Die in Nordkurdistan und der Türkei aktive „Bewegung freier Frauen“ (Tevgera Jinên Azad, TJA) hat am Freitag ihr Programm zum diesjährigen 25. November, dem internationalen Kampftag gegen Gewalt an Frauen, eingeleitet. Die Aktivitäten stehen unter der Losung „Gegen Faschismus und Femizid – Zeit für Freiheit“. Als erste Aktion wurde das Grab von Nagihan Akarsel im zentralanatolischen Konya besucht. Die Journalistin und Jineolojî-Forscherin war Anfang Oktober von einem Auftragsmörder des türkischen Geheimdienstes (MIT) in der südkurdischen Metropole Silêmanî hingerichtet worden.
Wie üblich bei Aktionen der TJA, wurde auch der Grabbesuch bei Nagihan Akarsel von Repressionen der türkischen Staatsgewalt überschattet. So sperrte die Gendarmerie, die paramilitärische Polizei in der Türkei, den Zugang in das Dorf Gölyazı (ku. Xelîkan) im Kreis Cihanbeyli willkürlich ab. Erst als die Frauen einer GBT-Abfrage ihrer staatlich gespeicherten Daten zustimmten, erhielten sie Zutritt auf den Friedhof in Gölyazı.
Unter den Anwesenden waren neben TJA-Aktivistinnen auch Politikerinnen der HDP, darunter die Parlamentsabgeordneten Ayşe Acar Başaran, Fatma Kurtulan, Gülistan Kılıç Koçyiğit und Şevin Coşkun. Başaran, die gleichzeitig Sprecherin des HDP-Frauenrats ist, hielt eine bewegende Rede und würdigte Akarsel als „Wahrheitskämpferin“ und Vorreiterin der Frauenbefreiungsbewegung. „Mit der Perspektive der Frau in einer Welt, in der unser Geschlecht ignoriert wird, widmete Nagihan ihr Leben dem Aufbau eines neuen Lebens. Mit elf Kugeln hat man sie niedergestreckt. Diese Schüsse richteten sich nicht nur gegen Nagihans Körper. Jede einzelne Kugel wurde auch auf den Widerstand der kurdischen Frauen gegen das von Männern dominierte System abgefeuert und gegen ihren Anspruch auf ein freies Leben, den sie gegenüber patriarchalen, nationalistischen und kriegstreiberischen Herrschenden erheben.“
Eine weitere Rede hielt Derya Arslan von der TJA. Sie sprach von Nagihan Akarsel als eine „große Revolutionärin“ mit der Vision einer freien Gesellschaft und befreiten Frauen als tragende Säule. „Als ihre Weggefährtinnen ist es unser aufrichtiges Anliegen, die Ideale unserer geliebten Freundin zu erreichen. Dafür werden wir kämpfen.“ Nach den Worten von Arslan legten die Frauen Margeriten, rote Nelken und lilafarbene Tücher am Grab von Akarsel nieder.