Im Zusammenhang mit dem Femizid an Iman Sami Maghdid in der südkurdischen Metropole Hewlêr (Erbil) sitzen zwei dringend Tatverdächtige in Polizeihaft. Bei den Männern handelt es sich um den Bruder sowie einen Onkel der jungen Frau. Sie sollen die 20-Jährige mit mehreren Schüssen aus einer Schrotflinte hingerichtet haben. Ein dritter Mann wurde festgenommen, weil er dem Bruder Unterschlupf gewährt haben soll.
Iman Sami Maghdid, eine bekannte Frauenrechtlerin und Internet-Aktivistin, die auch unter dem Namen Maria bekannt war, wurde am Sonntag an einem Straßenrand in der Nähe des Flughafens von Hewlêr tot aufgefunden. Ihr Bruder Anjam Sami sowie ihr Onkel galten schon früh als dringend tatverdächtig. Letzterer wurde bereits kurz nach dem Femizid in Hewlêr festgenommen (ANF berichtete), der Bruder setzte sich nach Kerkûk (Kirkuk) ab. Dort konnte er am Mittwoch aufgespürt und festgenommen werden.
Laut der Kerkûker Polizei seien die Informationen zum Aufenthaltsort des mutmaßlichen Haupttäters aus dem Innenministerium übermittelt worden. Kurdistan 24, Sender des Ministerpräsidenten der Kurdistan-Region Irak (KRI) Mesrûr Barzanî, führte noch vor dem polizelichen Übergriff ein im Radio ausgestrahltes Telefoninterview mit Anjam Sami durch. Mehr als dreizehn Minuten bot der Sender dem mutmaßlichen Mörder damit eine Plattform, den Femizid zu rechtfertigen. Erst nach massiven Protesten wurde die Datei von den Webseiten des Senders entfernt.
Anjam Sami drohen nun eine Anklage wegen vorsätzlichem Mord und lebenslange Haft nach Artikel 406 des irakischen Strafgesetzbuches. Der Onkel soll wegen Beihilfe zum Mord angeklagt werden.
Statistiken liefern dramatische Zahlen zu Gewalt an Frauen
Geschlechtsspezifische und patriarchale Gewalt bestimmt in Südkurdistan den Alltag vieler Frauen und Mädchen. Vergewaltigungen, schwere Körperverletzung, sexualisierte Nötigungen, Belästigungen, Ausbeutungen, Missbrauch und Femizide – die Facetten geschlechtsspezifischer Gewalt sind groß und betreffen Frauen und Mädchen aller sozialen Schichten und jeden Alters. Laut einer aktuellen Bilanz der im Innenministerium der KRI angesiedelten Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sind seit Anfang des Jahres mindestens fünfzehn Frauen Opfer eines Femizids geworden, zehn dieser Morde ereigneten sich im Februar und März. Frauenorganisationen gehen allerdings von einer hohen Dunkelziffer aus: Oftmals würden Täter Szenen konstruieren, um Femizid als Selbstmord, Unfall oder natürlichen Tod aussehen zu lassen. Vor allem Verbrennungen sind eine häufige Methode des Femizids in Südkurdistan. Vor wenigen Wochen wurde die 21-jährige Şinyar Huner in ihrer Wohnung in Silêmanî von dem Mann, mit dem sie verheiratet war, mit Flüssiggas überschüttet und angezündet, als sie schlafend im Bett lag. Fünf Tage später erlag die Mutter von zwei Kindern im Krankenhaus ihren schweren Brandverletzungen.