Die Celler Initiative „FemRiseUp“ teilt zum heutigen internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen mit:
Im Durchschnitt ist weltweit jede dritte Frau Opfer physischer oder sexualisierter Gewalt, die Übergriffe werden häufig vom engsten Umfeld begangen. 200 Millionen Frauen leiden unter Genitalverstümmelung, jedes fünfte Mädchen auf der Welt wird unter 18 Jahren verheiratet.
In Deutschland wird davon gesprochen, dass jede siebte Frau in ihrem Leben sexualisierte Gewalt in Form von Vergewaltigung erlebt.
Heute ist es wichtiger denn je, auf Gewalt und Missstände aufmerksam zu machen, vor der Haustür und weltweit. Seit dem 9. Oktober greifen türkische und dschihadistische Truppen Rojava an. Im Zuge dieser Angriffe wurden bereits viele kurdische und internationalistische Kämpfer*innen getötet, ebenso wie unschuldige, unbeteiligte Zivilist*innen. Dies ist ein Angriff auf die Frauenrevolution, ein Angriff auf alle Frauen weltweit. Wir sehen es als unser Bedürfnis und unsere Pflicht, uns mit Frauenkämpfen weltweit solidarisch zu zeigen und immer wieder darauf aufmerksam zu machen.
In Frankreich sind in diesem Jahr bereits 116 Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet worden, in Italien 94. Jede ermordete Frau ist eine zu viel! Deshalb gingen bereits am Samstag in Paris und Rom zehntausende Menschen auf die Straße, um auf gegen Frauen gerichtete Gewalt aufmerksam zu machen.
Auch hier in Celle fehlt bei keiner Kundgebung das Banner von „Gemeinsam kämpfen!“.
Hier vor Ort in Celle haben wir den Sonntag, 24. November genutzt, um bei einem feministischen Frühstück im Bunten Haus zusammen zu kommen. Mehr als 20 Frauen aus fünf Jahrzehnten konnten sich, teils mit Kindern dabei, austauschen und nicht nur an der reich gedeckten Tafel, sondern insbesondere gegenseitig stärken.
In einer gemeinsamen Arbeitsphase wurde ein Banner mit der Aufschrift „Gewalt gegen Frauen* hat viele Gesichter – Widerstand auch! Solidarität mit der Frauenrevolution in Nord- und Ostsyrien“ gemalt. Dieses Banner wurde in der Nacht zum 25. November innerorts an der B3 Richtung Hannover aufgehängt. Es soll hiermit auf die überall ausgeübte Gewalt gegen Frauen* aufmerksam gemacht und gleichzeitig ein deutliches Zeichen gesetzt werden, dass der Widerstand und der gemeinsame Kampf für ein freies Leben solidarisch und ebenso weltweit geführt wird, wie es weltweit Angriffe unterschiedlicher Art gibt.
Nach der Arbeitsphase folgte der gemeinsame Besuch einiger Frauen im ezidischen Kulturzentrum, Mala Êzîdiya, in Celle. Die ezidischen Frauen hatten zu Mittagessen und Austausch zum Thema Gewalt gegen Frauen eingeladen.
Am 25. November direkt laden FemRiseUp und Gemeinsam Kämpfen Celle zu einem feministischen Abend in der Montagskneipe im Bunten Haus e.V. ein. Diese ist anlässlich des Tages nur für Frauen, Lesben, Trans, Inter und nicht-binäre Menschen offen. Die Männer, die an diesem Abend auf den Kneipenbesuch „verzichten“, können hierdurch symbolisch zeigen, dass sie Alkohol- oder andere Rauschzustände weder als Entschuldigung, noch als Begründung oder Relativierung von Gewalt und insbesondere sexualisierten Übergriffen akzeptieren.
Offener Brief zum 25. November: Gewalt verhindern durch Aufklärung!
Die feministische Gruppe „FemRiseUp“ aus Celle hat zum 25. November, dem Tag gegen Gewalt an Frauen, einen offenen Brief an die Celler Schulen verfasst. Unter dem Titel „(Wir wollen) Gewalt verhindern durch Aufklärung!“ beleuchten die Verfasserinnen auf knapp zwölf Seiten die vor allem die schulische Aufklärung rund um die Themen Sexualität und Geschlecht. Die geschlechtliche Vielfalt über die zwei Kategorien „Frau“ und „Mann“ hinaus sei mittlerweile immer breiter von der Gesellschaft anerkannt. Der Brief nimmt hier auch Bezug auf den „Transgender day of remembrance“ am 20. November und dem Gedenken wegen ihrer Geschlechtsidentität getöteter Trans-Menschen gewidmet ist.
Wie aber wird Diversität auch in und um Unterricht und generell im Leben von vor allem Jugendlichen dargestellt? Wie tragen Bilder, Filme und Sprache zur Formung unseres Menschenbildes bei? Denn bereits hier kann Gewalt anfangen. Durch Sprache könnten wir einander verletzen und bspw. das Selbstbestimmungsrecht anderer außer Acht lassen. Nicht immer wissen wir es besser oder kennen Alternativen. Manche Alternativen erscheinen evtl. auf den ersten Blick nicht alltagstauglich oder man müsste sich schlicht an eine neue Umgangsform gewöhnen. Hierzu stehen in dem offenen Brief verschiedene Vorschläge.
In Bezug auf das Thema sexualisierter Gewalt wird auch auf eine positive Aufklärung eingegangen, die präventiv wirke. So wird der Grundsatz „Nein heißt Nein“ auch dahingehend diskutiert, dass jegliche sexuelle Handlungen im expliziten beidseitigen Einverständnis, also „im Konsens“, vollzogen werden sollten und dies fange beim ersten Kuss schon an. Durch das Reden über Bedürfnisse und Wünsche würde Grenzverletzungen und Gewalt vorgebeugt, doch auch dieses müssen wir erlernen und uns trauen. In pornographischen Filmen wird ein ganz anderes Bild von Sexualität vermittelt, das unterdrückerisch und oft sogar gewaltvoll ist. Hier sei dringender Änderungsbedarf. Denn orientieren sich Menschen, die gerade erst anfangen eigene Erfahrungen zu machen, an solchen Vorstellungen, überschreiten sie die Grenzen anderer und werden zur Gewaltausübung bzw. zum Ertragen dieser, angehalten. Und wenn dies passiert, wie kann reagiert werden? Was gibt es zu beachten und wie kann die betroffene Person bestmöglich unterstützt werden?
Der Brief steckt voll von hilfreichen Tipps, weiterführender Lektüre und grundlegenden Fragen. Er macht Vorschläge für Lehrende und Lernende und verweist auf unterschiedliche Alternativen. Die Verfasserinnen*, einige von ihnen selbst Lehrerinnen* und Schüler*innen, sehen aus ihren eigenen Erfahrungen im Bereich der schulischen Aufklärung über Diversität, Sexualität und Gewalt dringenden Handlungsbedarf und ergriffen daher die Initiative für diesen Offenen Brief. Es geht ihnen nicht um ein maßloses „mehr“ sondern um ein wirksames „anders“.
Mehr Informationen zum offenen Brief gibt es hier.