Haftbefehl gegen Musikerin Emel Çiftçi aufgehoben

Die kurdische Musikerin Emel Çiftçi ist aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Der Prozess wegen vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft wird im März fortgesetzt.

Nach fünf Monaten in Untersuchungshaft hat ein Gericht in Amed (tr. Diyarbakır) die Entlassung der kurdischen Musikerin Emel Çiftçi angeordnet. Der Schritt erfolgte nach dem Prozessauftakt vor einer der großen Strafkammern in der kurdischen Metropole. Zahlreiche Kunstschaffende und Angehörige beobachteten das Verfahren am Dienstag, darunter Mitglieder Ensembles Koma Ma, dem auch Çiftçi angehört.

Emel Çiftçi steht unter Verdacht, sich in leitender Funktion mitgliedschaftlich für eine „Terrororganisation“ – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – betätigt zu haben. Quelle der Anschuldigungen sind unter anderem eine Auswertung ihrer Handydaten-Ortung und Aussagen eines Belastungszeugen der Oberstaatsanwaltschaft in Ankara, der sich „Ulaş“ nennt. Dieser Zeuge wurde heute per Videokonferenz in die Verhandlung eingebunden und gab vor, Çiftçi als „PKK-Kader” kennengelernt zu haben. Die Musikerin dementierte die Aussagen und wies auch alle anderen gegen sie erhobenen Vorwürfe als frei erfunden zurück.

Auch wird gegen Çiftçi ein Bericht der im türkischen Finanzministerium angesiedelten Ermittlungsbehörde für Finanzkriminalität (MASAK) herangezogen, in dem von häufigen Hotelaufenthalten der Künstlerin in verschiedenen Städten und angeblich auffälligen Zahlungseingängen auf ihrem Bankkonto die Rede ist. Dazu äußerte sie, als Bandmitglied von Koma Ma in der Vergangenheit auch hin und wieder bezahlte Konzerte absolviert zu haben, darunter auch Auswärts-Termine mit Übernachtung.

Verteidigung: Wegen künstlerischen Wirkens mit „Terror“-Etikett versehen

Çiftçis Verteidiger Şerzan Yelboğa monierte, dass die Aussage des Zeigen lediglich eine abstrakte Meinung beinhalte. Sie sei daher kein Indiz für die Charakterisierung der vorgeworfenen Straftat, nämlich der Mitgliedschaft in einer als terroristisch eingestuften Organisation. Seine Mandantin sei offensichtlich einzig wegen ihres Wirkens für den Erhalt und die Pflege der kurdischen Kultur und Sprache in den Fokus der Justiz geraten und mit dem „Terror“-Etikett versehen worden. Çiftçi ist langjähriges Mitglied des in der westtürkischen Metropole Istanbul ansässigen Kulturzentrums Mesopotamien (Navenda Çanda Mezopotamya, NÇM) und arbeitet bei „Zarok Ma“, der weltweit ersten kurdischen Musikschule für Kinder, die 2021 in Amed eröffnet wurde. 

In Krankenhaus festgenommen

Yelboğa kritisierte auch wieder die Art und Weise der Festnahme Çiftçis, die im August in einem Krankenhaus in Amed erfolgt war. Die Künstlerin leidet an Gebärmutterhalskrebs im fortgeschrittenen Stadium und hätte sich sich im vergangenen Jahr einer Operation unterziehen sollen. Trotz entsprechenden Arztberichten hatte die türkische Justiz einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftbefehls abgelehnt. Das sei „ein Akt der Unmenschlichkeit“ gewesen, sagte Yelboğa. 

Anklage fordert bis zu 15 Jahre Haft

Sollte Çiftçi verurteilt werden, droht ihr ein langjähriger Gefängnisaufenthalt. Die Anklage plädiert für ein Strafmaß im oberen Bereich und fordert eine Verurteilung nach Artikel 314/1 des türkischen Strafgesetzbuches, der eine Höchststrafe von 15 Jahren Gefängnis vorsieht. Beim Prozessauftakt verfügten die Richter ein Ausreiseverbot für Çiftçi und ordneten polizeliche Meldeauflagen an. Das Verfahren wird am 14. März fortgesetzt.