Gedenkveranstaltung im „Gemeinsam Kämpfen“-Café in Hamburg

Auf einer Veranstaltung von „Gemeinsam Kämpfen“ in Hamburg ist der Toten der beiden Pariser Anschläge von 2013 und 2022 gedacht worden. Freundinnen von Evîn Goyî schilderten ihre Erinnerungen an die ermordete kurdische Revolutionärin.

Am Montag fand in Hamburg das monatliche Café der feministischen Organisierung „Gemeinsam Kämpfen für Selbstbestimmung und demokratische Autonomie“ statt. Das Café wurde den Ermordeten von Paris gewidmet. Gemeinsam gedachten die Anwesenden Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez, die am 9. Januar 2013 in Paris durch den türkischen Geheimdienst MIT ermordet worden waren, sowie Evîn Goyî, Mîr Perwer und Abdurrahman Kızıl, die am 23. Dezember 2022 von einem französischen Rassisten ebenfalls in Paris erschossen wurden. An der Veranstaltung nahmen mehrere Frauen teil, die einen persönlichen Bezug zu Evîn Goyî hatten und ihre Erinnerungen an die kurdische Revolutionärin mit den Café-Besucher:innen teilten.

Angriff auf den freien Willen von Frauen auf allen Ebenen

Eine Vertreterin von „Gemeinsam Kämpfen“ erklärte, jeder Feminizid sei politisch, bedeute die Sicherung von Patriarchat und Herrschaft und müsse als Teil der patriarchalen Kriegsführung gegen Frauen verstanden werden. Es gebe weltweit eine deutliche Zunahme von politischen Feminiziden gegen weibliche Führungspersönlichkeiten, denn es gebe eine zunehmende Politisierung von Frauen. Die im staatlichen Auftrag ermordeten Frauen seien Vorreiterinnen für die Rechte und Freiheit, die die kapitalistische Moderne in Frage stellen. Es seien unter anderem Künstlerinnen sowie Frauen- und Menschenrechtlerinnen.

Die Türkei unter der AKP-Regierung führe einen Vernichtungskrieg gegen Frauen, denn diese seien die führende Kraft im Befreiungskampf. Die Referentin erinnerte an einige Feminizide der letzten Jahre: Die Morde an Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez 2013 in Paris, an den kurdischen Aktivistinnen Sêvê Demir, Fatma Uyar und Pakize Nayir 2016 in Silopiya, an Zehra Berkel, Emine Veysi und Hebûn Mele Xelîl 2020 in Kobanê, an den YPJ-Kämpferinnen Jiyan Tolhildan, Roj Xabûr und Barîn Botan 2022 in Qamişlo sowie an Nagihan Akarsel, Mitglied der Jineolojî-Akademie, 2022 in Silêmanî.

Evîn Goyî war eine freie Frau

Auf der Gedenkveranstaltung wurden die Biographien der 2013 und 2022 in Paris ermordeten Kurd:innen vorgestellt. Eine Kurdin, die Evîn Goyî sehr gut kannte und jahrzehntelang mit ihr zusammen in den Bergen kämpfte, sagte: „Evîn gehörte zu den wenigen Frauen, die schon sehr jung merkten, wie wichtig die Frauenbewegung ist. Sie war eine der Mitbegründerinnen der kurdischen Frauenbewegung und der Frauenguerilla, und sie war eine herausragende Kommandantin. Der Anschlag in Paris war gezielt gegen sie gerichtet. Heval Evîn war federführend an der Vorbereitung der Aktivitäten zum zehnten Jahrestag der Morde von 2013 beteiligt. Zum Zeitpunkt ihrer Ermordung hätte in dem kurdischen Kulturzentrum eine Versammlung dafür stattfinden sollen. Evîn ist vom türkischen Staat ermordet worden.“

Daran anknüpfend erinnerte sich eine weitere Referentin: „Ich kannte Heval Evîn aus dem Jahr 1996. Sie kam aus einem kleinen Dorf, das 1994 durch die türkische Armee zerstört wurde. Aber sie war bereits sechs Jahre zuvor in die Berge gegangen, weil die Repression so stark war und ständig Menschen gefoltert und ermordet wurden. Aus ihrer Verwandtschaft sind über sechzig Menschen im kurdischen Befreiungskampf gefallen. Heval Evîn hat erzählt, dass es in ihrem Dorf sehr schön war. Sie ist sehr frei groß geworden, die Kinder haben bis tief in die Nacht gespielt, sind über Zäune geklettert und haben Trauben stibitzt. Nach der Zerstörung des Dorfes ist ihre ganze Familie in das Geflüchtetencamp Mexmûr gegangen. Heval Evîn ist 1988 der kurdischen Bewegung beigetreten. 1992 war der erste große Krieg, an dem auch Frauen beteiligt waren, der sogenannte Südkrieg, und auch Heval Evîn hat daran teilgenommen.“

Evîn Goyî habe sich nie als Heldin dargestellt und sei insbesondere eine Unterstützung für Internationalist:innen gewesen, die anfangs Schwierigkeiten hatten, sich an die andere Kultur in den Bergen zu gewöhnen, so die Referentin: „Als ich Evîn kennenlernte, war ich gerade ein halbes Jahr in den Bergen, konnte mich noch nicht so gut bewegen und hatte große Probleme, dort anzukommen. Das haben viele nicht verstanden. Aber Evîn hat meine Schwierigkeiten verstanden und mir geholfen. Sie hat mir viel erklärt und war immer an meiner Seite, um mir beizustehen. Sie war immer in ganz engem Kontakt mit den Menschen und sehr nah an ihnen dran.“