Gemeinsam Kämpfen Hamburg: Wie entsteht politischer Aktivismus?

Eine Aktivistin des Kollektivs Tejiendo Redes Y Rebeldía hat im „Gemeinsam Kämpfen“-Café in Hamburg die Befreiungstheologie in Guatemala vorgestellt. Hierbei analysierte sie, wie und warum sich Menschen sozialen Bewegungen anschließen.

Am Montag fand in Hamburg das monatliche Café der feministischen Organisierung „Gemeinsam Kämpfen für Selbstbestimmung und demokratische Autonomie“ statt. Thema war diesmal die Entstehung von politischem Aktivismus. Eine Aktivistin des Kollektivs Tejiendo Redes Y Rebeldía stellte in diesem Rahmen ihre Forschungsarbeit zur Befreiungstheologie in Guatemala vor. Hierbei analysierte sie, wie und warum sich Menschen sozialen Bewegungen anschließen.

Zu Beginn der Veranstaltung wurde dazu aufgerufen, sich an der Spendenkampagne des Kurdischen Roten Halbmondes (Heyva Sor A Kurdistanê e.V.) für die Opfer des Erdbebens zu beteiligen. Außerdem wurde die aktuelle Situation in den besonders betroffenen kurdischen Gebieten geschildert, wo die Menschen teilweise auch noch unter türkischen Luftangriffen leiden.

Befreiungstheologie in Guatemala

Die eingeladene Referentin berichtete dann aus ihrer Forschungsarbeit über Aktivist:innen der Befreiungstheologie. Sie selbst habe keinen religiösen Hintergrund, sympathisiere aber mit den Ideen und Zielen der Befreiungstheologie. Sie begann ihren Vortrag mit einer Zusammenfassung des historischen Kontextes von Guatemala. Die Befreiungstheologie entstand hier zu einer Zeit der Militärdiktaturen in Südamerika und inmitten des Kalten Krieges. In Guatemala gründete sich 1960 die erste Guerillaorganisation, die Befreiung unter sozialistischen Vorzeichen zum Ziel hatte. Die kleinbäuerliche und indigene Bevölkerung spielte hierbei eine zentrale Rolle und erfuhr besonders stark staatliche Repressionen, so die Referentin. Die katholische Kirche war und ist Teil dieses rassistischen und kolonialistischen Herrschaftssystems, berichtete sie.

In den Basis-Gemeinden der katholischen Kirchen wurde dies jedoch in den 1960ern aus einer linken Perspektive stark kritisiert und es entstand die marxistisch orientierte Befreiungstheologie. Die Referentin berichtete, dass Befreiungstheolog:innen es als ihre Aufgabe sehen, gesellschaftliche Befreiung und soziale Gerechtigkeit im Diesseits zu verwirklichen. Hierbei gehe es darum, Menschen dabei zu unterstützen, sich selbst aus repressiven Strukturen zu befreien. Inspiriert durch die Befreiungstheologie entstanden verschiedene Kooperativen und Bildungs- und Gesundheitszentren.

Die Referentin erwähnte auch die innerlinke Kritik an der Befreiungstheologie, die sich vor allem auf Missionierungsversuche und das Fehlen einer feministischen Haltung richtete.

Unterdrückungserfahrung als Motor von Organisierung

Nach der historischen und inhaltlichen Einordnung stellte die Referentin den etwa 20 Gästen des Cafés ihre Forschungsarbeit vor: In Guatemala interviewte sie verschiedene Akteur:innen der Befreiungstheologie und analysierte deren Erfahrungen und Beweggründe, die zu einem Anschluss an die Befreiungstheologie oder an die Friedensbewegung führte. Die Mobilisierung von Menschen – so die Referentin – beginne meist dann, wenn im Alltag Probleme wahrgenommen würden. Dann brauche es Berührungspunkte mit positiven Deutungen wie beispielsweise Gerechtigkeit oder Sozialismus, die eine andere Perspektive aufzeigten und denkbar machten. Durch diese Deutungen würden die Unterdrückungserfahrungen dann in Handlungen umgewandelt. Hierbei sei wichtig, dass diese Handlungen die Ursachen der Unterdrückungserfahrungen als Ziel haben – wie beispielsweise das Militär oder das Wirtschaftssystem.

In ihren Analysen wurde deutlich, dass es nicht immer eine direkte Erfahrung von Unterdrückung brauche, um politisch aktiv zu werden. Die politischen Praktiken und Deutungen unterschieden sich aber bei den von ihr interviewten Personen je nach Klasse und auch Betroffenheit von Rassismus.

In der anschließenden Diskussion wurde noch einmal die Frage aufgeworfen, inwiefern Religion als Herrschaftsinstrument auch ein Instrument der Befreiung sein kann – insbesondere in einem Land, in dem die katholische Kirche Teil der Kolonialisierung und Zerstörung der indigenen Kultur war. Die Referentin berichtete auch von der aktuellen Situation in Guatemala, dort sei die Linke insgesamt zwar durch Repression und den Neoliberalismus stark geschwächt, die antikoloniale und feministische Bewegung sind jedoch weiterhin kämpferisch.