Frauendemonstration in Amed: Keinen Schritt zurück!
In der nordkurdischen Stadt Amed haben Frauen gegen die von der türkischen Regierung geplante Annullierung der Istanbul-Konvention protestiert.
In der nordkurdischen Stadt Amed haben Frauen gegen die von der türkischen Regierung geplante Annullierung der Istanbul-Konvention protestiert.
Am Donnerstag sind Frauen in der nordkurdischen Großstadt Amed (türk. Diyarbakır) auf die Straße gegangen, um gegen die von der AKP/MHP-Regierung geplante Annullierung der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen zu protestieren. Aufgerufen hatten die Frauenbewegung TJA, die Frauenplattform Dicle-Amed und viele weitere zivilgesellschaftliche Organisationen. An der Demonstration nahmen neben Vertreter*innen der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und der Partei der Demokratischen Regionen (DBP) auch Angehörige der durch Männergewalt ermordeten Dilek Kaya aus Erxenî (türk. Ergani) teil.
Polizeiangriff zu Beginn der Demonstration
Die Polizei griff die Frauen bereits zu Beginn der Demonstration an. Dabei wurde sich auf ein Demonstrationsverbot des Gouverneurs berufen. Die Frauen führten daraufhin eine Kundgebung durch. Sie trugen Transparente mit Aufschriften wie „Wir geben weder unsere Rechte noch unser Leben auf, Hände weg von der Istanbul-Konvention“, „Istanbul-Konvention anwenden statt aufheben“ und „Jin, Jiyan, Azadî“.
„Täter werden vom AKP-Männerregime ermutigt“
Zuhal Sezer von der Bildungsgewerkschaft Eğitim-Sen erklärte: „Die Täter werden von der AKP-Männerregierung ermutigt. Sie verüben jede Art von Gewalt, morden und vergewaltigen weiterhin. Allein im Juli wurden 36 Frauen ermordet. Die Mörder werden von der Politik der Straflosigkeit in ihrem Tun bestärkt. Die Vertreter der Regierungspartei nehmen bei jeder Gelegenheit Errungenschaften von Frauen ins Visier. Frauen, die sich gegen die Annullierung der Ratifizierung der Istanbul-Konvention wenden, werden mit sexistischen Beleidigungen angegriffen. Das zeigt, wie beunruhigt die Regierung über die Befreiung und Organisierung von Frauen sind. Wer behauptet, der Begriff der ‚Familie‘ sei in Gefahr, sollte wissen, dass die Institution der Familie, wenn in ihr Gewalt herrscht, an sich schon schwach ist.“
Aufstand der Frauen unterstützen
Sezer erklärte, dass Frauen keinen Zentimeter von der Istanbul-Konvention abweichen werden: „Das sagen wir noch einmal in aller Deutlichkeit. Wir rufen alle auf, den Aufstand der Frauen gegen die Gewalt, die unser Leben zu Hause, auf der Straße und auf der Arbeit bedroht, zu unterstützen. Die Regierung muss anstelle der Annullierung der Istanbul-Konvention die Verantwortung für deren Umsetzung übernehmen.“
Die Istanbul-Konvention
Die Istanbul-Konvention – das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – wurde 2011 vom Europarat als völkerrechtlicher Vertrag ausgefertigt und trat im Jahr 2014 in Kraft. Sie gilt als Meilenstein im Kampf gegen patriarchale Gewalt und verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen sowie die Präventions- und Hilfsangebote zu verbessern. Die Türkei unterzeichnete als erstes Land die Konvention und ratifizierte den Vertrag 2012 im Parlament, doch in der Praxis werden die Rechtsnormen nicht angewandt. Weder werden die vorgesehenen Hilfsangebote und Schutzmaßnahmen für Frauen realisiert, noch wird beispielsweise das Gesetz Nr. 6284, das nach Angaben der AKP-Regierung als „Schutzmantel für Frauen“ wirken soll, effizient durchgesetzt. Und das, obwohl in dem Land am Bosporus Frauenhass und Gewaltexzesse an Frauen keine Seltenheit sind, sondern das patriarchale Fundament der Gesellschaft darstellen. Allein im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Plattform „Wir werden Frauenmorde stoppen” (türk. „Kadın Cinayetlerini Durduracağız Platformu“) 474 Femizide registriert, dennoch diskutiert die Regierung von Staatspräsident Erdoğan über einen Austritt aus der Istanbuler Konvention – weil sie traditionelle Werte „untergrabe“ und Männer zu „Sündenböcken“ mache.