommen wurden. In dieser Legislaturperiode hat das Parlament eine noch stärker von Männern dominierte Form angenommen. Wir sind jedoch mehr als ein Parlament. Wir sind diejenigen, die die Vertretung von der Straße ins Parlament tragen. Wir sind in jedem Bereich des Lebens.

Das autoritäre Regime ist in eine neue Phase der Selbstverstärkung eingetreten. Alle Dynamiken des Kampfes, insbesondere die Frauenbewegungen, werden entsprechend der neuen Periode umstrukturiert werden. Wir werden eine stärkere Kampflinie gegen die zunehmende männerdominierte Politik sowohl im gesellschaftlichen Leben als auch in unserer Partei und im Parlament führen. Wir bereiten uns darauf vor, diesen Prozess in allen Gremien und vor Ort zu diskutieren und voranzutreiben.

Niemand darf in die Verzweiflung fallen, in die man uns zu stürzen versucht. Zum Glück haben wir einen organisierten Frauenkampf. Es gibt die Solidarität und den Kampf der Frauen. Wir, die Frauen, die den Frauenhassern im Parlament und auf der Straße nicht nachgeben werden, sind hier."

Keine andere Option als der Kampf

Abschließend appellieren die Frauenräte der HDP und YSP an alle Frauen: „Wir werden die Solidarität der Frauen mit unseren Identitäten, Überzeugungen, Sprachen, unserer Arbeit und all unseren Unterschieden stärken. Wir haben keine andere Wahl als zu kämpfen. Wir werden uns verteidigen, uns vermehren und gemeinsam aufbauen, indem wir unseren Kampf und unsere Organisation stärken. Wir danken den Frauen, die sich trotz des Drucks bei den Wahlen engagiert haben, die auf Veränderungen bestanden und unseren Kampf verstärkt haben. Die Zukunft gehört immer noch uns, wir können sie in den Farben malen, die wir wollen.“

Titelfoto: YSP-Sprecherin Çiğdem Kılıçgün Uçar und HDP-Vorsitzende Pervin Buldan im Wahlkampf