Gedenken an die „Hexen“ aus Hildesheim

Die Steingrube in der Hildesheimer Oststadt diente im Mittelalter und der Frühen Neuzeit als Richtstätte für die Verbrennung von Hexen und andere Hinrichtungen. Anlässlich Walpurgis ist der Frauen und Kindern gedacht worden, die dort ermordet wurden.

Die Steingrube in der Hildesheimer Oststadt, ein ehemaliger Steinbruch, diente im Mittelalter und der Frühen Neuzeit als Richtstätte für die Verbrennung von Hexen und andere Hinrichtungen. Anlässlich Walpurgis ist an eben diesem Ort der Frauen und Kinder erinnert worden, die hier nach qualvoller Folter hingerichtet wurden. „Die jahrhundertelang anhaltende Hexenverfolgung wird bis heute vielerorts nicht aufgearbeitet, die Opfer nicht rehabilitiert. Immer noch kursieren viele, wilde Geschichten über die Zeit der Hexenverfolgung, aber eines wird bis heute nicht benannt: dass es sich hierbei um den größten, organisierten Femizid in der Geschichte Europas handelt”, erklärte eine der teilnehmenden Aktivistinnen.

Denn eines sei wichtig zu verstehen: „Es waren nicht nur die weisen Frauen, die Hebammen oder andere heilkundige Frauen, die verfolgt, angeklagt und ermordet wurden – es reichte aus ‚Frau‘ zu sein, um angeklagt zu werden. Es waren Frauen aus allen Schichten der Gesellschaft und jeden Alters betroffen. Es ging um nicht weniger als die Durchsetzung einer neuen, gesellschaftlichen Geschlechterordnung: die Frau als Gebärende wurde in den Bereich der Häuslichkeit verbannt. Für fast alle Berufszweige wurden Arbeitsverbote für Frauen erlassen und eine rigorose Sexualpolitik, die Vergewaltigung unter Straffreiheit stellte, sorgte für einen massiven Anstieg der Gewalt an Frauen. Geschlechtsidentitäten außerhalb des binären Mann-Frau Verhältnisses wurden nicht länger akzeptiert, Homosexualität und jegliche Sexualität, die nicht der Fortpflanzung diente verboten. All dies taucht in der weiß-männlich dominierten Geschichtsschreibung nicht auf! Meist wird die systematische, staatliche Gewalt auf die abergläubische Gesellschaft zurückgeführt und die Täter und Befürworter der Hexenverfolgung nicht benannt.

Geben wir den ermordeten ‚Hexen‘ ihre Namen und Geschichten zurück! Erinnern wir uns der unzähligen Frauen, Lesben, nicht-binären Personen und Kinder! Benennen wir die Hexenverfolgung als das, was es war: Femizid! In Erinnerung an drei unbekannte Frauen († 1513), Siborgsche († 1562), Munstedsche († 1564), Ilse Ridders († 1565), Anneke Dannebergs († 1591), Mollersche († 1607), Heinrich Kirch (*1600 †1615).“

Aufruf zu Aktionen: Take back the night!

Die Kampagne „Gemeinsam Kämpfen“ hatte dazu aufgerufen, zur diesjährigen Walpurgisnacht feministische Aktionen und Zusammenkünfte zu gestalten und an die Namen und Geschichten von Frauen, die als Hexen verfolgt wurden, zu erinnern. „In der Tradition der ‚Take back the night‘-Demonstrationen ist es ein Tag, an dem wir uns den Raum gegen patriarchale Gewalt nehmen wollen. Gerade jetzt brauchen wir eine starke feministische Antwort auf steigende Gewalt und staatliche Angriffe in Zeiten von Corona“, hieß es in dem Aufruf.